Börsengang von Hapag-Lloyd: Kurssturz
Die Hamburger Staatsreederei Hapag-Lloyd ist nur noch halb so viel wert wie gedacht. Das schmälert die Erlöse und beschert der Hansestadt hohe Verluste.
HAMBURG taz | Es hapert gewaltig bei der Hamburger Staatsreederei Hapag-Lloyd. Der geplante Börsengang verzögert sich, und aller Voraussicht nach werden die Aktien nur zu einem Mindestpreis über den Tisch gehen. Die Erlöse werden bescheiden sein – wenn es sie denn in nennenswertem Umfang geben sollte. Damit drohen weitere Verluste für den zweitgrößten Anteilseigner: die Stadt Hamburg.
Ursprünglich wollte die 168 Jahre alte Traditionsreederei am kommenden Freitag an der Frankfurter Wertpapierbörse in den Handel gehen. Vorstandschef Rolf Habben Jansen, der im Sommer noch von Erlösen von mehr als 500 Millionen Euro geträumt hatte, korrigierte zwischenzeitlich die Erwartungen deutlich nach unten auf gerade mal 265 Millionen Euro. Banker hatten den Börsenwert des Unternehmens von zunächst fünf Milliarden Euro auf höchstens 3,75 Milliarden Euro gesenkt.
Nicht das Ende der Fahnenstange
Doch das ist noch nicht das – untere – Ende der Fahnenstange. Am Montag informierte Hapag-Lloyd mögliche Investoren darüber, dass die Aktien nicht zu 29 Euro das Stück, sondern zu je 23 Euro zugeteilt würden. Zugleich wurde die Börsennotierung auf Dienstag nächster Woche verschoben. Damit aber wäre das Unternehmen an der Börse nur noch knapp 2,7 Milliarden Euro wert. „Das ist für alle eine Enttäuschung“, sagte ein Banker.
Größter Aktionär ist seit Anfang dieses Jahres die chilenische Reederei Compañía Sudamericana de Vapores (CSAV) mit 34 Prozent vor Hamburg (23,2 %), dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne (20,8 %) und dem Touristikkonzern TUI (13,9 %). Die restlichen 8,1 % teilen sich die HSH Nordbank, die Versicherungen Signal Iduna und Hanse Merkur sowie das Bankhaus Warburg.
2009 hatte das Konsortium Albert Ballin – bestehend aus der Stadt Hamburg, Kühne und den vier kleinen Teilhabern – für rund 4,4 Milliarden Euro 61,6 Prozent der Reederei vom vorherigen Alleineigner TUI erworben. Hamburgs Anteil kostete 724,7 Millionen Euro.
2012 kaufte das Konsortium TUI weitere 16,4 Prozent ab – für rund 600 Millionen Euro. Davon zahlte Hamburg 420 Millionen und wurde vorübergehend größter Aktionär. Ende 2013 wurde das Konsortium aufgelöst.
Anfang 2015 stieg die CSAV bei Hapag-Lloyd ein. Die Kapitalerhöhung um 370 Millionen Euro leisteten CSAV und Kühne.
Eine Enttäuschung ist diese Entwicklung auch für die Stadt Hamburg. Diese hatte 2009 und 2012 in zwei Tranchen Anteile an Hapag-Lloyd für 1.144,7 Millionen Euro erworben (siehe Kasten), um den Ausverkauf des Unternehmens an den Konkurrenten NOL in Singapur zu verhindern. Diese Anteile zum Stückpreis von 53 Euro wären jetzt weniger als die Hälfte wert. Der Stadt droht rein rechnerisch ein Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro.
Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen, seit Sommer vorigen Jahres im Amt, hält der weltweit trüben Konjunktur zum Trotz am Börsengang fest. „Der Zugang zum Kapitalmarkt ist wichtig für uns“, beharrt der Niederländer. Denn die viertgrößte Frachtreederei der Welt ist knapp bei Kasse. Nach jahrelangen Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe zeigte sich zwar erstmals in diesem Jahr eine Tendenz zur Besserung. In den ersten sechs Monaten 2015 machte Hapag-Lloyd einen Gewinn von 157 Millionen Euro. Bis zum Jahresende allerdings dürfte der kaum noch wachsen.
Frachtraten fallen seit Wochen
Denn die Frachtschifffahrt leidet unter der schwächelnden Wirtschaft in China und den wachsenden Überkapazitäten in der Branche. Die Frachtraten fallen seit Wochen kontinuierlich. Das bringt selbst den Weltmarktführer Maersk ins Trudeln.
Er erwartet für 2015 nur noch 3,4 Milliarden Dollar Gewinn – 600 Millionen weniger als geplant. Prompt stürzte die Maersk-Aktie in dieser Woche um sieben Prozent ab. „Das war nicht hilfreich für Hapag-Lloyd“, seufzt ein Börsianer. Der dänische Konzern verdient zwar immer noch gut, Hapag-Lloyd aber nicht. Deshalb braucht die Reederei von der Hamburger Binnenalster die Erlöse aus dem Aktienverkauf, um sich sechs neue moderne Containerschiffe leisten zu können.
„Dramatische Fehleinschätzung“
Seine grundsätzlichen Zweifel bestätigt sieht Norbert Hackbusch, Haushaltsexperte der Linken in der Hamburger Bürgerschaft. Die Höhe der städtischen Verluste sei zwar jetzt noch nicht zu beziffern. Doch zeuge es von „Größenwahn“, dass Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) seit vier Jahren schon das Ende der Schifffahrtskrise nahen sehe. Diese „dramatische Fehleinschätzung“, sagt Hackbusch, werde nächsten Dienstag im Ausschuss der Bürgerschaft für Öffentliche Unternehmen kritisch beleuchtet werden.
Was Hackbusch nicht sagt: 2009 und 2012 hatte Die Linke den Einstieg der Stadt in das Unternehmen unterstützt, weil sie Verstaatlichungen grundsätzlich positiv gegenüber steht. Ausgezahlt hat sich das auch für Die Linke nicht.
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