piwik no script img

Gewerkschaftstag IG MetallFrau am Steuer, ungeheuer

Erstmals ist eine Frau Vizevorsitzende der IG Metall. Traditionell wäre sie damit in vier Jahren Chefin. Aber das passt nicht allen Männern.

Fand bereits 1988 zur IG Metall: Christiane Benner. Foto: dpa

Frankfurt/Main taz | Es ist eine kleine Revolution. Christiane Benner strahlt übers ganze Gesicht. „Ich bin so stolz, als erste Frau an der Spitze zu stehen“, sagt sie unter tosendem Applaus auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall in Frankfurt am Main. Die Wahl der gebürtigen Aachenerin zur zweiten Vorsitzenden der größten Industriegewerkschaft Europas ist zwar keine Überraschung, aber doch eine Sensation: Ihr ist der Einbruch in einer der letzten Männerbastionen Deutschlands gelungen. Nach 125 Jahren. Ein historisches Ereignis.

429 von 481 Delegierten stimmten am Dienstag für die 47-jährige Soziologin. Mit einer Zustimmung von 91,9 Prozent schnitt sie sogar besser ab als der ebenfalls neugewählte erste Vorsitzende Jörg Hofmann. Der 60-jährige Tarifexperte aus Baden-Württemberg ersetzt mit einem Wahlergebnis von 91,3 Prozent den altershalber abgetretenen Dietrich Wetzel. „Eine Frau an der Spitze ist ein starkes Asset für die IG Metall“, schwärmte Wetzel in bestem Managerdeutsch.

Christiane Benner fand 1988 zur IG Metall. Damals absolvierte sie eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin bei dem Darmstädter Maschinenbauer Carl Schenck, für den sie anschließend als Vertriebsmitarbeiterin und im Betriebsrat tätig war. Von 1993 bis 1999 studierte sie Soziologie. Schon in der Schlussphase des Studiums begann ihre hauptamtliche Gewerkschaftskarriere, die sie von der Projektsekretärin in der Verwaltungsstelle Frankfurt bis in den geschäftsführenden Bundesvorstand der IG Metall führte, dem sie seit 2011 angehört.

Dort war die als durchsetzungsstark geltende Benner bislang für Frauen, AusländerInnen, Auszubildende und Studierende zuständig – Zielgruppen, bei denen die IG Metall Zuwachspotenziale sieht. Zu ihren thematischen Schwerpunkten gehört die Informations- und Kommunikationsbranche, kurz IT. Hier würde es bisweilen „ein völlig anderes, unsoziales Verständnis von Arbeitsbeziehungen“ geben, beklagt sie.

Herausforderung Digitalisierung

Wie auch beim Verdi-Kongress im September sind bei der IG Metall die Herausforderungen der Digitalisierung ein großes Thema. „Wir können die Zukunft der digitalisierten Arbeitswelt nicht den Arbeitgebern und Technologen überlassen“, forderte Jörg Hofmann.

In den ganz unmittelbar praktischen Konsequenzen unterscheiden sich die Industrie- von denen der Dienstleistungsgewerkschaft. So erhält auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall jeder Delegierte ganz neumodisch ein Tablet, auf dem er das wie immer umfangreiche Antragspaket via App abrufen kann.

Bei Verdi gab es im September hingegen Trolleys für die Delegierten, um die mehrere Kilo schweren Papierberge transportieren zu können. Dafür wählten die Verdianer elektronisch, während bei der IG Metall noch ganz klassisch Kreuze auf Zettel gemacht werden.

Keine andere DGB-Gewerkschaft hat weniger weibliche Mitglieder

Auch nach dem Aufstieg Benners ist die IG Metall nicht zu einem Hort der Geschlechtergleichberechtigung geworden. Von der Automobil- bis zur Stahl- oder Elektroindustrie: Die Branchen, deren Beschäftigte die IG Metall organisiert, sind nach wie vor männlich dominiert.

Das spiegelt sich in der Gewerkschaft wider: Der weibliche Anteil wächst nur langsam. Von den rund 2,27 Millionen Mitgliedern, die in diesem Jahr 523 Millionen Euro an Beitrag in die eh schon vollen Kassen der finanzstarken Gewerkschaft zahlen sollen, sind nur 18 Prozent Frauen – weniger als in allen anderen DGB-Gewerkschaften. Dieses Kräfteverhältnis drückt sich auch im neuen geschäftsführenden Vorstand aus, dem mit Irene Schulz (51) nur noch eine weitere Frau angehört.

Auch bei einer anderen Quote hat die IG Metall noch kräftigen Nachholbedarf. Die Führungsetage hat sich immer noch nicht den politischen Realitäten in den Belegschaften angepasst.

Nur ein Parteibuch zählt

Weiterhin scheint es ein entscheidendes Kriterium zu sein, kein anderes als ein sozialdemokratisches Parteibuch zu besitzen. Zwei der sieben Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands sind parteilos, die anderen fünf gehören der SPD an – auch Benner.

Gleichwohl ist noch keineswegs ausgemacht, dass Benner in vier Jahren den dann aus Altersgründen ausscheidenden Hofmann beerben wird. Zwar entspräche es dem ungeschriebenen Gesetz bei der IG Metall, dass die Zweite Nachfolgerin des Ersten wird.

Aber das widerspreche den Karriereplanungen des einen oder anderen mächtigen Bezirksleiters, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Da ist dann vom Stallgeruch die Rede, der Benner fehle, um ganz nach oben zu rücken.

Doch das eigentliche Problem ist für manch Ambitionierten wohl eher, dass Benner mit jetzt gerade mal 47 Jahren ziemlich lange die IG Metall anführen könnte – wenn sie nicht auf den prestigeträchtigen, aber einflussloseren DGB-Vorsitz weggelobt werden kann. Aber das sind alles Gedankenspiele für die Zukunft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Ja Alter - das sind Belege ->

     

    "....In den ganz unmittelbar praktischen Konsequenzen unterscheiden sich die Industrie- von denen der Dienstleistungsgewerkschaft. So erhält auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall jeder Delegierte ganz neumodisch ein Tablet, auf dem er das wie immer umfangreiche Antragspaket via App abrufen kann.

    Bei Verdi gab es im September hingegen Trolleys für die Delegierten, um die mehrere Kilo schweren Papierberge transportieren zu können. Dafür wählten die Verdianer elektronisch, während bei der IG Metall noch ganz klassisch Kreuze auf Zettel gemacht werden. .. ." - > & bei

     

    " . .gemacht werden." - ja da - da -

    Fiel mir das Ende von dem steinalten

    Gewerkschafterwitz wieder ein ->

    " .. .ff..- .Na Servus, Xaver Hornpichler - I geh - Sch.....- n."

    Danke.

  • Wie wäre es die IG Metall Vorsitzende nicht nach ungeschriebenen undemokratischen Gesetzen bestimmen zu lassen sondern nach freier Wahl?

    Wenn 80% Männer meinen, besser von einer Frau vertreten zu werden, so ist das gut so. Wenn aber 80% Männer lieber von einem Mann vertreten werden wollen, so ist das auch gut. Kritik daran wäre nicht nur sexistisch sondern auch undemokratisch.

  • Nun ja, ob da nun eine Frau vorne sitzt oder ein Mann - die Organisation hat ihre festegefahrenen Rituatle und Einstellungen. Die IGM ist tendenziell links-konservativ und damit schon ein Hort veralteter Vorstellungen von Wirtschaft und Gesellschaft. Dass nach Außen öfters mal das Gegenteil proklamiert wird, zeigt einen gewissen Grundwiderspruch gerade bei der IGM. So ist die Gewerkschaft gegen Zwei-Klassen-Belegschafte, die es aber faktisch gibt. Die Gewerkschaft ist eigentlich für eine Humanisierung der Arbeit, gleichzeitig steigt der Druck stark an. Die Gewerkschaft ist für junge Menschen in Ausbildung, gleichzeitig meiden viele junge Menschen die Metall- und Industriebranche. Am Ende ist das eben nur ein gewisser Basisschutz oder ein kleines Bollwerk gegen noch mehr Druck und Kapitalismus. Ob das nun von einer Frau angeführt wird oder nicht - die Gewerkschaft wird sich kaum ändern. Dazu hat sie a) keine Konkurrenz und b) ist sie mächtig im DGB und c) Ansprechpartner der Politik. Das wird in Frankfurt mit der üblichen Selbstgenügsamkeit verbucht und dann macht man / jetzt auch frau weiter wie bisher.

  • "Auch bei einer anderen Quote hat die IG Metall noch kräftigen Nachholbedarf."

     

    Und die TAZ hat Nachholbedarf im Rechnen: Wenn ca. 18% der Mitglieder weiblich sind und 2/7 = 28,5% des Vorstandes weiblich sind, dann kann man doch auf Basis dieser Zahlen nicht von Benachteiligung sprechen und eine Quote fordern.

     

    Das soll nicht heißen das es bei der IG Metall keine Benachteiligung von Frauen gibt oder so - das kann ich gar nicht beurteilen. Aber allein auf Basis der Zahlen eine höhere Quote zu fordern ist absurd.

    • @Physiker:

      Ähnlich "absurd" ist es auch zu verlangen, dass sich "die Führungsetage […] den politischen Realitäten in den Belegschaften angepasst".

       

      Ich nehme mal stark an, dass es in der IGM, wenn sie denn tatsächlich noch konservativer ist als die übrige deutsche Gesellschaft, mehr CDU-Wähler gibt als Grüne oder Linke. Von denen allerdings zu erwarten, dass sie "die Zukunft der […] Arbeitswelt nicht den Arbeitgebern […] überlassen", ist, nun ja, "absurd" halt. Die CDU-Wähler, die ich persönlich kenne, haben jedenfalls allesamt eine ganz eigenes "Verständnis von Arbeitsbeziehungen". Eins, in dem Gewerkschaften vollkommen überflüssig sind. Weil nämlich Gott nur wirklich Fähige mit Macht betraut. Was sie natürlich so nie sagen würden. Sie würden vielleicht eher sagen: Der Chef wird doch dafür bezahlt, dass er für mich entscheidet. Würde ich ihm ins Handwerk pfuschen wollen, wäre ich selber Chef.