Forderung der Linkspartei: Straffreiheit für private Fluchthelfer
Privatpersonen, die unentgeltlich bei der Flucht helfen, sollen straffrei bleiben, fordert die Linksfraktion. Die Regierung sieht das anders.
BERLIN taz | Vor dem Hintergrund, dass sich tausende Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland befinden, fordert die Linksfraktion im Bundestag Straffreiheit für private Fluchthelfer, die unentgeltlich Flüchtlingen ohne gültige Dokumente bei der Einreise nach Deutschland helfen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, sagte der taz: „Es ist angesichts der momentanen Lage das Mindeste, die zivile unentgeltliche Fluchthilfe vom Straftatbestand der Beihilfe oder Schleusung auszunehmen.“
Korte meint: „Durch die von der Bundesregierung angeordneten Grenzkontrollen werden ganz offensichtlich auch Flüchtlingshelfer kriminalisiert, die Menschen aus humanitären Gründen und ohne Gegenleistung aus den unwürdigen und skandalösen Zuständen vor unseren Grenzen befreit haben.“ Übersetzt: Sein Vorstoß zielt explizit auf jene privaten Helfer, die ohne Gegenleistung aus humanitären Gründen handeln. Kriminelle Schlepper und Schleuser sind davon nicht berührt.
Nach geltender Rechtslage macht sich strafbar, wer Flüchtlingen ohne gültige Papiere oder Aufenthaltsstatus bei der Einreise nach Deutschland hilft. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen mafiösen Schleppern und privaten Fluchthelfern.
Hintergrund des Linken-Vorstoßes ist eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage Kortes. In der Antwort, die der taz vorliegt, heißt es: „Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich das humanitäre Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, die Flüchtlingen helfen und sie unterstützen, sofern diese Unterstützungshandlungen nicht gegen nationales und europäisches Recht verstoßen.“ Strafbar mache sich also, wer Menschen helfe, ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach Deutschland einzureisen. Ausdrücklich heißt es: „Dies gilt nicht nur für professionelle Schleuser, sondern auch für Privatpersonen.“
Nächster Konvoi geplant
Angesichts der Bilder aus Europas Nachbarstaaten waren in den vergangenen Wochen immer wieder Privatpersonen aus Deutschland nach Österreich, Ungarn, Serbien, Slowenien und Kroatien gefahren, um Flüchtlingen bei der Einreise nach Deutschland zu helfen. Teils fuhren ganze Gruppen von Privatautos in Konvois organisiert.
Für Donnerstagabend hatte eine Gruppe von Aktivisten in Berlin die Abfahrt eines nächsten Fluchthelferkonvois geplant. Gemeinsam mit Teilnehmern von Konvois aus anderen europäischen Ländern soll es am Samstagmorgen dann ein öffentliches, internationales Treffen in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana geben. Nach derzeitigem Stand wollen die Pkw-Konvois anschließend gemeinsam mit Flüchtlingen zurück in die verschiedenen europäischen Länder fahren.
In der vergangenen Woche meldete die Deutsche Presse-Agentur, dass allein in Bayern rund 800 mutmaßliche Schleuser in Untersuchungshaft säßen. Wie hoch hierbei der Anteil privater Fluchthelfer ist, ist unklar.
Leser*innenkommentare
Celsus
Als Argument gegen Fluchthelfer wurde in den Medien ausschließlich gebracht, dass die Gesundheit anderer Menschen verletzt wurde und diese teilweise sogar fahrlässig getötet wurden. Das sind Straftatbestände. Da braucht es keine neuen Tatbestände mehr.
Wer aber einer Person mit Asylgrund zur unbeschadeten Flucht aus Syrien verhilft, soll strafbar sein? Das ist falsch und dürfte verfassungswidrig sein.
nzuli sana
Cap Anamur, Elias Bierdel.
Für die Harmonisierung der straffreien Fluchthilfe in Europa.
nzuli sana
Mag sein, dass die bei der Regierung das anders sehen, aber das ist doch egal, oder?
christine rölke-sommer
ob die bundesregierung wohl englisch lesen kann? https://www.youtube.com/watch?v=i0_0lGDenDw
das, wovon Leibowitz spricht, wird gewissen genannt.
Thomas_Ba_Wü
"Erst die Kriminalisierung lässt eine sogenannte organisierte Kriminalität entstehen"
Dann wäre es logisch die Einkommensteuer und Kapitalertragssteuer abzuschaffen damit es keine Steuerhinterziehung gibt?
Rudi_R
Danke für diese längst überfällige Initiative. Erst die Kriminalisierung lässt eine sogenannte organisierte Kriminalität entstehen. Schön das es noch Menschen gibt, die sich trotz der drohenden Konsequenzen nicht abhalten lassen, hier findet sich ein aktueller Erfahrungsbericht, dieser sogenannten Schlepper: https://linksunten.indymedia.org/de/node/154037
Questor
Wir müssen von der Steuerflucht lernen. Hier hat die Kriminalisierung von privaten Aktivisten inzwischen so weit um sich gegriffen dass Menschen die sich trotz Repressionen des Staates mutig für Ihr persönliches Verständnis von Steuerschuld und Moral einsetzen heute einer gesellschaftlichen Stigmatisierung unterworfen sehen die eines Rechtsstaates unwürdig ist. Legalize it!
Oder mit etwas weniger Ironie:
Der Staat sollte in Zukunft Gesetze in zwei Kategorien unterteilen: Diejenigen die zu befolgen sind und diejenigen die man nur befolgen sollte wenn einem danach ist.
Oder ganz ohne Ironie:
Ich erwarte dass der Staat seine Gesetze ernst nimmt und ihr Einhaltung gewährleistet. Es mag moralisch legitim sein in Einzelfällen gegen Gesetze zu verstoßen, aber das ändert nichts daran dass der Staat diesen Verstoß dennoch verfolgen muss. Alles andere setzt die Axt an unseren Rechtsstaat an, egal wie gut es gemeint ist.