Rückkehr nach Berlin: Ex-Polizeichef wird Flüchtlingshelfer
Dieter Glietsch kehrt vier Jahre nach seinem Abschied nach Berlin zurück – als Co-Chef des Flüchtlingskrisenstabs.
24 Stunden werde der Mann zur Verfügung stehen. Es ist nicht gerade druckmindernd, wie Regierungschef Michael Müller (SPD) den Endsechziger neben sich vorstellt, der nun die Flüchtlingsunterbringung organisieren soll. Und Dieter Glietsch, früher neun Jahre Berliner Polizeipräsident, schränkt auch schnell ein: „Ein paar Stunden Schlaf brauche ich schon.“
Nach vier Jahren Ruhestand im Oberbergischen, einer idyllisch-hügeligen Landschaft östlich von Köln, ist Glietsch (68) zurück in Berlin. Nichts, womit er angeben könnte, habe er in der Zwischenzeit gemacht, erzählt er. Krimis würde er lesen wollen, war bei seinem Abschied 2011 zu hören gewesen. Nun soll er als Staatssekretär zusammen mit dem für diese Aufgabe freigestellten Staatssekretär für Soziales, Dirk Gerstle (CDU), den derzeit knapp 40-köpfigen Krisenstab leiten, der offiziell Koordinierungsstab heißt. Dort sitzen Polizei, Feuerwehr, Hilfseinrichtungen und Vertreter der Senatsverwaltungen und der Bezirke zusammen und kümmern sich um neue (Hilfs-)Unterkünfte für die Flüchtlinge und mehr Personal.
„Ich habe das Gefühl, dass wir das richtige und ein gutes Team sind“, sagte Glietsch über sich und seinen Kollegen, den er auch mehrfach so bezeichnete. Nach seiner Darstellung sagte er Müller auch erst zu, als er überzeugt war, dass der Regierungschef ihn nicht gegen den Willen von Gerstle und dessen Chef, Sozialsenator Maria Czaja (CDU), nach Berlin rufe. Das aber war für Glietsch offenbar die einzige Voraussetzung. Denn: „Wenn man nach vier Jahren im Ruhestand gefragt wird, da sagt man nicht Nein.“
Müller selbst betonte, dass der Wechsel an der Spitze des Mitte August eingerichteten Stabs „wie angekündigt“ erfolge– wie um klarzustellen, dass es nicht um eine Entmachtung von Czaja gehe. Vielmehr seien der Sozialsenator und er „in ständiger, enger Abstimmung“. Die Krisenmanager sollen beiden direkt berichten. Innerhalb der Doppelspitze soll sich der Sozialexperte Gerstle ums Fachliche, Glietsch sich ums Organisatorische kümmern. Glietsch selbst räumte ein, dass sich das oft nur schwer trennen lässt.
Zurück in Berlin trifft der Ex-Polizeichef auf altbekannte Gesichter in neuen Funktionen. Müller war bei seinem Abschied 2011 noch SPD-Fraktionschef, Czaja einfacher CDU-Abgeordneter. Sein vormaliger Polizei-Pressesprecher Bernhard Schodrowski sitzt an diesem Dienstag als stellvertretender Senatssprecher neben Glietsch vor den Journalisten.
Am Rande der Vorstellung nennt Czaja aktuelle Flüchtlingsprognosen: weiterhin rund 1.000 Menschen pro Tag. Eine auf Bezirksebene diskutierte Beschlagnahme privater Wohnungen schloss er quasi aus: Das – offiziell eine „Sicherstellung“ – sei gegen den Willen des Eigentümers nur möglich, wenn schon alle öffentlichen Immobilien, etwa Schulen und Turnhallen, als Unterkünfte genutzt würden. Bisherige Beschlagnahmungen seien im Einvernehmen mit dem Eigentümer und gegen Entschädigung erfolgt. Ob und wann das ICC und Gebäude des einstigen Flughafens Tempelhof Unterkünfte werden können, wird laut Czaja weiter geprüft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!