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Debatte SyrienHandeln? Doch nicht mit Steinmeier!

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Der deutsche Außenminister findet nur dürre Worte für die wahren Probleme in Syrien: Assads faschistisches Regime und die Feigheit des Westens.

In Aleppo kann man kein Öl mehr ins Feuer gießen. Foto: AP

W eltpolitik ist kompliziert, Diplomatie erst recht. Aber: Muss sie so schlicht sein wie deutsche Außenpolitik? Nicht dass ihr Vorsteher, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, nun dafür zu kritisieren sein müsste, ein Mann der lauen Gemütszustände zu sein. Ein Langweiler zu sein, selbst gemessen an den Zuschreibungen, die die Bundeskanzlerin fälschlicherweise erntet, ist ja kein Straftatbestand.

Gleichwohl: Wie muss ein Satz genommen werden, den der Minister des Äußeren am Mittwoch mitzuteilen wusste? „Ich sehe mit Bestürzung die Nachrichten, dass Großbritannien sich stärker militärisch engagieren will“ – im Hinblick auf Syrien. Denn die Lage in diesem Land sei doch nach wie vor „sehr verfahren“.

Denn, so schreiben es auch Blätter wie die FAZ mit dem Tonfall von Erstaunten, „mithilfe Irans gäbe es neue Chancen zu einer Einigung“. Auch monierte Steinmeier, besser: er zeigte sich abermals „bestürzt“, dass Russland seinem syrischen Alliierten weitgehend unverhohlen mit Militärmaterial unter die Arme greift, „zu welchem Zweck auch immer“.

So viel Naivität darf man freilich Steinmeier nicht unterstellen. Nach allem, was auch dieser Sozialdemokrat wissen kann, sichert der Kreml mit den Flügen gen Syrien seine Einflusssphäre in Nachbarschaft zu Israel, zur Türkei, zum Irak – und das mit Mittelmeerzugang. Klar, eine Diplomatie wie die deutsche folgt der Logik, einerseits es sich nicht weiter mit Russland zu verderben, doch ebenso wenig mit dem Iran selbst: Es gibt da einfach zu viele ökonomische Interessen, die mit beiden Länder befriedigend gestillt werden können.

Appeasement immer wieder

Aber es verblüfft insofern, als doch jeder in Europa sehen kann, zu was ein gewisses Appeasement dem Regime Assads gegenüber führt. Steinmeier bräuchte nur aus dem Fenster seines Amtszimmers zu gucken: Flüchtlinge über und über – und die meisten kommen eben aus dem russlandtreuen Land nördlich von Israel. Sie fliehen, weil das Assad-Regime ein arabofaschistisches ist und weil sie die Alternative, die religiösen Schlächter vom IS als Zukunft, nicht gerade okay finden.

Weshalb also hat man den Eindruck, dass Steinmeier kalt, fast desinteressiert an der Lage des faktischen Failed State Syrien vorbeiredet? Nahostpolitikanalyst Thomas von der Osten-Sacken postete via Facebook, auf Steinmeier reagierend: „Mit dem Marsch der Hoffnung tragen die syrischen Aktivisten die Verantwortung für diese gescheiterte Nahostpolitik dorthin, wohin sie gehört. Kaum einer von ihnen wollte seine Heimat verlassen, um in Europa sein Glück zu suchen. Doch der völlig ungehemmte Luftkrieg des syrischen Regimes gegen zivile Ziele macht ein Ausharren in vielen Gebieten unmöglich.“

Es darf auch vom deutschen Außenminister mehr als der Kernsatz des Philosophen Alf zu sagen verlangt werden: „Was nicht repariert werden kann, ist auch nicht kaputt.“ Mag in Sachen Syrien so sein: Aber wieso hält der Westen an Assad fest – weil dessen Unterstützer, der Iran, so ein Umsatzbringer sein wird? Manchmal ist es zum Irrewerden!

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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23 Kommentare

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  • Zum Glück gibt es differenzierte Berichte, welche das tatsächliche Mächtespiel in Syrien untersuchen: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59196

  • Hier wird einem neuen Bellizismus gefrönt. Die Flüchtlinge sind nur das Faustpfand für den weltpolitischen Schachzug der Eingemeindung des alten Memelukkenreiches in die Sphäre der westlichen Wertegemeinschaft.

  • Handeln oder Nicht-Handeln, die Alternative will uns man uns hier schmackhaft machen. Handeln erfordert (an alle, die schon weit weit weg in ideologischen Sphären regieren) einen PLAN.

    Und den hat keiner.

    Man müsste (Steinmeier müsste...) mit Russland reden. Das Regime Assad ist nicht zerbrochen, wie man vielleicht die letzten 4 Jahre lang noch hoffen durfte. Jetzt können nur die Großmächte richtig oder falsch handeln. Das kleine endzeit-pazifistische Deutschland hat auf dieser Party nichts mehr verloren.

  • "Manchmal ist es zum Irrewerden!" Stimmt genau, Herr Feddersen, vor allem wenn man einen solchen von Kenntnisfreiheit und unsachlich-emotionalem Geblubber geprägten Artikel wie den Ihren liest.

  • Zuerst Kappert, dann Helberg, dann Hillebrand und jetzt natürlich Feddersen.

    Ich würde das schon fast Kampagne nennen.

     

    Dazu ein Zitat vom zu Unrecht als Langweiler gescholtenen Steinmeier:

    "...Der Meinungskorridor war schon mal breiter. Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen. Der Konformitätsdruck in den Köpfen der Journalisten scheint mir ziemlich hoch." http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2014/141115_Rede_BM_anl%C3%A4sslich_Verleihung_Lead_Awards.html

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @jhwh:

      Ob Steinmeier Langweiler ist, sei dahingestellt. Satiriker erster Güte ist er allemal. Zitat aus der gleichen Rede:

      "Politiker zu sein ist ein toller Beruf, aber auch einer für Profis. Genauso wie Ihrer."

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Widerlich, das Politikergesülze.

        Einfach nur ekelerregend.

  • Assad regiert seit 2000 in Syrien. Syrien gehörte im Nahen Osten zu den „mordernsten Staaten“! – auch wenn das nicht viel zu bedeuten hat. Schaut man jedoch in die Nachbarländer, gibt es keinen Grund mehr, Assads Regierung als schlimmer einzustufen, wie z. B. die von Saudi Arabien, Kuwait, … Und da liegt der Denkfehler von Herrn Feddersen! Das Versagen der deutschen Außenpolitik zeigt sich in erster Linie in den Beziehungen zu Saudi Arabien, Kuweit, …. den USA. Eine Flüchtlingswelle wurde dadurch ausgelöst, dass die USA die Region aufgerüstet haben und die Region destabilisiert haben, dass Saudi Arabien am Fall Assad arbeitet und die Gegner Assad militärisch unterstützt werden!

  • Hah. Wenigstens ist Syrien noch permanent in den Schlagzeilen.

     

    Wen unter Politiker und Medien interessiert eigentlich noch Libyen?

     

    Fast die Hälfte der dortigen Bevölkerung ist geflohen – nicht etwa (warum eigentlich?) auf den selben Booten, die von deren eigener Küste gen Europa fahren, sondern hauptsächlich Richtung Tunesien und Zentralafrika.

     

    Derweil liegt wie Tripoli der Großteil des Landes in der Hand von Terroristen und Banden, in der Gegend um Sirte herrscht Daesh, halb Bengasi unter der Hand von al-Qaida. Doch nicht mal die dortigen Bewegungen von Öl und Waffen sind anscheinend der Rede wert.

  • Wenn der Autor wenigstens andeutungsweise, vielleicht auch nur in einem Nebensatz dargelegt hätte, was Steinmeier denn mach soll, das hätte für uns einfältigen Leser doch eine gewisse Hilfe sein können. Aber so?

    Mit Assad schimpfen hat nichts geholfen, was bleibt dann als Alternative zur Appeasementpolitik? Genau! Ein Waffengang mit allen Mitteln und gegen Alle und Jeden. Gegen die Russen könnte man dabei auch noch das Thema Ukraine zu Ende bringen. Frau Eckhard-G. wird es freuen. Pasifism sucks.

  • Beim Herrn Steinmeier habe ich immer einen ganz komischen Pöbelreflex.

    KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURNAZ! KURN.... (im wahren Leben würden mich nun unverzüglich Steinmeiers Sicherheitsleute abservieren....)

  • Erdogan und die Unterstützung des IS sind ein größeres Problem als Assad.

  • Assad oder IS? Das ist hier die Frage.

     

    IS wird allein aus der Luft nicht zu besiegen sein. Auch nicht von der NATO. Was also ist Ihrer Meinung nach die richtige Strategie, Herr Feddersen?

  • Nun kommt also auch Herr Feddersen, der sich wesentlich als publizistischer Generalvertreter eines Hupfdohlenevents (ESC) bekannt gemacht hat, als "Syrienexperte" in der TAZ zu Wort. Zusammenfassend: Steinmeyer ist ein Appeaser und Assad ist -vor allem was die Fluchtbewegungen betrifft- selbstverständlich an allem Schuld. Man sollte ihm empfehlen, mal mit den ankommenden syrischen Flüchtlingen zu reden: Die sind nämlich auf Grund des inzwischen frontenlosen Bürgerkriegs längst nicht mehr bereit, zwischen Assads Fassbomben, Al Nusras Gasbomben und den Massenexekutionen von ISIS einen qualitativen Unterschied zu sehen. Die letzte Fluchtwelle wurde in Damaskus von einem wochenlangen Bombardment von Stadtvierteln in Damaskus durch ungezielten Beschuss von Hunderten von zu Raketen umgebauten Gaskanistern ausgelöst, zu deren Einsatz sich stolz die mit Al Quaida verbandelte Al-Nusra Front bekannte. Übrigens eine Gruppe, die in der westlichen Publizistik in der letzten Zeit als "moderate Islamisten" gelabelt werden. "Assad muss weg" ist das Mantra unserer Kulturkrieger im westlichen Hinterland - ja, und dann? Mir scheint, dass einige Strategen erst dann zufrieden sein werden, wenn die schwarze ISIS-Fahne auf dem Damaszener Regierungspalast weht..

    • @Thea:

      Ja. Destabilisieren und dann möglichst einen folgsamen Hampelmann installieren. Es ist immer die selbe Strategie. Leidtragend dabei wie immer: Die Leute.

  • Wenn Europa ganz fasziniert auf Muttis Rechenkünste starrt, wird Europa international nichts zu reden haben.

    Das ist Herrn Steinmeier zwar nicht aufgefallen, aber vorbewusst.

    Mit freundlichen Grüßen.

  • Jaja, die Feigheit vor dem Feinde. Das geht gar nicht. Nicht in Deutschland.

  • Die Feigheit des Westens: Haben Sie das aus "Mein Kampf"?

  • was heißt das denn konkret, Abschied von der Feigheit deutscher Syrien-Politik? Verstehe ich es richtig, dass Herr Feddersen einem militärischen Eingreifen gegen Assad das Wort redet. Und das in der taz!

    Ich denke allerdings, dass wir gar keine Möglichkeiten mehr haben in Syrien haben. Mit Assad: Katastrophe. Ohne Assad: auch Katastrophe. Daher auch das windelweiche Rumeiern von Steini: irgendwas muss er ja sagen!

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Ausnahmeweise hat Herr Steinmeier Recht. Das Problem mit Assad kann man wirklich nicht anderes nennen als Feigheit des Westens. Seit Jahren beschimpfen die deutsche Medien auf Herrn Erdogan statt den Assad zu beschimpfen. Der Westen hat noch einmal gezeigt, dass der Westen unberechenbar ist. Erst zetteln sie Kriege an, dann sollen die anderen heiße Kartoffeln aus dem Feuer für den Westen rausholen. Der Westen erntet jetzt mit der Flüchtlingskrise ab, was sie gesät hat.

    • @70023 (Profil gelöscht):

      Ja, der böse Westen. Nach meiner Kenntnis hält Putin seine schützenden Hände über Assad.

       

      Im Klartext: Der Westen kann dort nicht militärisch eingreifen, so lange die Gefahr besteht, sich im Zuge dieses Konflikts auch mit Russland anlegen zu müssen.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Syrien ist nahe dran endgültig ein Stellvertreterchaos zu werden. Dass Steinmeier das zu verhindern (also im Sinne von die Parteien überschaubar zu halten) sucht, ist erst einmal keine dumme Stategie für einen Konflikt ohne Königsweg. Plan war doch wohl, wie noch vor drei Wochen Thema in der Presse, Assad mit vereinten Kräften (auf irgendein Trauminselparadies mit 500 Konkubinen und zehn Privatyachten) zum Abgang zu motivieren. Dagegen hat nun Russland aktiv interveniert und mit den Flugzeugen des Westens, der Türkei an den Grenzen am Boden und in der Luft, den Russen im Hintergrund, entsteht doch ein Konfliktszenario vor dem man nachdrücklich warnen muss. Hier geht es nicht mehr um Syrien, sondern um das in Flammen gehen einer Region. Mit dem IS und kurdischen Kräften ist das eine Gemengelage ohne Gleichen. Ich wunder mich eher, dass Ban Ki-moon hier so sprachlos bleibt, denn neben der Ukraine entwickelt sich das zweifellos zu einer Bedrohung für den Weltfrieden.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Gern stimme ich Ihnen zu, denn die ökonomischen Interessen bieten sich bei solch unübersichtlichen Lagen nicht als Non-plus-ultra-Erklärungsmuster an. Andererseits beschleicht mich das Gefühl, dass Angela Merkel mit "Macht hoch die Türen, mach weit die Herzen" alle "dt. und eu-politik" schachmatt setzte. Nun rührt sich keiner mehr: Beamtenmikado!