: Köstliche Gegenbesuche
Heimreise Berliner, die nach dem Urlaub kulinarisches Fernweh haben, finden Trost: Engagierte Geschmacksbotschafter bringen Aromen von nah und fern in die Stadt
Von Sibylle Mühlke
Die Ferienzeit ist vorbei, der Reisestaub wurde aus den Kleidern geklopft und die letzten lukullischen Mitbringsel sind auch bald vertilgt: die eine Flasche von dem guten Wein, die gerade noch so in den Rucksack gepasst hat; der auf den Punkt reife und mühsam transportierte Weichkäse von diesem Schafehof; der Espresso aus der kleinen Rösterei in der Altstadt. Bald haben schnöde Routinen die Zurückgekehrten wieder fest im Griff.
Was bleibt, ist Heimweh nach der Ferne – dem außeralltäglichen Ort, wo man eben noch war. Wie gut, dass es in Berlin engagierte und kenntnisreiche Foodbegeisterte gibt, die die Produkte und damit das Lebensgefühl ihrer kulinarischen (Wahl-)Heimaten hierher bringen. Die Öle, Weine, Gewürze, Obstsorten und Menüs, die sie anbieten, sind eine hochwirksame Aromatherapie bei Fernweh. Oft sind die Läden, Lokale und Marktstände mehr als nur ein Umschlagplatz für gutes Essen: Reisetipps und anderes hilfreiches Insiderwissen zur jeweiligen Region gibt’s oft noch obendrauf.
Die Kleinen aus der Mark kommen in die große Stadt
Schaufenster Uckermark in der Markthalle IX: Wurst, Käse, Eingemachtes, Wein, Feinkost, Obst und Gemüse aus der Uckermark und dem Rest Brandenburgs; auch Catering und Lieferungen für die Gastronomie. Eisenbahnstraße 42/43, Berlin-Kreuzberg, www.berlin-genusswerk.de, Öffnungszeiten: Di. + Fr. 12–20 Uhr, Do. 17–22 Uhr, Sa. 10–18 Uhr
Pan amb Oli + La Mallorteca: Tapasbar + Delikatessen aus Mallorca; auch Catering. Bötzowstraße 28, Berlin-Prenzlauer Berg, www.panamboli.de, www.lamallorteca.com, Öffnungszeiten: Mo.–Fr. 16–23 Uhr, Sa. 11–23 Uhr. Zum Herbst ändert sich die Adresse – bitte ggf. online prüfen!
La Gourmetterie: Kreolische Kochkurse für Erwachsene und Kinder, Feinkost, Mittags- und Abendkarte aus La Réunion; auch Catering und Feiern. Heinrich-Roller-Straße 8, Berlin-Prenzlauer Berg, www.gourmetterie.de, Öffnungszeiten: Di., Mi., Sa. 10.30–18.30, Do. + Fr. 10.30–20.30 Uhr, Kochkurse und Kochatelier (Deutsch und Französisch): Termine und Buchung online. (sim)
Die sanft gehügelte Uckermark mit ihren Seen ist für viele stressgeplagte Hauptstädter ein Sehnsuchtsort. Auch für Foodistas hat der Nordosten Erfreuliches zu bieten: Die Produkte der Landschaft werden in vielen kleinen und größeren handwerklichen Betrieben erstklassig verarbeitet. Die Berliner Vertreterin der kulinarischen Uckermark residiert in einer Art Holzkiste: ein geräumiger Marktstand in der Markthalle IX, der Schriftzug „Schaufenster Uckermark“ oben auf dem Kiefernholz, auf Tischen und Regalen gibt es feine und bodenständige Köstlichkeiten vom Apfelsecco bis zum Ziegenkäse, dazu regionales Obst und Gemüse, auch in Bio. Bald soll noch ein kleines Lunchangebot dazukommen. Hinterm Tresen steht meist Simone Nuss. Ihr Stand hat eine Scharnierfunktion zwischen Land und Stadt, zwischen Produzenten und Abnehmern. Sogar ganz offiziell: Nuss’ „Schaufenster Uckermark“ ist durch ein EU-Projekt gefördert. Sie selbst kommt ursprünglich aus Süddeutschland, doch nun ist sie in Berlin gelandet, und die Nähe zu den Herstellern und den Produkten ist ihr wichtig. „Ich kenne alle persönlich“, sagt sie. Das mögen auch ihre Kunden, die wissen wollen, wo ihr Essen herkommt. Wenn Sie Zeit hat, organisiert Simone Nuss für Interessierte auch mal eine Radpartie zu Käseerzeugern oder einen Seifenworkshop.
Alles außer Ballermann: Mallorcas schöne Seiten
Auf Mallorca gibt es sehr, sehr gutes Essen. Und rudelweise besoffene Partytouristen. Letztere sind eine kleine Herausforderung für Oliver Pleli, der im Bötzowviertel mallorquinische Feinkost und Tapas anbietet – wegen des Ballermann-Images, das der Insel anhaftet. Dabei gibt es auf der Baleareninsel grandiose Weine, erstklassige Olivenöle, aromatische Manufakturprodukte und betörend duftende Zitrusfrüchte. Inzwischen auch immer mehr in Bioqualität. „Die Hersteller, die teilweise schon immer bio gearbeitet haben, reagieren auf die Nachfrage und lassen sich zertifizieren“, weiß Pleli. In seiner Mallorteca kann man die leckeren Spezialitäten von der Baleareninsel kaufen. Die meisten sind handverlesen, viele Produzenten kennt der Mallorteca-Chef persönlich, immer mal wieder fährt er auf die Insel, um Neues kennenzu lernen und zu shoppen. Direkt nebenan, im kleinen Lokal Pan amb Oli, gibt’s Mallorquinisches und Spanisches direkt auf den Teller. Wenn man an einem warmen Sommerabend vor dem Lokal sitzt, die Bäume rauschen und ein Moped vorbeiknattert, fühlt man sich fast wie auf der Insel – jenseits vom Ballermann.
Französische, asiatische und afrikanische Einflüsse
La Réunion ist ein kleiner Flecken Land im Indischen Ozean, weit östlich vor Madagaskar. Als Übersee-Département gehört er zu Frankreich. Die Küche der tropischen Insel vereint französische, asiatische und afrikanische Einflüsse – und hat trotz der wilden Mixtur einen bodenständigen Charakter. „Eine Mütterküche“, sagt Philippe Begue. Früher war er Lehrer, jetzt bringt er den HauptstädterInnen die exotischen Aromen seiner Heimat näher – wo er auch das Kochen gelernt hat. In der Gourmetterie verkauft er Feinkost von der Insel, die es sonst nirgends gibt: Konfitüren, weißen Tee, Vanilleschoten natürlich, Kokosköstlichkeiten und den raren und exquisiten Bourbon-Pointu-Kaffee, der leicht und fruchtig schmeckt. Das Hinterzimmer des wohnlichen Ladens ist eine moderne Küche. Hier gibt er Kochkurse. An einem Abend entsteht in Gemeinschaftsarbeit ein 3-Gänge-Menü. Nicht zu abgehoben, wie Begue betont: „Die Leute lernen hier die Basis kreolischen Kochens, von da können sie weitermachen.“ Für Kinder und Jugendliche gibt es das Kochatelier, ein Kochkurs mit Geschmacksschule: Die Aromen frischer Zutaten werden erforscht, beschrieben und mit synthetischen Geschmacksstoffen verglichen. Wer außerdem Küchenvokabeln lernen möchte, kann die Kurse alternativ auf Französisch buchen.
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