Debatte Alternatives Wirtschaften: Gründet Genossenschaften!
Genossenschaften sind ein zukunftsfähiges Modell. Denn gemeinschaftliches Wirtschaften ist krisenfest und die Haftung ist beschränkt.
Gemeinschaftliches Wirtschaften braucht nicht nur gute Ideen, sondern auch geeignete Rechtsformen. Manche Gruppen legen einfach los und werden damit automatisch zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Kein Problem, solange alles gut geht. Für die Schulden einer GbR haften allerdings alle Gesellschafter*innen mit ihrem privaten Vermögen.
Andere gründen einen Verein, der nur mit dem Vereinsvermögen haftet. Dieser ist jedoch – mit wenigen Ausnahmen – ideellen Zwecken vorbehalten. Schon die Eintragung ins Vereinsregister kann schwierig werden, wenn es um wirtschaftliche Ziele geht.
Für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sind mindestens 25.000 Euro Eigenkapital erforderlich, eine Unternehmergesellschaft (UG) ist ohne Mindestkapital möglich. Bei beiden muss der Ein- und Ausstieg von Gesellschafter*innen notariell beurkundet und beim Amtsgericht eingereicht werden. Die Stimmrechte richten sich nach der Höhe der Einlage.
Wenn Gesellschafter*innen gehen, kann es passieren, dass sie neben der Auszahlung ihrer Einlage auch einen Anteil an den Wertsteigerungen, den stillen Reserven, beanspruchen. Das lässt sich anders regeln, aber im schlimmsten Streitfall, wenn die Trennung vor Gericht verhandelt wird, zählt dort das Recht auf Eigentum oft mehr als die schönsten solidarischen Vereinbarungen.
Beschränkte Haftung
All diese Probleme gibt es bei Genossenschaften nicht. Sie dienen nicht der Erwirtschaftung von Gewinnen, sondern den wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Zwecken ihrer Mitglieder. In Genossenschaften lässt sich die Haftung der Mitglieder auf ihre Einlage beschränken, und ein Mindestkapital ist nicht vorgeschrieben. Der Vorstand führt die Mitgliederliste. Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Einlage. Gewinne können an die Mitglieder ausgeschüttet werden, jedoch muss ein Teil des Gewinns in die gesetzliche Rücklage eingestellt werden. Ausscheidende Mitglieder haben nur Anspruch auf Auszahlung ihrer Einlage, Rücklage und stille Reserven verbleiben in der Genossenschaft.
Trotzdem wird für Neugründungen die Rechtsform der Genossenschaft nur selten gewählt, denn sie gilt als kompliziert und teuer. Vor allem deshalb, weil zur Gründung und später – je nach Größe – alle ein bis zwei Jahre eine Pflichtprüfung nötig ist. Diese ist mit Kosten verbunden, die aber sehr unterschiedlich ausfallen können, je nach Prüfungsverband.
Unter dem Motto „Wir können auch anders” findet vom 5. bis 13. September 2015 in Berlin eine Wandelwoche mit anschließendem internationalen Kongress zur Solidarischen Ökonomie statt, die „Solikon 2015“.
In bewährter taz-Tradition kommt es aus diesem Anlass zu einer freundlichen Übernahme der Redaktion durch die beteiligten Gruppen. Sie werden die Wochenendausgabe vom 5./6. September 2015 produzieren. Ihr gemeinsames Thema: Die große Transformation. Dieser Beitrag ist Teil der 28-seitigen Sonderausgabe.
Genossenschaftsbanken, Landwirtschafts- oder Wohnungsbaugenossenschaften sind teilweise schon über 100 Jahre alt. Ein neueres Beispiel ist die Genossinnenschaft Schokofabrik, der ausschließlich Frauen angehören. Mit dem Kauf eines Hausanteils in Berlin-Kreuzberg konnte sie das dort ansässige Frauenzentrum Schokofabrik vor dem Verkauf an einen Investor bewahren. Oder die Solargenossenschaft Lausitz, die nach einem verlorenen Volksentscheid gegen das Abbaggern von Dörfern durch Vattenfall gegründet wurde. Sie installiert Solaranlagen auch auf Gebäuden, die dem Braunkohletagebau weichen sollen. Oder Fairmondo in Berlin, die erste Genossenschaft 2.0, die sich online organisiert und einen fairen Marktplatz als Alternative zu Amazon und eBay aufbaut.
Auch die taz ist bekanntlich eine Genossenschaft. Die Gestaltungsmöglichkeiten von Genossenschaften sind noch lange nicht ausgeschöpft und bieten viele Chancen für Gruppen, die gemeinschaftlich solidarisch wirtschaften möchten.
Die Autorin ist Betriebswirtin und Publizistin
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