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These were real Nazis

NEONAZIS Ein Montagabend bei Bärgida am Hauptbahnhof: Rechte und Linke spielen Hase und Igel. Und die Polizei hat Mühe, die Situation unter Kontrolle zu bringen

Bärgida nimmt die U55: Beim Ausstieg warten schon die Gegendemonstranten Foto: Florian Boillot

von Malene Gürgen

Die Reden sind so krude, die TeilnehmerInnen so unsympathisch wie immer. Aber trotzdem unterscheidet sich diese Bärgida-Kundgebung – es ist die 35. Woche, in der die Rechten vor dem Hauptbahnhof aufmarschieren – von den vorhergegangenen: Die Gruppe ist etwas kleiner geworden, die Polizeischätzung von 120 TeilnehmerInnen erscheint noch übertrieben. Dafür ist die Gegendemonstration gewachsen: Wo oft nur noch ein Grüppchen linker DemonstrantInnen stand, versammeln sich an diesem Montagabend rund 400 Menschen.

Um kurz nach 20 Uhr ist die Bärgida-Kundgebung offiziell vorbei. Bis dahin hat ein Redner eine „Wiederholung der Nürnberg-Prozesse gegen die rote SA“ gefordert, die Mitglieder der Identitären Bewegung haben sich für ein Gruppenfoto aufgestellt, und ein Teilnehmer hat sich im fachgerechten Schwenken einer etwa 3 mal 4 Meter großen Deutschlandfahne versucht. Alles nichts Besonderes bei Bärgida, genauso wenig wie das Abspielen des Deutschlandlieds direkt nach Ende der Kundgebung – natürlich mit allen drei Strophen. Für Aufregung unter den GegendemonstrantInnen sorgt die Tatsache, dass die beiden Nazis, die vor zwei Wochen in der S-Bahn auf eine Familie urinierten, tatsächlich heute unter den Bärgida-Teilnehmern sind.

Anschließend wird die Situation etwas unübersichtlich: Eine Spontandemonstration von Bärgida genehmigt die Polizei nicht, stattdessen wird eine Kundgebung am Brandenburger Tor angemeldet. Ein Teil von Bärgida – nämlich die jüngeren, aggressiver auftretenden TeilnehmerInnen – macht sich daraufhin auf den Weg in den Hauptbahnhof, doch dort werden sie schon von GegendemonstrantInnen erwartet. Der Polizei gelingt es zunächst nur mit Mühe, die Situation unter Kontrolle zu bringen, mehrere Bärgida-Teilnehmer versuchen durch die Ketten zu brechen, die die BeamtInnen nach einigen Minuten gebildet haben.

Noch ein Anlauf

Aus der Kundgebung am Brandenburger Tor wird heute nichts mehr

Die Bärgida-DemonstrantInnen werden vorerst von der Polizei wieder nach draußen geleitet, sie stehen jetzt mit ihren „Ahu, ahu“-Rufen – ein bei rechten Hooligans beliebter Schlachtruf – direkt vor den verblüfften Gästen auf der Terrasse des Vapiano-Restaurants. Etwa 20 Minuten später unternimmt die Polizei einen weiteren Anlauf, die Rechten zur U55 zu geleiten, abermals kommt es zu Zusammenstößen. Die Rufe der Demonstrierenden hallen durch den Bahnhof. Insgesamt nimmt die Polizei heute sieben Leute vorübergehend fest.

Mittlerweile ist es nach 21 Uhr, doch der Abend ist noch nicht vorbei: Die Rechten fahren nun tatsächlich mit der U55 los, steigen allerdings an der Station Bundestag schon wieder aus – und werden hier abermals von GegendemonstrantInnen empfangen. Nach nur wenigen Minuten müssen die Rechten zurück in die Bahn. Aus der Kundgebung am Brandenburger Tor wird heute nichts mehr: Am Hauptbahnhof werden die Rechten von der Polizei zur S-Bahn geleitet und verschwinden. Zurück bleibt nur die Aufregung im Bahnhof: „These were real Nazis“, sagt eine junge Touristin auf dem Bahnsteig der U5 zu ihrer Begleitung. Die nickt erschrocken.

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