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Den Tiefpunkt überwunden

Schwimm-WM Nach den Wettkämpfen in Kasan ziehen die deutschen SchwimmerInnen um Bundestrainer Henning Lambertz ein positives Fazit. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2016 und 2020 stimmt die Richtung

Die Zahl der Finalplätze in den Einzelrennen stieg von fünf auf neun

KASAN taz | Marco Koch stand am Sonntagmorgen vor dem deutschen Teamhotel und wartete auf den Bus. Auf der anderen Straßenseite versuchten Bauarbeiter verzweifelt, dem gewaltigen Wasserschwall, der sich aus einem Loch im Boden vor ihre Füße ergoss, Einhalt zu gebieten. Der 25-jährige Darmstädter Koch beobachtete die Szene, raunte der Teamkollegin Sarah Köhler etwas zu und schmunzelte. Dann ging die Fahrt zum letzten Vormittagsschwimmen in die Kazan Arena – dorthin, wo die Bahnenzieher des DSV in den letzten acht Tagen erfolgreich Löcher gestopft haben.

Denn neben der Bestätigung, mit Brustschwimmweltmeister Koch und Freistilspezialist Paul Biedermann definitiv zwei Medaillenkandidatin für Olympia im nächsten Jahr im Team zu haben, kehrte Chefbundestrainer Henning Lambertz mit einem guten Grundgefühl aus Russland zurück: Nach dem ultimativen Tiefpunkt bei den Spielen 2012 in London und der sehr mäßigen WM vor zwei Jahren in Barcelona richten sich die Blicke seiner Schwimmer wieder schüchtern nach oben. Hin zur Weltspitze, die sie bis zur Fünf-Ringe-Show 2020 wieder erklommen haben wollen.

„Ohne dass die Wünsche direkt in den Himmel wachsen: Wir sind in vielen Disziplinen näher an der Weltspitze als gedacht“, resümierte Lambertz, als er bei bestem Sommerwetter auf der Rückseite der Schwimm-Arena in der Sonne stand. Die letzten Vorläufe waren soeben beendet, bei den abschließenden Finals am Abend waren mit Jacob Heidtmann über 400 Meter Lagen und der Lagenstaffel der Männer noch mal zwei Endläufe mit DSV-Kräften besetzt. Und der Bundestrainer präsentierte seine Zahlen.

Zentrale Erkenntnis: Es gibt ein Leben hinter Koch und Biedermann. Schmetterling-Frau Franziska Hentke ist nahe dran an den Medaillenplätzen, und wenn sie bis Rio auch noch an ihrem in Kasan arg knittrigen Nervenkostüm feilt, kann es mit dem Sprung aufs olympische Podest über 200 Meter durchaus etwas werden. Auch Spartenkollegin Alexandra Wenk ist, über die halbe Distanz, inzwischen auf Tuchfühlung mit Edelmetall. Die Schwedin Sarah Sjöström fliegt zwar in einer eigenen Klasse, aber schon Silbermedaillengewinnerin Jeanette Ottesen sieht der Bundestrainer in Wenks Reichweite.

„Die Tendenz ist absolut positiv – und ich hab eher das Gefühl, wir rutschen oben heran“, betonte Lambertz, der zugleich weiß: Der Fortschritt gilt längst nicht für jede Disziplin. Im Finale über 100 Meter Schmetterling der Männer etwa legten am Samstag gleich drei Kandidaten eine Zeit unter 51 Sekunden in den Pool. DSV-Schwimmer Steffen Deibler dagegen, bei der WM 2013 noch Medaillenkandidat, schied im Halbfinale mit 52,07 Sekunden aus.

„Da müssen wir viel nachjustieren“, weiß der Bundestrainer. Doch der 44-Jährige kennt nun auch die neuesten Zahlen – und das große Ganze. Und da passte neben der guten Stimmung im Team vor allem die sportliche Tendenz. In Barcelona verbesserten gerade mal 21 Prozent der deutschen Schwimmer ihre Qualifikationszeit von den na­tionalen Meisterschaften. In Kasan lag die Quote nun knapp über 50 Prozent. Und die Zahl der erreichten Finalplätze in den WM-Einzelrennen stieg von fünf auf neun, alle in olympischen Disziplinen.

„Auf dem Weg ins nächste Jahr ist mir nicht bange. Unser ganzes Konzept ist auf 2020 angelegt – aber die ersten Schritte, die wir sehen, sind wirklich sehr gut“, betont der Schwimmer-Chef, der sich als weiteren Anreiz höhere Siegprämien wünscht. Ab sofort wird an Details gefeilt, störrische Heimtrainer werden ­notfalls mit „positivem Druck“ ­(Lam­bertz) zur Kooperation bewegt. Und mit einem Highlight starten Deutschlands Schwimmer dann ins Olympia-Jahr: Im Januar geht es für drei Wochen in ein ebenso hartes wie angenehmes Trainingslager ins thailändische Phuket. Das ist dann eine Art DSDS für schnelle deutsche Schwimmer – als Zuckerl auf dem Weg nach Rio.

Andreas Morbach

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