Interview zu SPD-Mitgliederbegehren: „Die Entscheidung korrigieren“
Sozialdemokraten an der Basis wollen den Parteibeschluss zur Vorratsdatenspeicherung kippen. Manche MdBs sind nicht begeistert.
taz: Herr Nickholz, Sie haben zusammen mit vier weiteren SPD-Mitgliedern aus Recklinghausen ein Mitgliederbegehren gegen die Vorratsdatenspeicherung gestartet. Im Juni hatte sich ein Parteikonvent für das Gesetz ausgesprochen. Wieso akzeptieren Sie das nicht?
Brian Nickholz: Unsere Motivation ist tatsächlich der Konvent gewesen. Aus Gesprächen mit Teilnehmern haben wir erfahren, dass Delegierte in Einzelgesprächen unter Druck gesetzt wurden, den Antrag des Vorstands zu unterstützen. Nur so ist die knappe Mehrheit zustande gekommen. Doch die Mehrheitsmeinung der Basis ist eine andere. Dem Konvent lagen mehr als 100 Anträge aus elf Landesverbänden gegen die Vorratsdatenspeicherung vor. Dieser Kontrast war ausschlaggebend.
Sollte der Konvent nicht gerade dazu beitragen, die Meinung der Mitglieder abzubilden?
Das Ziel des Delegiertensystems ist es, Meinungen der Parteibasis über die verschiedenen Ebenen weiterzutragen, bis es dann zu einer Entscheidung kommt. Doch es ist offensichtlich, dass das in diesem Fall nicht funktioniert hat. Deshalb ist es legitim, diese Entscheidung zu korrigieren.
Was kritisieren Sie an dem geplanten Gesetz?
Der Knackpunkt ist, dass Bürger unter einen Generalverdacht gestellt werden. Dabei ist es unerheblich, wie lange die Daten gespeichert werden. Die von der Bundesregierung vorgesehene Höchstspeicherfrist von zehn Wochen ändert nichts an der Missbrauchsgefahr. Für das behauptete Maß an mehr Sicherheit wollen wir unsere Freiheiten nicht aufgeben.
Hat es Sie überrascht, dass Justizminister Heiko Maas seine Ablehnung aufgegeben hat und sich inzwischen für die Datenspeicherung einsetzt?
Heiko Maas hat sehr gute Argumente geliefert, wieso wir auf eine Vorratsdatenspeicherung verzichten sollten. Noch im Dezember twitterte er, ein solches Gesetz verstoße gegen das Recht auf Privatheit und Datenschutz. Dieser Argumentation bedienen wir uns für die Kampagne. Die Kursänderung, die er seitdem hingelegt hat, ist nicht nachvollziehbar.
25, feiert in diesem Jahr seine zehnjährige SPD-Mitgliedschaft. Er ist Kreisvorsitzender der Jusos in Recklinghausen und seit 2009 Ratsmitglied in Marl.
Binnen drei Monaten, aber tatsächlich bis September, wenn das Gesetz im Bundestag verabschiedet werden soll, benötigen Sie die Unterstützung von 10 Prozent der Parteimitglieder. Das sind etwa 45.000 Genossen.
Diese hohe Hürde ist bewusst gesetzt worden – und dennoch glauben wir daran, erfolgreich zu sein. Das Gefühl an der Basis ist, dass die Partei der Union hinterherläuft. Daher brauchen wir mehr innerparteiliche Demokratie. Wir sehen schon jetzt, eine Woche nach dem Start, dass der Zuspruch hoch ist. Höher als vor zwei Jahren, als es schon ein mal ein Mitgliederbegehren zum selben Thema gab. Das ist damals am Quorum gescheitert, aber inhaltlich hat es die Partei geprägt. Wir hoffen auf viele Tausend Unterschriften bis September. Die Fraktion sollte dann noch einmal Bedenkzeit beim Koalitionspartner erbeten, damit wir die vollen drei Monate zur Sammlung ausnutzen können.
Welche Rückmeldungen haben Sie bislang erhalten?
Auf Facebook und unserer Website vds-nein-danke.de haben wir viele positive Zuschriften bekommen. Aus Reihen der Bundestagsabgeordneten gibt es dagegen auch Gegenwind. Uns wurden parteischädigendes Verhalten und ein seltsames Demokratieverständnis vorgeworfen. Ich denke, wer beruflich Politik betreibt, sollte ein anderes Verständnis aufbringen.
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