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Kleiner Keil zwischen SPD und CDU

Kommentar

von Bert Schulz

Wahlkampf nach CDU-Entscheid zur Homo-Ehe

Die Reaktion ist, auf den ersten Blick, dezent: „Erschrocken“ sei er über das Ergebnis der CDU-Mitgliederbefragung zur Homo-Ehe, ließ der Regierende Bürgermeister am Wochenende mitteilen. Bei dem Entscheid hatte sich eine klare Mehrheit gegen die Homo-Ehe ausgesprochen, wo­rauf SPD- und Oppositionspolitiker die Union etwa als „reaktionär“ bezeichnet hatten.

Doch auch Michael Müller (SPD) lässt sich die Vorlage nicht entgehen, seinem Herausforderer 2016 eine mitzugeben: Ein anderes Ergebnis wäre möglich gewesen, wenn nur die Parteiführung, sprich Frank Henkel, sich dafür engagiert hätte. Die Schlussfolgerung des Regierenden: „Ich erwarte von ihm jetzt ein Signal der Führungsstärke im Sinne Berlins.“ Übersetzt heißt das: Henkel kann es nicht. Er versage als Innensenator, als Parteichef, als Politiker.

Kompentenz in Frage stellen

Diesen Vorwurf haben schon viele SPDler erhoben, meist unter der Hand. Mit Müllers Kritik wird er zur Wahlkampftaktik: Man spricht Henkel die Kompetenz ab und treibt einen Keil zwischen beide Parteien.

Das ist clever, denn so verschieden sind SPD und CDU auch wieder nicht, zumindest, was den liberaleren Teil der Union angeht. Der wird nun für politisch irrelevant erklärt, weil sich Henkel nicht für ihn einsetze. Wobei jeder weiß und der Mitgliederentscheid erneut gezeigt hat: Henkel muss einen enormen Balanceakt hinlegen, um die CDU-Flügel im Griff zu behalten.

Als Vorzeichen für eine Koalition mit Grünen und/oder Linke sollte man Müllers Kritik aber nicht verstehen. Nach der Wahl ist nicht unbedingt vor der Wahl: Wenn die SPD die CDU braucht, kann es Henkel sicher wieder.

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