NOTIZBUCH: Was Amazon gerade richtig macht
Zug gefahren. Gelesen. War gut. Lehrreich und schön.
Dann ausgestiegen. Kindle-Reklame gesehen. Große Plakate hingen im Bahnhof. Darauf gut aussehende Menschen, die auf Reisen waren und einen Kindle in ihren Händen hielten. Ein bisschen verträumt sahen sie aus, entspannt und ganz bei sich. „Lies nach, wie andere die Welt sehen“, stand als Slogan daneben oder auch „Mit guten Büchern reist man niemals allein“. Erster Impuls: Na klar, vermarkten sie das wieder. Aber der zweite Impuls war dann schon: Irgendetwas erwischt dich auf diesen Plakaten.
An Kindle und dem Anbieter Amazon gibt es viel zu kritisieren. Dem Konzern geht es um Marktmacht und Umsatz, nicht um Inhalte, klar. Um den Erfolg von Amazon zu erklären, muss man aber auch sehen, was Amazon gerade richtig macht. Und das ist nicht nur die praktische Bestellmöglichkeit – das ist auch diese Imagekampagne. Edle Schwarz-Weiß-Fotografie. Etwas Kontemplatives, Selbstbestimmtes vermitteln die Plakate. Und sie sind ganz und gar nicht aufdringlich.
Im Gegensatz zu vielen Marketingkampagnen der Buchbranche, die oft etwas Pädagogisches (lachende Kinder auf dem Weg zur Bildung) oder Aufgedrehtes (lachende Erwachsene, die sich prima unterhalten fühlen) haben. Im Gegensatz auch zu vielen Schaufenstern von Buchhandlungen. Und längst auch im Gegensatz zu vielen Covern selbst der renommiertesten Verlage. Man muss Amazon echt nicht toll finden. Aber feststellen muss man schon: Marktschreierischer sind die anderen.
Anders gesagt: Man muss auch mal sehen, was die wohlmeinende Buchbranche im Kampf um Aufmerksamkeit gerade falsch macht. Lesen ist ein Einsamkeitsabenteuer. Möchte man nicht allein mit seinem Buch sein? Dieses Lesegefühl vermitteln einem diese Kindle-Plakate besser. Tja, ist so. drk
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