Die Wahrheit: Kanaken-Kirmes
Neues aus Neuseeland: Am französischen Nationalfeiertag ein Abstecher nach Neukaledonien, wo es rabimmel, rabammel, rabumm zugeht.
N eu, neu, alles noch neuer! Und très, très chic. Seit einer Woche bin ich nicht in Neuseeland, sondern in Neukaledonien. Das liegt geographisch in der Südsee, aber gefühlt in Europa. Côte d’Azur. Denn die meisten Menschen in dem Inselstaat sind Franzosen, gern auf Segelyachten. Und die verbliebenen Ureinwohner, von denen die meisten in Nickelminen arbeiten, wer sind die? Feridun Zaimoglu, hergehört: Das sind die Kanaken.
Kanak-Sprak gibt es hier in über 30 melanesischen Variationen, aber die Landessprache ist Französisch. Wie auch das Essen. Und die Hauptstadt Noumea, wo an jeder Ecke eine Patisserie nebst Pariser Mode zu finden ist. Villen wie Attitüden stammen aus der Kolonialzeit. Die Bars an der Promenade sind voller Weißhäute, nur die Bedienung ist dunkel. Die Franzmänner tragen Dreitagebart, die Frauen elegante Schuhe. Alles sehr sexy, lässig und teuer. Eine Pizza: 40 Dollar.
Nach einer Woche Familienurlaub auf dem Meer sind wir wieder an Land und entschlossen, einzutauchen ins fremde Melanesien. Ins traditionelle Kanakentum. Schon aus finanziellen Gründen, siehe Pizza. Aber erst mal einkaufen, denn solchen Morbier-Käse wie im neukaledonischen Supermarkt bekommen wir im Milch-und-Butter-Paradies Neuseeland nicht. Ab mittags wird kein Alkohol mehr verkauft, um die Eingeborenen, die sich überteuerte Bars nicht leisten können, vor der Sucht zu bewahren. Denn der nächste Tag ist frei. Am 14. Juli ist Frankreichs und Neukaledoniens Nationalfeiertag. Der Sturm auf die Bastille, 226 Jahre her.
Am Abend stehen wir im Stadtzentrum unter Hunderten von Menschen mit Lampions. Ein Laternenumzug! Meine Söhne mit deutschem Migrationshintergrund erinnern sich noch vage an Sankt Martin. Es spielt eine schottisch-australische Dudelsackkapelle „Amazing Grace“. Zu den Klängen von „Waltzing Mathilda“ setzt ein warmer Regenschauer ein. Eine kostümierte Truppe kommt auf uns zugeschwebt, Jakobinermützen und blau-weiß-rot in Trikolore-Tracht, wie die Funkenmariechen beim Rosenmontagszug. Sie stehen auf Segways.
Die Marseillaise erklingt. Das große Feuerwerk beginnt. Wir schlendern zur Kirmes, die wir ebenfalls seit Jahren entbehren mussten. Autoscooter! Die Söhne sind glücklich. Der Regen wird stärker, die Laternen lösen sich langsam auf. Mein Licht geht aus, wir geh’n nach Haus, rabimmel, rabammel, rabumm. Bonne Nuit, Nouvelle Caledonie!
Um am letzten Tag in Noumea noch etwas Melanesisches zu erleben, fahren wir zum Tjibaou Cultural Centre, berühmt für seine Artefakte. Ein Schrein der Kanaken-Kultur soll es sein. Das Zentrum liegt außerhalb Noumeas, am Porsche-Händler vorbei. Doch der Ausflug von Frankreich in die Südsee scheitert. Das Tjibaou Cultural Centre ist wegen des Bastille-Feiertags geschlossen. Pardon!
Wir fahren zurück zur Strandpromenade, tapern durch den Regen, voll die Touristen. Essen schließlich Crêpes. Gegenüber läuft ein barfüßiger Kanake entlang, mit Baguette unterm Arm.
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