Landgrabbing in Deutschland: Chinesen kaufen Äcker
Der chinesische Finanzinvestor Fosun beteiligt sich an Deutschlands größtem Ackerbaukonzern KTG Agrar. Die Bauern sind sauer.
Man könnte Jennerjahns Vorwurf auch so formulieren: Landgrabbing – also die illegitime Aneignung von Boden – durch Chinesen findet jetzt nicht mehr nur etwa in Afrika statt, sondern auch in der Bundesrepublik. Der Streit ist typisch für ganz Ostdeutschland, wo Finanzinvestoren derzeit riesige Agrarflächen zusammenkaufen.
Die börsennotierte KTG bewirtschaftet allein in Deutschland 36.000 Hektar Land, das ist eine Fläche, die größer ist als ganz Dresden. Die milliardenschwere Fosun hat einen Großteil ihrer Mittel weltweit in Versicherer investiert. Beide sind also Global Player, von denen sich die etwa 400 „bäuerlichen Familienbetriebe“ des Bauernbunds bedroht fühlen.
Die Chinesen wollen 9,03 Prozent an der KTG Agrar SE erwerben. Der Kaufvertrag soll einer Mitteilung des Hamburger Unternehmens zufolge „in Kürze“ vollzogen werden. Fosun werde die Deutschen dabei unterstützen, den Markt der Volksrepublik zu erschließen und die Firma zu finanzieren.
Reicher Investor
„Es ist nicht auszuschließen, dass die KTG, mit frischem Kapital ausgestattet, ihre Einkaufstour fortsetzt“, befürchtet denn auch Bauernbund-Chef Jennerjahn. Er wirft der KTG mit ihren 234 Millionen Euro Jahresumsatz schon lange vor, kleine und mittlere Höfe auf dem heiß umkämpften Markt für Agrarflächen auszustechen. KTG könne einfach mehr Geld bieten als Bauern vor Ort.
KTG wies die Vorwürfe zurück. „Bereits seit 2007 haben wir uns dazu verpflichtet keine Flächen zu kaufen, die von anderen Landwirten bewirtschaftet werden“, schrieb Konzernchef Siegfried Hofreiter der taz. Deshalb werde KTG auch in Zukunft „nicht zu den Preistreibern“ gehören. Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung überzeugt das nicht: „Selbst wenn sie nicht kaufen würden, pachten sie immer noch Flächen – und damit stehen sie in Konkurrenz zu unseren Betrieben.“
Um wenigstens „die schlimmsten Auswüchse“ des Landgrabbings zu mildern, fordert der Bauernbund von der Landesregierung in Potsdam, bei Flächenverkäufen ein Vorkaufsrecht für ortsansässige Landwirte einzuführen. Tatsächlich hat Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Mittwoch angekündigt, gemeinsam mit dem Bauernbund und anderen Verbänden einen entsprechenden Erlass zu erarbeiten – die Details sind aber noch unklar.
Vorkaufsrecht für Ortsansässige
Für den Fraktionschef der Grünen im Landtag, Axel Vogel, ist die Ankündigung ein Schritt in die richtige Richtung. „Aber sie greift viel zu kurz“, sagte Vogel der taz. „Landeseigenes Land sollte nicht verkauft, sondern verpachtet werden.“ Dann hätte der Staat mehr Einfluss. Außerdem müsse Brandenburg im Bundesrat dagegen kämpfen, dass Investoren von außerhalb der Landwirtschaft Anteile an Agrarfirmen erwerben dürfen. Sonst könnte ein Vorkaufsrecht für ortsansässige Landwirte leicht umgangen werden: Die Anleger würden keinen Boden, sondern lokale Unternehmen kaufen, denen die Äcker gehören.
Auch auf Bundesebene tut sich etwas in Sachen Bodenverteilung: Agrarminister Christian Schmidt legte am Mittwoch neue Grundsätze für die Privatisierung von ehemals volkseigenem Acker- und Weideland in Ostdeutschland vor. Danach sollen möglichst Lose von höchstens 15 statt bisher 25 Hektar ausgeschrieben werden. Der Bauernbund begrüßt das. „Je kleiner die Lose, desto eher können normale Menschen mithalten“, sagte Geschäftsführer Jung. Aber die Regel komme viel zu spät, da die meisten Flächen schon vor Jahren privatisiert wurden.
Überhaupt keine Bewegung gibt es in Sachen EU-Agrarsubventionen. Der größte Teil der jährlich 57 Milliarden Euro wird pro Hektar gezahlt: Wer viel Land hat, bekommt auch viel Geld vom Staat. Der Bauernbund fordert schon lange, dass die Beträge für Großbetriebe gedeckelt werden – bislang erfolglos.
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