piwik no script img

Mehr Kontrollen gegen Ekelfleisch nötig

Der jüngste Fleischskandal belegt erneut Missstände in der Fleischbranche. Die Kriminellen haben ein leichtes Spiel. Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist gering. Bundesweite Standards fehlen ebenso wie Personal. Und die verhängten Strafen sind mild

AUS BERLINTARIK AHMIA

Hohe Gewinnmargen und geringes Entdeckungsrisiko machen die Fleischbranche für Kriminelle attraktiv. Fachleute und Verbraucherschützer fordern deshalb nach dem jüngsten Fleischskandal in Niedersachsen: bundesweit einheitliche Kontrollen von Lebensmitteln, schärfere Sanktionen bei Betrug und eine bessere Information der Konsumenten.

Ein Fleisch verarbeitender Betrieb in Lastrup bei Oldenburg hat große Mengen verdorbenes Geflügelfleisch tonnenweise in den Handel gebracht. Die Geflügelreste sind wahrscheinlich bundesweit bis auf die Teller der Verbraucher gelangt. Erste Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung des Fleisches bestätigten gestern die Ungenießbarkeit. „Sieben von 20 Proben waren eindeutig verdorben, das Fleisch war nicht essbar“, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. „Wer das Fleisch gegessen hätte, dem wäre übel geworden, er hätte sich erbrochen.“

Bundesweit klaffen die Standards bei der Lebensmittelkontrolle stark auseinander, denn sie sind Ländersache. Ja nach Bundesland müssen die bundesweit insgesamt etwa 2.500 Lebensmittelkontrolleure jeweils zwischen 300 und 1.300 Betriebe im Jahr kontrollieren. „Die Stadtstaaten und die neuen Bundesländer stehen besser da als die alten Bundesländer“, sagt Hans-Hennig Viedt vom Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure zur taz. „Besonders schlechte Personalschlüssel haben Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.“ Er fordert den Aufbau bundesweit einheitlicher Standards zur Lebensmittelkontrolle. Einige Bundesländer kontrollierten nur 30 Prozent ihrer Betriebe, weil zu wenig Personal da ist.

Mit Kontrollen allein ist es aber nicht getan. Dazu ist der Anreiz von Millionengewinnen mit dem illegalen Handel von Fleischmüll zu groß. „Die Gerichtsurteile bei Fleischskandalen sind viel zu mild“, so Viet. Tatsächlich drohen Fleischpanschern bis zu fünf Jahre Haft. In der Praxis wurden die Täter aber nie zu mehr als zu einigen Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

„Die Abwärtsspirale bei Fleischpreisen führt dazu, dass wir mit weiteren Lebensmittelskandalen rechnen müssen“, sagte Christian Fronczak vom Bundersverband Verbraucherzentralen (vzbv) der taz. Um die Gefahr durch weitere Fleischskandale für die Verbraucher zu reduzieren, fordert auch er schärfere Kontrollen und ein bewussteres Kaufverhalten der Konsumenten. Der Verbraucher habe heute schon die Option, Öko- oder Markenfleisch mit Qualitätssiegel zu kaufen. „Wir müssen die Namen von kriminellen Fleischproduzenten nennen, damit der Verbraucher sein Kaufverhalten darauf einstellen kann.“

Aber auch Änderungen innerhalb der Fleischindustrie könnten helfen, das Risiko von Fleischskandalen reduzieren. „Unsere Beschäftigten merken zuerst, wenn etwas Illegales im Betrieb passiert“, sagte Karin Vladimirov von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zur taz. Die NGG fordert deshalb einen besseren Informantenschutz für Beschäftigte der Lebensmittelbranche, die Skandale melden. Im konkreten Fall in Lastrup hatte die NGG schon im Januar erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Die Beschäftigten trauten sich jedoch aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht, zur Polizei zu gehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen