piwik no script img

Der Letzte seiner Art

DER ZOOCHEF UND DIE FRAUEN

Es gibt nur eine Lösung: Blaszkiewitz bekommt ein schönes, eigenes Gehege

Bernhard Blaszkiewitz, seines Zeichens Direktor von Zoo und Tierpark, hat also in Aktenvermerken Frauen mit 0,1 gekennzeichnet. Die seltsame Schreibweise ist in der Tierhaltung üblich, vor dem Komma steht die Zahl der Männchen, dahinter die der Weibchen, bei Bedarf werden Tiere unbekannten Geschlechts als dritte Zahl angehängt.

Zoologen-Humor ist gerne mal etwas rustikal. Der Berufsstand ist nah dran am Leben mit seinen oft wenig feinen Funktionsabläufen und weit weg von akademischen, quasi innerartlichen Diskussionen der Spezies Mensch. Dass Begriffe aus der Tierwelt im täglichen Austausch auf die lieben Kollegen angewendet werden, und zwar keineswegs geschlechtsspezifisch, das weiß, wer je in der Branche arbeitete. Aber es ist dann eben doch etwas anderes, ob die Tierpflegerin mit ihrem Kollegen knietief in der Elefantenscheiße steht und ihn fragt, ob seine Frau eigentlich schon geworfen habe, als wenn der Direktor seine Mitarbeiterinnen mittels „0,1“-Vermerk übersichtlich deklariert. Im Grunde belanglos, aber so etwas macht man halt nicht.

Doch Blaszkiewitz wäre nicht Blaszkiewitz, nähme er auf solche Sensibilitäten Rücksicht. Der Mann ist halt aus der Zeit gefallen, ein Relikt aus Tagen, als Zoologen noch Zoologen waren und zugleich Abenteurer, Großwildjäger, Entdecker und immer auch Exzentriker. Vom legendären Professor Landois über den Furzkissenfreund und TV-Opa Bernhard Grzimek bis zum in seinem Tierpark verwachsenen Heinrich Dathe waren sie immer auch schillernde Gestalten, die zwischen Egomanie und Aufopferung oszillierten und sich mindestens so gockelhaft präsentierten wie der jüngste Paradiesvogel-Import aus Südostasien. Nur eines waren sie nie: Verwaltungsfacharbeiter, die sich sonderlich für behördliche Richtlinien oder gesellschaftliche Konventionen interessierten. Und erst recht haben sie, anders als heutige Zoo-Kritiker, niemals tierhalterischen Sachverstand mit menschlicher Gefühligkeit verwechselt.

Blaszkiewitz steht sicher nicht für den heute gefragten Politiker- und PR-Typus eines modernen Zoo-Chefs, und sein Unwille, sich dem Zeitgeist anzupassen, ist bei all seinen Verdiensten ein Hemmnis bei der Entwicklung von Zoo und Tierpark. Seine Ära läuft so oder so in Kürze aus. Das ist trotz allem sehr schade. Im Grunde gibt es nur eine angemessene Lösung: Blaszkiewitz bekommt im Zoo ein schönes, eigenes Gehege, auf dass wir uns noch lange am Anblick dieses ebenso seltenen wie putzigen, im Grunde liebenswürdigen und vor allem unmittelbar vor dem Aussterben stehenden Gesellen erfreuen können. Und auf der nächsten Tierbestandsliste wird dann als Neuzugang vermerkt: „1,0 Homo sapiens“. TIMON MAYR

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen