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Kolumne Unter SchmerzenOpernsängerinnen mit Tattoos

Krankheit und Fernsehen, zwei Dinge, die unmittelbar zusammenhängen: Über Sitcoms, Werbung und Raumschiff Enterprise.

Sie schaut skeptisch, aber mit der Schulter scheint wieder alles in Ordnung: Kaley Cuoco alias Penny. Foto: reuters

M it einer Halskrause saß ich auf dem Sofa und schaltete durch die Programme. Die Halskrause hat nur sieben Euro gekostet, und keine Angst, sie ist nur zur Entlastung der Nackenmuskulatur kurz vor dem Schlafengehen vorgesehen, und ehrlich gesagt, ich trage sie nur selten. Jedenfalls, Krankheit und Fernsehen, zwei Dinge, die seit den achtziger Jahren unmittelbar zusammenhängen: Ich saß also mit Halskrause auf dem Sofa und sah Roseanne, die mit einer Halskrause schwer auf ihrem Bett saß. Sie orderte Bekümmerung, aber John Goodman sagte, sie sei gar nicht richtig krank.

Ich schaltete um (Die Sitcom „Roseanne“ habe ich schon immer gehasst, weil moralinsauer und spießig, so politisch korrekt möchte man die Arbeiterklasse lieber doch nicht sehen) und sah Penny Hofstadter von „Bing Bang Theory“, die in ihrer Badewanne ausgerutscht war und sich dabei die Schulter ausgekugelt hatte. Der Mitbewohner ihres Freundes, der Obernerd Sheldon, fuhr sie zum Krankenhaus, wo sie mit Schmerzmitteln und einem Muskelrelaxans versorgt wurde (vermutlich wurde ihr auch die Schulter wiedereingerenkt). Nur eine Folge später war alles wieder gut, und von Pennys Schulter war nie wieder die Rede.

In der Werbepause schaltete ich auf Arte, wo das Ende irgendeiner Oper lief – ich mag keine Opern, stellte aber verblüfft fest, dass sogar Opernsängerinnen inzwischen tätowiert sein können.

Die Werbepause war noch nicht zu Ende. Jetzt wurde für ein Mittel gegen Hämorrhoiden, dann für ein Mittel gegen genetisch bedingten Haarausfall geworben. Immerhin ist sich die Pharmaindustrie dieser Menschheitsprobleme bewusst, sogar so sehr, dass es jetzt Mittelchen gibt, die beworben werden müssen – wohl deshalb, weil sie nicht wirken, und wenn doch, dann nach „nur zwölf Wochen“ (!) und mit einer Menge Nebenwirkungen, wegen der Sie dann doch lieber den Arzt oder Apotheker aufsuchen.

Krankheit findet im Fernsehen hauptsächlich in den Werbestrecken statt, lassen wir die Gesundheitsmagazine einmal beiseite. In Filmen und Serien ist höchstens mal jemand erkältet, und das oft in Verbindung mit Liebeskummer. Da sieht man das arme Opfer verschnupft auf dem Sofa – auch weil das mit der Liebe nicht so klappt. Das geht so weit, dass ich mir bei einer Erkältung immer Renée Zellweger (“Bridget Jones“) vorstellen muss. Niemand kann eine Erkältung so darstellen wie sie.

Aber ich bin ja gar nicht erkältet. Ich habe Nackenschmerzen. Ist das ein Leiden, das sich in der Zukunft erledigt haben wird wie heutzutage die Pest? Oder hängt das von der jeweiligen Kulturstufe ab? Im Animationsfilm „Wall-E“ hat sich die Menschheit vollständig zu rückgratlosen Schreibtischstuhlopfern evolutioniert; Rückenbeschwerden haben sich erledigt, weil die betreffenden Körperteile inzwischen so vernachlässigt sind, dass sie sich verformt und angepasst haben.

In „Raumschiff Enterprise“ gibt es ja … Aber ach, die Sendezeit ist schon fast rum. Wie ich gerade sehe, spielt der Vorfall um Pennys Schulter in einer späteren Folge doch noch mal eine Rolle.

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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