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Seestern frisst Riff vor Fidschi-Inseln aufVerdauungssäfte töten die Koralle

Die einzigartige Unterwasserwelt der Fidschi-Inseln ist ein Touristenmagnet. Der Dornenkronenseestern droht sie zu zerstören.

Überfischung und Klimawandel sorgen wohl dafür, dass der Dornenkronenseestern so fortpflanzungsfreudig ist. Foto: Imago/OceanPhoto

BAREFOOT ISLAND taz | Die Korallenwand ist etwa zwanzig Meter hoch. Bedeckt von farbigen Weich- und Hartkorallen, Schwämmen. Hinter den Tauchern, kaum zu sehen im tiefen, endlosen Blau, dort wo das Riff aufhört und die Tiefe beginnt, kreisen mit kraftvoller Eleganz vier Haie. Doch die Taucher sind viel zu beschäftigt, um die Raubfische zu sehen.

Lange müssen sie nicht suchen. Mit einem langen Eisenhaken angelt einer einen großen Seestern aus einer Spalte in der Wand. Sein Kumpel packt das Tier in eine Tüte. Nach knapp 40 Minuten unter Wasser sind 21 Dornenkronenseesterne im Beutel. Ein zweites Team, nur etwa 20 Meter entfernt, hat 17 Tiere eingesammelt.

Wieder an Land, ist Daniel Bolling gleichzeitig zufrieden und enttäuscht. „Eigentlich hätten wir lieber keine gefunden“, sagt der amerikanische Meeresbiologe. Seit zwei Jahren ist er täglich auf der Jagd in den Gewässern vor der kleinen Insel mit dem Namen Barefoot. Eine Trauminsel wie aus der Urlaubsbroschüre, inklusive weißem Sandstrand und Palmen. Doch Bolling ist hier nicht zum Spaß. Er und seine Frau Heather Pacey, eine Meeresumweltexpertin, kämpfen gegen einen Seestern. Denn der Dornenkronenseestern (Acanthaster planci) „ist für Korallen ein schädliches Raubtier“.

Er wird manchmal größer als eine Bratpfanne, mit vielen Armen und giftigen Stacheln. Seine Essgewohnheiten sind alles andere als appetitlich. Der Stern stülpt sich über eine Steinkoralle und gießt seinen Mageninhalt darauf. Die Verdauungssäfte töten die Koralle, lösen sie auf. Diese Masse saugt der Stern dann auf.

Was bleibt, ist Korallenschutt

Bis zu einen Quadratmeter Korallen könne ein Tier pro Tag auf diese Weise fressen – „zerstören“, sagt Daniel Bolling. Das sei im Normalfall nicht schlimm. Die Seesterne gehörten zum Ökosystem im Riff. Doch in den vergangenen Jahren hätten sie sich zu einer Plage entwickelt. Millionen überfallen die Riffe und fressen sie kahl. Was bleibt, ist Korallenschutt: weiß, grau, tot.

Das schadet dem Ökosystem – und in der Folge dem Tourismus. Auf den Yasawa-Inseln von Fidschi, zu denen Barefoot gehört, ist Tourismus für bis zu 90 Prozent des Einkommens der Bewohner verantwortlich. Für das ganze Land ist Tourismus eine entscheidende Einnahmequelle und mit 1,3 Milliarden Dollar pro Jahr ein wichtiger Devisenbringer. 17 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet Fidschi mit der Reisebranche. 40.000 Menschen sind in dieser Industrie beschäftigt. Über 660.000 Besucher aus aller Welt reisen im Jahr ins Südseeparadies.

Fidschi ist nicht alleine mit dem Seesternproblem – auch das Barrier Riff in Australien, wo Bolling früher gearbeitet hatte, ist stark befallen. Warum es zu diesem Raubzug der Seesterne kommt, ist nicht klar. In der Wissenschaft gebe es mehrere Theorien, sagt Bolling. So glaubten die meisten Forscher, dass die Erwärmung der Meere als Folge des globalen Klimawandels eine zentrale Rolle spiele. Auch Überfischung sei ein Grund, weshalb sich die Tiere so stark vermehren. „Große Fische, die normalerweise diese Sterne fressen, gibt es immer weniger.“

So bleibt Bolling nicht viel mehr, als so viele der Seesterne wie nur möglich einsammeln zu lassen, Tag für Tag. An einem windigen Ort der Insel ist jeden Abend Endstation für die Vielfresser. Sie werden vermessen, katalogisiert und danach im Sand vergraben, von jungen Touristinnen und Touristen, die hier im Rahmen eines Freiwilligenprogramms arbeiten. Sie bezahlen sogar dafür. Das Geld fließt in die Gemeinde vor Ort, in Schulen, die Krankenversorgung. „So sind die Seesterne wenigstens für etwas gut“, sagt Daniel Bolling.

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