Fidschi Inseln: Der erste Hai

Einmal um die halbe Welt, dann ist man in Fidschi. Die Unterwasserwelt ist einmalig und bietet den Menschen ein Einkommen. Aber wie lange noch?

Hai im Riff

Ein Schwarzspitzenriffhai vor der Insel Foto: Foto: imago/Bring Bland

Die Piloten fliegen direkt auf die Wolken zu, die sich dunkel und bedrohlich über dem Südpazifik auftürmen. Während der Kopilot auf einem Taschenrechner herumtippt und Zahlen in eine Tabelle einträgt, hält der Kapitän das Steuerhorn locker in einer Hand. Die Wolken kommen näher, gleich werden sie uns verschlucken. Jetzt. Regen setzt ein, heftig trommelt er auf das kleine Flugzeug, die „BN2A Islander“, ein kanadisches Modell, gebaut für Starts und Landungen auf kurzen Pisten.

Böen schütteln die BN2A durch, sie wackelt hin und her. Vor den Fenstern sieht man nichts mehr. Vor einer Viertelstunde war noch alles gut. Die „Islander“ flog, voll besetzt mit acht Passagieren, über kleine, von Mangroven geschützten Inseln in Richtung unseres Ziels, der Insel Taveuni. Zwischen Stränden und Riffkanten leuchteten die Korallen in vielen Türkisfarben und Rottönen. Erst später kommt die Frage auf: Wie lange leuchten sie noch?

Fidschi ist mit seinen 332 Inseln ein Urlaubsparadies. Im Westen des Pazifikstaats, wo sich der internationale Flughafen befindet, liegen die populärsten Insel. Nun wäre es aber ärgerlich, um die halbe Welt zu fliegen und dann auf einer Insel voller Touristen zu landen. Im Osten sei es ruhiger, lockt der Reiseführer, zum Beispiel auf Taveuni.

Mit der Fähre bräuchte man von der Hauptinsel Viti Levu eine ganze Nacht bis dorthin, der Flug dauert nur eine Stunde. Doch nun diese Regenfront, dieser unfassbare tropische Wolkenbruch. Sind die Piloten angespannt? Sie lassen sich nichts anmerken, tauschen kurze Sätze aus, die das Dröhnen der Motoren verschluckt. Von den Passagieren sagt niemand ein Wort.

Anreise: zum Beispiel mit Flug über Seoul (Korean Air). Rückflug mit Übernachtung. Wichtig: Prüfen, ob ein Hotel im Flugpreis enthalten ist! Von Dezember bis Mitte April ist auf Fidschi Regenzeit und Zyklon-Saison.

Vor Ort reisen: Zu den Inselgruppen Mamanucas und Yasawas im Westen per Boot, nach Taveuni per Flugzeug mit Northern Air (Abflug aus Nadi oder Suva): www.northernair.com.fj.

Für kürzere bis mittlere Distanzen über Land: Taxi. Für längere Entfernungen: Busunternehmen Sunbeam (teilweise klimatisiert!) und mit Kontaktgarantie zu sympathischen Fidschianern

Sonstige Sehenswürdigkeiten: Levuka auf Ovalau (ehemalige Hauptstadt, seit 2013 Weltkulturerbe), Hauptstadt Suva, das entspannte Zentrum im Süd­pazifik, dort vor allem das kulturgeschichtliche Fiji Museum.

Angstschweiß. Nach zehn Minuten stößt die wackere BN2A aus den Wolken hervor, es ist überstanden! Wir fliegen Taveuni von Südwesten aus an, eine längliche Insel mit grünen Hängen und Ananasplantagen, höchster Punkt: 1.196 Meter. Die Landebahn sieht von hier oben aus wie ein Feldweg am Berg. Trotz starken Seitenwinds setzt der Kapitän die Maschine sanft auf. Danach grinst er den Kopiloten breit an. Wir atmen tief durch. Nun sind wir bereit für die Haie.

Eine der schönsten Unterwasserlandschaften

Das Rainbow Reef vor Taveuni gehört zu den schönsten Unterwasserlandschaften weltweit. Das sagen alle: Reiseführer, Websites – und natürlich sagt es auch Viti, ein mittelgroßer Muskelberg mit flossenbreiten Füßen, ebenso breitem Lächeln und ausgeblichenen Tattoos am Oberkörper, der uns am nächsten Morgen an Bord eines Boots begrüßt. Viti ist Tauchlehrer, täglich fährt er mit Touristen raus in die Somosomo Strait, eine Meerenge zwischen Taveuni und der Nachbarinsel Vanua Levu. Die Tauchplätze des weitläufigen Rainbow Reefs heißen Fischfabrik, Große Weiße Wand oder Korallengärten.

Während wir uns in die Neoprenpellen zwängen, erklärt Viti routiniert freundlich: „Okay, Leute, diese Meerenge ist elf Kilometer breit und nur wenige Meter tief. Durch die wechselnden Gezeiten strömen riesige Mengen Wasser hindurch. Und gleich im Wasser seht ihr, was sie transportieren: viele kleine Teilchen, die aus tieferen Wasserschichten hochgespült werden, das Plankton. Davon ernähren sich die Fische und die Korallen.“– „Was sollen wir tun, wenn wir Haie sehen, Viti?“, frage ich. Im Reiseführer steht, dass Haie und riesige Mantarochen das Gebiet regelmäßig durchstreifen. Viti beschwichtigt: „Das sind in aller Regel Riffhaie, die tun nichts. Einfach Abstand halten und möglichst ruhig weiterschwimmen.“

Kurz darauf springen wir im ziemlich offenen Pazifik in die sanften Wellen. Am Handgelenk haben wir eine aufblasbare, orangefarbene Boje, damit wir nicht verloren gehen und uns andere Boote sehen. Sobald wir den Kopf nach unten nehmen, sind wir weg von dieser Welt und in der fantastischen, absurd bunten Welt der Fische und Korallen.

Die Sicht erscheint uns endlos, 30 oder 40 Meter sind es, bis nur noch Blau ist. Mit den großen Flossen schwimmen wir an einem Unterwasserhang entlang, dessen Gestein über und über mit Korallen bewachsen ist, harten und weichen, sie sehen aus wie Büsche oder Felsen, wie Terrassen oder riesige Gehirne. Sie leuchten auch bei leicht bedecktem Himmel in Lila, Orange, Rot.

Übertroffen werden sie von den unzähligen Fischen, die herumschwimmen oder sich zwischen den Korallen aufhalten, einzelne Fische und -schwärme, teilweise sind es weit mehr als 100 Fische von einer Sorte, winzige und etwas größere, gestreifte in allen denkbaren Farbkombinationen – allesamt, als hätte man sie mit dem Textmarker angemalt. Ihre Augen sind groß und klar, manche schauen einen direkt an. Wir schwimmen hin und zurück, sehen quietschgelbe Segelflossendoktoren, längliche Trompetenfische und Gemeine Wimpelfische mit langen, schmalen Rückenflossen. Auf dem Meeresgrund ruht ein kleiner Stachelrochen, eine Schildkröte lässt sich vorbeitreiben.

Dann kommt er aus dem Blau auf uns zu: ein Hai, sofort unverkennbar. Mit ruhigen Bewegungen der Schwanzflosse zieht er wenige Meter unter uns an uns vorbei. Wir starren ihn an, Raubtier, Held aus Horrorfilmen, Herr des Riffs. Angst haben wir nicht, denn, nun ja, es ist ein junger Riffhai, einen Meter lang. Aber es ist ein Hai! Euphorisch gratulieren wir uns hinterher.

Die Chefin von Tauchlehrer Viti macht sich währenddessen Sorgen. „Das Meer ist phasenweise viel zu warm“, sagt Julie Kelly. In der warmen Regenzeit zwischen Dezember und April leiden die Hartkorallen darunter, sie stoßen die Alge ab, mit der sie symbiotisch leben, und mit deren Hilfe sie durch Photosynthese Energie tanken. Die Korallen bleichen aus. Das kann schon nach wenigen Wochen geschehen, wenn sie sich nicht zwischenzeitlich erholen können. „In der Somosomo-Meerenge bringen die Gezeiten noch etwas Kühlung, anderswo leiden die Korallen noch viel mehr“, sagt Julie.

Erschöpft sitzen wir nach dem Ausflug in dem verträumten Örtchen Matei auf der Terrasse einer gemieteten Bure, so heißen kleine Häuschen auf Fidschi. Matei ist die Welt in einem Dorf. Die Betreiber mehrerer Hotels sind Amerikaner oder Australier, Pizza und Brot backt ein Chinese, Tauchshops leiten Amerikaner und Deutsche. Einen Supermarkt, einige Unterkünfte, zwei bodenständige Restaurants und das Taxi-Business sind in einheimischer Hand.

Fast alle Bewohner leben vom Tourismus

Unsere Gastgeberin ist Fidschianerin. Paulina Bibi, Mitte 40, Brille, herzlich, bewirtschaftet mit ihrer Familie das Grundstück,einen mehrere Hektar großen Palmengarten, auf dem verstreut einige Buren stehen. Täglich bringt uns Paulina Ananas und Bananen auf die Veranda, von der wir hinunter auf die Somosomo-Meerenge schauen. Fast alle in Matei leben von den Touristen.

Auch Thomas Peckham, dessen Geschäft direkt vor Matei auf dem Meeresboden liegt. Mister Peckham, 57, ist Perlenfarmer. Er hat einen massigen Oberkörper, fleischige Oberarme und Wangen. Im kleinen Holzboot nimmt er uns mit hinaus, 400 Meter vor der Küste wirft er einen Anker aus und verteilt Flossen und Taucherbrillen von mäßiger Qualität.

in Schnorchel ist mit dem Kronkorken der lokalen Biersorte Fiji Bitter geflickt, keine gute Idee. Für einen Blick unter Wasser genügen die Brillen aber. Zwischen Seegras hat Peckham in wenigen Metern Tiefe auf dem Meeresgrund kleine Netze an Gittern befestigt. Dort züchtet er 1.100 Austern, die Perlen herausbilden sollen. Die Austern ernähren sich vom Plankton. Alle drei Monate taucht Peckham mit den älteren seiner fünf Söhne, um sie hochzuholen und zu reinigen.

Damit sich überhaupt eine Perle entwickelt, muss in die Auster ein kleiner Fremdkörper injiziert werden. Dafür bezahlt Peckham regelmäßig Japaner. „Ich weiß nicht genau, wie die das machen, sie zeigen es mir nicht“, sagt er etwas angesäuert. Wenn alles gut läuft, sondert die Auster Perlmutt ab, das den Fremdkörper umschließt: Eine Perle entsteht.

Das klappt längst nicht immer. „Aus 1.100 Austern bekomme ich rund 150 Perlen“, sagt Peckham. Seine günstigsten Perlen kosten ab 20 Euro, einige hochwertigere mehrere hundert Euro. Spitzenqualität erreicht er nur selten, trotzdem lohne sich das Geschäft. Nach dem Ausflug präsentiert Peckham die Perlen in seinem Haus, die meisten schimmern türkisfarben, silbern oder golden. Nur rund 14 Monate benötigen die Perlen bis zur Reife, weniger als in anderen Regionen – wegen der guten Wasserqualität.

Die meisten Perlen verkauft Peckham in der Hauptstadt. Einen Teil nehmen ihm die gut betuchten Gäste der besseren Hotels auf Taveuni direkt ab. Selbst Luxusunterkünfte gibt es in dieser abgelegenen Gegend. Schauspieler aus Hollywood waren schon hier, erzählen die Taxifahrer, zum Beispiel Nicole Kidman. Und Russell Crowe hat angeblich mit den Einheimischen Rugby gespielt. Die Promis entspannen in Resorts mit fünf bis sieben Sternen.

Es geht auch einfacher. Paulina Bibi nimmt für eine tadellos saubere, allerdings nicht ganz neue Bure mit Kochnische pro Nacht 40 bis 50 Euro. Der Kühlschrank läuft mit Gas, Strom gibt es aus dem Generator, um halb elf geht das Licht aus, in den Tropen ist das spät genug nach einem heißen, feuchten Tag. 2010 zerstörte ein heftiger Zyklon mit dem unpassenden Namen „Thomas“ einen großen Teil von Thomas Peckhams Austernbestand. Vorher besaß er 4.500 Stück. Nun stockt er langsam wieder auf. Seine Familie lebt schon seit Generationen auf Taveuni.

Zwischen Dezember und April begünstigen die hohen Wassertemperaturen das Entstehen von Zyklonen, die in der Region Chaos anrichten, Palmen umknicken, Bäume fällen, Hänge ins Rutschen bringen. Der Zyklon „Thomas“ zerstörte nicht nur die Austern von Thomas Peckham, sondern auch Korallen in ufernahen Riffen, die sich davon nur langsam erholen.

Der Meeresbiologe Jan Henning Steffen arbeitet von Fidschis Hauptstadt Suva aus für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in einem Meeresschutzprojekt. Er weist darauf hin, dass Stürme und hohe Temperaturen nicht die einzigen und oft auch nicht die dringlichsten Gefahren für die Unterwasserwelt sind. „Neben diesen extremen Wetterereignissen schaden direkte menschliche Einflüsse den Korallen nahe der Küste, etwa die Überfischung der Riffe und die Rückstände aus der Landwirtschaft, also Dünger und Pestizide, die ihren Weg ins Meer finden.“

Versauerung der Meere schädigt die Korallen

Steffen unterstützt mit seiner Arbeit einerseits den Schutz der Meeresbewohner und gleichzeitig eine schonende Nutzung der „maritimen Ressourcen“. Langfristig werde es in den Gewässern um Fidschi zu Jahresbeginn öfters wochenlange Phasen mit höheren Wassertemperaturen geben, sagt der Biologe. Das werde einige Hartkorallen verdrängen. Eventuell könnten robustere Arten an ihre Stelle treten. Die zunehmende Versauerung der Meere werde den Korallen in den kommenden Jahrzehnten zusätzlich schaden.

An der Versauerung sind auch wir schuld, die Fernreisenden. Wir wollen etwas sehen von der Welt, aber die langen Flugreisen sind schlecht fürs Klima. Das Meer nimmt das CO2 aus der Atmosphäre auf, der pH-Wert des Wassers sinkt dadurch. Doch wie sollen die Einheimischen ihr Geld verdienen, wenn keine tauchenden Touristen mehr kommen, weil die Riffe absterben und die Fische verschwinden?

Es ist ein Dilemma, das man nicht zu Ende denken mag, denn die leuchtend bunte Unterwasserwelt mit ihren endlosen Überraschungen kann süchtig machen. Noch mehrmals gehen wir schnorcheln, sehen einen größeren Riffhai, aber keinen der mächtigen Mantarochen, die mehr als eine Tonne wiegen und ebenfalls das Planktonbuffet zu schätzen wissen. Bei einer Fahrt hinaus aufs Meer beschreibt ein etwas gebrechlicher US-Tourist jenseits der 70 das Phänomen in einem Satz: „Every dive is the best dive.“ – „Jeder Tauchgang ist der beste.“

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