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Richtfest am StadtschlossDer Geisterbau ist fast fertig

Es ist Richtfest am Berliner Schloss und tout Berlin ist gekommen: 1.500 Gäste sind geladen, um ein „Projekt von nationaler Bedeutung“ zu feiern.

Die Rückkehr der Feudalherrschaft: Rohbau des wieder aufgebauten Stadtschlosses Foto: dpa

Zwei Welten stehen sich am Freitagmittag an der Karl-Liebknecht-Straße gegenüber: Auf der östlichen Seite drängen Herren im feinen Zwirn nebst ondulierten Damen zur Besichtigung von Deutschlands bekanntester und umstrittenster Baustelle. Gegenüber, vor dem Lustgarten, hängen sich schwarz gekleidete Menschen Pappplakate um den Hals. „Heute schon Beutekunst betrachtet?“, fragen sie und fordern: „Räumt die kolonialen Schatzkammern!“

Es ist Richtfest am Berliner Schloss und tout Berlin ist gekommen: 1.500 Gäste sind geladen, um ein „Projekt von nationaler Bedeutung“ zu feiern. So bezeichnet Manfred Rettig, Vorstand der Stiftung Berliner Schloss, das Humboldt-Forum - und mit ähnlichem Pathos schwärmen auch die Folgeredner. Es sei „ein großer Tag für alle Berliner und Berlinerinnen und nicht nur für sie“, glaubt der Regierende Bürgermeister Michael Müller. Nun werde man endlich wegkommen von der leidigen Fassadendiskussion und sich den Inhalten zuwenden, die eine „großartige Idee“ seien.

Der Tenor, worin die Idee besteht, lautet so: Gerade wegen der Afrika-Konferenz, wegen Hitler, Stalin und Mauerfall ist Berlin prädestiniert, die ganze Weltgeschichte darzustellen. Damit das nicht allzu größenwahnsinnig klingt, haben sich die Redner rhetorisch ihren Kritikern vor der Tür angenähert. Die Befassung mit der Kolonialgeschichte der ethnologischen Sammlungen sei von zentraler Bedeutung, beteuert Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es gehe nicht um Eurozentrismus, sondern um Multiperspektivität und Teilhabe am gemeinsamen Menschheitserbe.

Den etwa 40 Demonstranten draußen genügt das nicht. Die schönen Sonntagsreden würden nichts ändern, solange unrechtmäßig angeeignete Kulturgüter nicht zurückgegeben würden, findet Christian Kopp von Berlin Postkolonial. Ginge es nach ihm, müsste sich das Humboldt-Forum als temporäre Kunsthalle verstehen, das Raubgüter ausstellt, und die Herkunftsländer offensiv zur Rücknahme auffordert. Dann wäre das Schloss zwar irgendwann leer - aber eine andere Nutzung dürfte sich schon finden.

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