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Proteste in VenezuelaKein gemeinsamer Weg

Die Demonstrationen für die Freilassung inhaftierter Oppositionsführer zeigen erneut, wie gespalten die Opposition Venezuelas agiert.

„Venezuela vereint für den Wandel“ bleibt ein Wunsch, die Opposition ist gespalten. Foto: reuters

BUENOS AIRES taz | „Freiheit für die politischen Gefangenen!“ – mit dieser Forderung sind am Samstag mehrere tausend Menschen in Weiß gekleidet durch die Straßen von Caracas gezogen. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte Venezuelas prominentester Gefangener selbst. In einer Videobotschaft aus seiner Zelle in einem Militärgefängnis nahe der Hauptstadt hatte Leopoldo López nicht nur den Beginn eines Hungerstreiks angekündigt, sondern auch für den 30. Mai zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen.

Unklar ist, wie das mit einem Handy aufgenommene Video des streng bewachten und abgeschirmten López an die Öffentlichkeit gelangte. Nach Angaben der Regierung wurde das Handy bei einer Durchsuchung der Zelle gefunden und seine Botschaft als Beweis für López’ Umsturzpläne öffentlich gemacht. López sitzt seit Februar 2014 im Gefängnis. Ihm wird unter anderem der Aufruf zur Gewalt vorgeworfen. Bei monatelangen Protesten im vergangenen Jahre waren mindestens 43 Menschen ums Leben gekommen, viele davon Anhänger der Regierung.

Die Demonstration hat erneut die Spaltung der politischen Opposition deutlich gemacht, die nach wie vor in dem Bündnis „Tisch der Einheit“ (Mesa de Unidad, MUD) zusammengeschlossen ist. Der MUD „respektiert, wertschätzt und teilt“ die Gründe von López’ Demoaufruf, entschied sich aber gegen eine aktive Teilnahme. Der Aufruf sei mit dem Bündnis weder abgesprochen noch diskutiert worden, hieß es in der Begründung

Die gemäßigte Opposition um den Gouverneur des Bundesstaates Miranda und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Henrique Capriles setzt dagegen auf die Neuwahl der Nationalversammlung. Diese soll Ende des Jahres stattfinden, obgleich der dafür zuständige Nationale Wahlrat (CNE) den genauen Termin noch immer nicht festgelegt hat. Eine Forderung der Demonstranten am Samstag war denn auch, dass der CNE endlich den Termin festsetzt. Umfragen sagen der Opposition eine Mehrheit im Parlament voraus.

Die Mitte Mai von der Opposition abgehaltenen Vorwahlen lassen jedoch nicht nur Zweifel an einem Wahlerfolg der Opposition zu, sondern auch an deren demokratischer Verfasstheit. In lediglich 33 der 89 Wahlbezirke stellten sich die Kandidaten zur Vorwahl – in den restlichen Bezirken wurden sie von den Parteiführungen ausgeklügelt. Das ist zwar üblich, verstößt aber gegen das Wahlgesetz.

Letztlich setzte sich Capriles’ Primero Justicia mit 13 Kandidaten an die Spitze, gefolgt von Leopoldo López’ Voluntad Popular, mit zehn Kandidaten. Der Rest verteilte sich. Insgesamt gaben etwas weniger als 550.000 Menschen ihre Stimme ab, was nur knapp 7,5 Prozent aller Wahlberechtigten entspricht.

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5 Kommentare

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  • Was man aus Venezuela hört, entspricht ziemlich genau dem, was ehemalige DDR-Bürger noch selbst erlebt haben: Eine allgegenwärtige Mangelwirtschaft, sowie Behinderung und Unterdrückung jeglicher Opposition. Und im Gegensatz dazu : Staatsmedien, die hauptsächlich über „begeisternde Erfolge“ berichten, und Misserfolge und Proteste entweder verschweigen oder, wenn das nicht mehr geht, dem „Ausland“ (=USA) in die Schuhe schieben.

     

    Es scheint, als ob der von von Maduros Vorgänger Chavez propagierte „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ noch schneller zu Ende geht, als Honeckers „Sozialismus in den Farben der DDR!

    • @Pfanni:

      Ob in der DDR die Opposition ebenfalls regelmäßig Vorwahlen durchführte?

      Ich erinnere mich da nicht so genau

       

      Aber um Himmels Willen, an Bananen wird es doch wenigstens in diesem "Unrechtsstaat" nicht mangeln, oder?

      • @Lindenstock:

        Wenn die Verfassung Venezuelas Vorwahlen erlaubt – bitteschön! Aber entscheidend ist einzig und allein das Ergebnis der eigentlichen Wahlen. Die letzten Wahlen gewann Maduro jedenfalls nur hauchdünn und vermutlich dank Chavez, um dessen Krebs-Tod kräftig Verschwörungstheorien gesponnen wurden.

         

        Was die Bananen betrifft: Diese sind in Venezuela möglicherweise keine Mangelware. In der DDR waren sie jedenfalls Symbol des alltäglichen Mangels.

        In Venezuela wird es andere Mangelwaren geben!

      • @Lindenstock:

        Wenn‘s nur um Bananen ginge! Diese waren in der DDR nur Ausdruck des allgemeinen Mangels. Es betraf die meisten Gegenstände des täglichen Bedarfs, die man heutzutage problemlos im Einzelhandel erhält (und die einem quasi hinterhergeworfen werden). Darüber hinaus KFZ (Wartezeit 15-20 Jahre!), Ersatzteile für Geräte beliebiger Art, Baumaterial … , die Liste war fast endlos! Mit Beziehungen konnte man sich behelfen, vor allem, wenn man mit „Westgeld“ bezahlen oder andere Mangelware zum Tausch anbieten konnte.

        Glaubt heute gar keiner mehr!

  • Es erscheint seltsam, dass die Kreise der Opposition nicht mit tatkräftigen Handeln, das die Versorgung der Bevölkerung verbessern hilft und damit das wirtschaftliche Leben bereichert, von sich reden machen.

     

    Wenn Unternehmergeist selbst in Kuba, welches nicht im Ruf stand dies sonderlich zu fördern, einen Weg findet, um zu handeln, warum können „Oppositionelle“ sich in Venezuela nicht mit Taten unter Beweis stellen. Oder geht es nur um die eigene Brieftasche, die man in einer gewohnten privilegierten Weise zu füllen sucht?