20. Karneval der Kulturen: Die Götter lieben den Karneval
Bei wunderbarem Wetter feierten am Pfingstwochenende etwa 1,4 Millionen BesucherInnen in Kreuzberg. Dialog über neues Konzept soll sofort beginnen.
Kleiner war in diesem Jahr nur der Umzug selbst. Ansonsten hat der Karneval der Kulturen auch zu seinem 20. Geburtstag unter Beweis gestellt, dass er ein echtes Volksfest, nein: Völkerfest geworden ist. Etwa 1,4 Millionen BesucherInnen kamen laut Veranstalter am Pfingstwochenende zu dem Multikulti-Spektakel, 800.000 nach Angaben der Polizei allein zur Parade am Sonntag. Bei wunderbarem Wetter: Auch die Götter lieben offenbar den Karneval.
Dass die mit 62 Teilnehmergruppen etwa ein Drittel kleiner ausfiel als in den Vorjahren, war den Konflikten zwischen Teilnehmergruppen, VeranstalterInnen und Stadt im Vorfeld des Festes geschuldet. Die Gruppen hatten mehr logistische und monetäre Unterstützung für ihren Aufwand und die Finanzierung eines besseren Sicherheitskonzeptes gefordert. Als der Senat das im Februar zusagte, war für viele Umzugsteilnehmer die Vorbereitungszeit für ihre teils aufwändigen Präsentationen bei der Parade bereits zu kurz.
Auch wenn deshalb viele gerade der altgedienten Karnevalsgruppen wie etwa der Vorjahressieger des Umzugswettbewerbs „La Calaca“ mit seinen spektakulär gestaltenen und politisch durchdachten Auftritten fehlten – der Freude des Publikums an Hasenheide und Gneisenaustraße tat das wenig Abbruch.
Ebenso wenig wie die Umsetzung des neuen Sicherheitskonzeptes, das hauptsächlich am Beginn des Umzuges sichtbar wurde, als die Polizei den Straßenraum freundlich, aber nachdrücklich freiräumte. Später kreuzte das Publikum doch wieder die Straße oder folgte in Gruppen des Wagen mit der mitreißendsten Tanzmusik bis zum Straßenfest.
Das dehnte sich diesmal bis weit in die Gitschiner Straße aus, auch der Mehringdamm war am Sonntag zeitweise abgesperrt. Diese räumliche Entzerrung konnte am Umzugstag dennoch nicht verhindern, dass zwischen Zossener Straße und Halleschem Tor am Sonntagnachmittag kaum ein Fortkommen mehr möglich war, zu groß war das Gedränge. Wer Platzangst hat, ist trotz der erweiterten Fläche jedenfalls am Sonntag beim Karneval der Kulturen falsch.
Katerstimmung am Morgen danach
Ihm sei der Kinderkarneval am Samstag empfohlen: Der kleine Umzug von Schul- und Jugendgruppen ist ein vernachlässigtes Juwel des KdK. Er wird – unabhängig vom großen Fest – von der Kreuzberger Musikalischen Aktion (KMA) veranstaltet.
Jedes Jahr wählen Kinder ein Mottotier, das dann das Thema des Umzugs ist. Die Botschaft in diesem Jahr: Fledermäuse können auch am Tag wunderbar tanzen. Leider ist ihr Lebensraum bedroht. Die Stimmung beim Kinderumzug: ausgelassen, und bei etwa 3.000 ZuschauerInnen in diesem Jahr auch angenehm entspannt. Den Abschluss des Umzugs bildet ein Kinderfest im Görlitzer Park.
Am Morgen nach dem großen Umzug, dem frühen Pfingstmontag, dominiert trotz aller Freude ein wenig Katerstimmung die Bereiche Kreuzbergs rund um das große Fest. Während die Umzugsstrecke und ihre Seitenstraßen längst aufgeräumt sind, dümpeln rote und weiße Plastiktüten zwischen den Schwänen im Wasser des Urbanhafens.
Die Müllmenge auf den Rasenflächen übertrifft das Aufkommen eines normalen Schönwetterwochenendes geschätzt um das Sechsfache, je näher man dem Blücherplatz kommt.
Es sind wohl die Männer und Frauen der Berliner Stadtreinigung (BSR), denen man neben Veranstalter- und TeilnehmerInnen am meisten für ihren Beitrag zum Karneval danken muss. Auch das Müllproblem wollen die VeranstalterInnen künftig angehen.
Der Dialog über ein neues inhaltliches und organisatorisches Konzept für den Karneval mit allen Beteiligten soll direkt im Anschluss an das diesjährige Fest beginnen. Damit es auch 2016 wieder Karneval gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?
Die US-Wahl auf taz.de
Die Rückkehr des Donald Trump
Geopolitik der US-Wahlen
Am Ende der alten Welt