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SportBerlin ist erster deutscher Fußballmeister

Was lange währt, wird endlich rund: Viktoria Berlin gewinnt nach zwei Finalspielen gegen den 1. FC Hanau die deutsche Fußballmeisterschaft - des Jahres 1894. Damals konnten die Hanauer die Anreise nicht bezahlen und blieben zu Hause

Berlin ist deutscher Fußballmeister. Was der Bundesligist Hertha BSC seit über 70 Jahren nicht mehr geschafft hat, gelang am Samstag dem Verbandsligisten Viktoria Berlin. In einem Nachholspiel aus dem Jahre 1894 genügte den Tempelhofern ein 1:1-Unentschieden. Das Hinspiel beim 1. FC Hanau hatte Viktoria bereits vor einer Woche deutlich mit 3:0 gewonnen.

Zwar ist der eigens angefertigte Pokal bereits wenige Augenblicke nach Spielende zerbrochen. Doch auf dem Sockel ist das wichtigste geblieben. "Man kann noch alles lesen", versichert strahlend der Viktoria-Spieler Matthias Keßel und liest die Inschrift auf dem Bruchstück in seinen Händen: "Erster deutscher Fußballmeister 1894".

DEUTSCHE FUSSBALLMEISTER AUS BERLIN

DFB-Vorläufer:

1894: BTuFC Viktoria 89*

DFB-Meisterschaften:

1905: Union 92 Berlin

1908: BFC Viktoria 89

1911: BFC Viktoria 89

1930: Hertha BSC

1931: Hertha BSC

DDR-Meisterschaften

1960: ASK Vorwärts

1962: ASK Vorwärts

1965: ASK Vorwärts

1966: FC Vorwärts

1969: FC Vorwärts

1979: FC Dynamo

1980: FC Dynamo

1981: FC Dynamo

1982: FC Dynamo

1983: FC Dynamo

1984: FC Dynamo

1985: FC Dynamo

1986: FC Dynamo

1987: FC Dynamo

1988: FC Dynamo

* Auch der BFC Germania, der BFC Vorwärts und der Berliner SC werden als "Deutsche Meister" zwischen 1890 und 1902 geführt. Sie waren aber nur Meister des Bundes Deutscher Fußballspieler bzw. des Deutschen Fußball- und Cricket Bundes. Die waren jedoch regional begrenzt, faktisch ging es um eine Berliner Stadtmeisterschaft.

Damals vor 113 Jahren sollte das erste Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschfat ausgetragen werden - zwischen dem Berliner Stadtmeister Viktoria und Hanau 03, dem damailigen Meister der süddeutschen Fußballunion. Doch Hanau war außerstande, die Kosten für die Reise nach Berlin aufzubringen. Am grünen Tisch wurde Viktoria zum Deutschen Meister erklärt. Im letzten Jahr nun verständigten sich beide Vereine darauf, nachträglich den "moralischen Sieger" zu ermitteln.

Der heißt nun auch Viktoria Berlin. Die Freude darüber fiel nicht sonderlich explosiv aus. Zwar ging der Pokal zu Bruch. Doch das euphorische Gebaren bei den Spielern wirkte ein wenig wie bestellt. Man hatte den Eindruck, einer historischen Inszenierung beizuwohnen. Selbst die Zuschauer erhielten Anweisungen. Kurz vor Ende der Begegnung forderte der Stadionsprecher: "Machen sie sich jubelfertig".

Die Veranstalter hatten sich viel Mühe gegeben, der Begegnung einen zeitgemäßen Rahmen zu verpassen. Ein auf alt gemachter Lederball wurde mit einem Oldtimer ins Stadion eingefahren. Und die beiden Mannschaften traten in Retro-Trikots an - Rundhalsausschnitt mit Kordel.

Der sportliche Wert der Veranstaltung stand fraglos im Hintergrund. Viktorias Trainer Manuel Hartmann erklärte, dass es für ihn momentan nichts Wichtigeres gäbe als die kommende Verbandsligasaison. Doch für die Spieler sei es ein tolles Erlebnis, einmal vor einer großen Kulisse zu spielen. Anstatt der üblichen 60 Zuschauer waren über Tausend Besucher gekommen. In Hanau waren vor einer Woche sogar 5.000 Menschen ins Stadion geströmt.

Eine größere Aufmerksamkeit können niederklassige Amateurclubs kaum auf sich ziehen. Genau das hatte man auch beabsichtigt. Sven Leistikow, Präsident von Viktoria, erläuterte: "Wir müssen uns darauf konzentrieren, unser Tafelsilber zu polieren. Mit drei deutschen Meistertiteln sind wir der ruhm- und traditionsreichste Club in Berlin."

Anders gesagt: Der Amateurclub hat Schwierigkeiten mit der Gegenwartsbewältigung und flüchtet sich deshalb in die Vergangenheit. Leistikow nennt das "Aufbruchprojekt". In Zukunft will er weitere Retrospiele organisieren. Nächstes Jahr soll das gewonnene Meisterschaftsfinale von 1907 gegen die Stuttgarter Kickers nachgestellt werden. Das gleiche ist dann für 2011 mit Leipzig geplant. In 20 Jahren, so seine Vorstellung, wenn Viktoria genug mit seiner Vergangenheit gewuchert hat, könnte der Verein wieder im bezahlten Fußball dabei sein. Bis dahin kann Hertha BSC konkurrenzlos versuchen durch eine dritte Meisterschaft mit Viktoria gleichzuziehen.

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