Kunstbetrieb: Das neue Cinemascope
Die Einladungen zu Kunstevents werden auch immer beknackter. Der neue Trend: Mit einer Karte vom Format Cinemascope auf die Vernissage.
Selbst die Albertina schockt jetzt mit einer Einladungskarte in den Ausmaßen von 27,8 x 14 Zentimetern. Okay, das Motiv auf dem biegsamen Karton zeigt Monets Seerosen und ihnen gesteht man zu, das Breitwandformat gewissermaßen herauszufordern. Aber seien wir ehrlich, wir wissen, das eigentliche Motiv "From Monet to Picasso. The Batliner Collection" ist die schiere Angeberei.
Zum Glück schlägt die Deutsche Bank das Wiener Museum. Die Bank lädt zur Besichtigung ihrer "Neuankäufe 1997-2007" im noch größeren Format von 32 x 11 Zentimetern ein, "Save The Date" auf brettharter Pappe. Aber hier ist - anders als bei der Albertina - auch nicht bekannt, dass in der Gründungsurkunde von 1776 stünde, es solle für die Nachwelt eine Sammlung geschaffen werden, die höheren Zwecken diene als andere. Nicht Amüsement und Repräsentationswille, sondern "Bildung und Kraft zur Sittlichkeit" würden die Sammlung prägen. Nun ja. Die Albertina verschickt nicht nur Monstereinladungskarten. Sie bricht auch mit der weltweiten Gepflogenheit, mit dem Presseausweis stets freien Einlass in die hehren Hallen der Kunst zu gewähren. Irgendwie verständlich, ist das Ding doch mit seinen 8,5 x 5,4 Zentimetern entschieden zu klein und macht einfach nichts her.
In Berlin kam die Seuche mit den Cinemascopeeinladungen meiner Erinnerung nach durch die Galerie Michael Schultz ins Rollen. Michael Schultz brachte unter anderen Norbert Bisky, Seo oder Cornelia Schleime groß heraus und vertritt Schwergewichte wie Baselitz, Lüpertz und Immendorff. Längst aber werden seine 22 x 15,7 Zentimeter messenden Kartons von Contemporary Fine Arts 25 x 20 Zentimetern oder den 25 x 17,5 Zentimetern der Jablonka Galerie geschlagen. Anders als etwa Jablonka beschränkt Schultz seine demonstrative Geldausgabe nicht auf das "Save the Date". Er stellt darüber hinaus für jeden seiner Künstler einen schönen Katalog her, den er freigiebig verschickt, nicht nur an Sammler und Händler, auch an die Presse. Dem restlichen Kunstbetrieb erscheint das praktischerweise dann doch zu viel der Renommiersucht.
Nun ist, nicht anders als in anderen Bereichen der Wirtschaft, das viele schöne Geld, das im Kunstmarkt des 21. Jahrhunderts im Spiel ist, höchst ungleich verteilt. Da muss man schon zeigen, dass man selbst zu den Auserwählten gehört, bei denen es Unterschlupf sucht. Das gibt den eigenen Sammlern und potenziellen Kunden das unbezahlbare Gefühl, an der richtigen Adresse zu sein. Blöd nur, dass diese Gigantomanie einen selbst zwar reich, die anderen dagegen arm aussehen lässt. Arm, aber sexy, weil sie von all diesen schrecklichen, kulturaffinen BWLern und postgraduierten Kulturmanagern mit kunsthistorischem Bachelorabschluss verschont bleiben, die nun die großen Galerien - und eben auch schon großen staatlichen Museen - mit den sattsam bekannten Standardrezepten der Corporate Identity beglücken.
Wetten, dass der Vernissagengast in naher Zukunft mit einer "Art Bag" verabschiedet wird? Gefüllt mit dem Parfum des Sponsors, einem Siebdruck des Künstlers (der selbstverständlich an die Maße der Einladung nicht heranreicht) oder - noch hübscher - einem Multiple in Form eines schicken Schlüsselanhängers, der den banalen BMW vor der Tür sofort zum Art Car macht. Dann könnte uns freilich auffallen, dass wir am Endes des Tages immer die gleiche Deutsche Bank besuchen, egal ob wir nun in die Albertina oder zu Gagosian gehen. Das wird weder uns noch der Bank, dem Museum oder der Galerie gefallen können.
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