IFA: China ist der heimliche Star
Laut Messegesellschaft kommt jeder vierte Anbieter auf der IFA aus China. Sie bieten längst nicht mehr schlecht kopierte Ramschware an - und leiden unter ihrem Billigimage.
Kennt noch jemand die Herkunft des Qualitätssiegels "Made in Germany"? Es waren die Briten, die Ende des 19. Jahrhunderts diese Kennzeichnung einforderten. Sie wollten ihre Produkte vor minderwertigen Nachahmungsprodukten schützen. Erst in der Nachkriegszeit setzte sich die ursprünglich gegen deutsche Importe gerichtete Kennzeichnung zunehmend als Markensiegel durch. So ähnlich erging es in den 70er Jahren japanischen Produkten, dann Ramsch aus Taiwan oder Südkorea. Momentan haben Waren "Made in China" mit einem miserablen Ruf zu kämpfen.
Die Funkausstellung war in früheren Jahren Termin für besondere Anlässe. Bei der 3. Messe am 3. September 1926 wurde der Funkturm in Betrieb genommen. Auf der IFA 1967 startete in Deutschland und damit auch in Europa das Farbfernsehen, und die IFA ist laut Messe nach der Automobilausstellung IAA die älteste deutsche Industrieschau. In diesem Jahr wird für die 47. IFA mit 1.212 Ausstellern aus 32 Ländern eine Rekordbeteiligung gemeldet. Zudem sorgte die Vorstellung ganz neuer Geräte immer wieder für Staunen bei den Besuchern. Bis zum Jahr 2005 wurde die IFA alle zwei Jahre veranstaltet. Seit 2006 wechselte der Veranstalter - die Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik gfu - auf einen jährlichen Rhythmus. 2006 kamen 220.000 Besucher in die 26 Messehallen. DPA
Mit einer Rekordbeteiligung von 279 Ausstellern machen chinesische Firmen inzwischen fast die Hälfte aller ausländischen Firmen auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) aus. Den IFA-Veranstaltern war diese hohe Teilnehmerzahl von Chinesen am Mittwoch bei der Auftaktpressekonferenz dennoch nur eine Randnotiz wert. "Nach den Rückrufaktionen von in China produzierten Spielwaren scheint es momentan nicht angesagt zu sein, sich mit der Präsenz von chinesischen Firmen zu schmücken", sagt Zhaoxian Peng, Handelsvertreter einer südchinesischen Firma, die unter anderem MP-3-Player vertreibt. "Der Wind weht gerade nicht zu unseren Gunsten."
Dabei ist China längst zum weltgrößten Produzenten von elektrotechnischen Erzeugnissen aufgestiegen. Betrug der chinesische Anteil am Weltmarkt in der Elektronikindustrie 1995 noch weniger als drei Prozent, deckt China inzwischen mehr als ein Viertel der Weltproduktion von elektronischen Artikeln ab. In der Präsenz schlägt sich diese Marktdominanz auch auf der IFA nieder. Im Image aber nicht.
Vergangenes Jahr zum Beispiel waren zumindest die Nebenhallen überwiegend in der Hand chinesischer Aussteller. Dort bot sich den Besuchern ein Bild, das einen an einen Großelektronikladen à la Mediamarkt nach Geschäftsschluss erinnerte. Gelangweilte Hostessen, lieblos dekorierte Stände, plump anmutende I-Pod-Imitationen und auch den Flachbildschirmen der chinesischen Hersteller fehlte diese geschmeidigen Eleganz, die der Konsument normalerweise von diesen modernen Fernsehgeräten erwartet.
"Die Technik konnte durchaus mit japanischen und US-amerikanischen Produkten mithalten", bewertet der Berliner Produktdesigner Norbert Wiesener die chinesischen Waren des vergangenen Jahres. Am Design haperte es hingegen noch ganz gewaltig. Einen großen Durchbruch erwartet der Designer von den chinesischen Anbietern auch in diesem Jahr nicht.
Doch ist das nur die eine Seite der chinesischen Hersteller. Obwohl "Made in Japan" oder "Made in Germany" drauf steht - auch bei den durchgestylten Markenprodukten handelt es sich streng genommen um chinesische Produkte. "Jede vierte Komponente stammt inzwischen aus China", sagt Firmenvertreter Peng. Das betreffe auch hochwertige Qualitätswaren von Apple, LG oder Sony. "Gerade was die Unterhaltungselektronik betrifft, ist der Ruf chinesischer Waren schlechter als die tatsächliche Qualität", bestätigt ein deutscher Branchenkenner, der mit Namen nicht in der Zeitung stehen möchte. Längst werden die Geräte nicht mehr nur zusammengeschraubt und montiert. Hochwertige Plasmabildschirme, noch vor wenigen Jahren Domänen japanischer, taiwanesischer und südkoreanischer Firmen, rollen in gigantischen Montagehallen inzwischen in China vom Band.
Und noch etwas hat Peng beobachtet: In China selbst zeichnet sich seit einiger Zeit ein Bewusstseinswandel ab. "Mit zunehmendem Wohlstand steigt auch das Qualitätsbewusstsein der Chinesen." Er zitiert eine chinesische Studie, aus der hervorgeht, dass die Löhne der I-Pod-Schrauber und Kabelbinder allein 2006 um 11,5 Prozent gestiegen sind. Dies habe Auswirkungen auf die Struktur der chinesischen Produkte insgesamt, sagt Peng. "Auch in China sind die Konsumenten zunehmend genervt von billig kopierter Ramschware."
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