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Parteien-WerbungDer virtuelle Marktplatz

FDP, Linke, Kanzlerin - PolitikerInnen kommunizieren mit BürgerInnen im Netz, laut einer Studie aber zu wenig.

"Regierungskommunikation 2.0": Video-Podcast auf bundeskanzlerin.de. Bild: dpa

Es gab einmal eine Zeit, in der PolitikerInnen auf Marktplätzen Fähnchen verteilten. Man nannte das: Wahlkampf. Nun ist die Zeit, in der Guido Westerwelle sagt: "Heute müssen Politiker auch auf die virtuellen Marktplätze gehen, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen." Die FDP ist daher seit einer Woche bei YouTube mit einem eigenen Kanal vertreten (www.youtube.com/fdp). Dort bündelt die Partei ihre Videobotschaften. Man nennt das: Dauerwahlkampf.

Gerhard Schröders Mediencredo - er brauche nur "Bild, BamS und Glotze" - scheint überholt. Das Internet als virtueller Versammlungsort, in dem aktive Teilnahme möglich ist, ergänzt auch in der Kommunikation zwischen PolitikerInnen und BürgerInnen die älteren Medien. PolitikerInnen entdecken das Netz als Plattform für Austausch. Der wöchentliche Video-Podcast von Kanzlerin Angela Merkel (www.bundeskanzlerin.de) wird 10.000- bis 20.000-mal angeklickt. Die Linke ist seit April bei YouTube vertreten, Katja Kippings Hartz-IV-Rede - das bestgeklickte Video der Linken - wurde 1.000-mal gesehen. Das Umweltministerium bietet www.mein-umweltblog.de an, das Arbeitsministerium den Blog www.generationenarbeit.de.

Die Studie "Regierungskommunikation 2.0" von berlinpolis, die in diesen Tagen veröffentlicht wird, bescheint den deutschen PolitikerInnen dennoch, im internationalen Vergleich hinterherzuhinken. "Was die Nutzung interaktiver Medien wie Podcasts, Vodcasts, Internetforen und Weblogs angeht, fällt Deutschland deutlich hinter Frankreich und die Niederlande zurück." In Frankreich sei spürbar, dass die öffentliche Meinung wichtiger werde - dank der genutzten Möglichkeiten des Web 2.0. In den Niederlanden ermögliche die neu gegründete Internet Partij Nederland ihren Mitgliedern etwa, online die Agenda festzulegen; sollte die Partei es ins Parlament schaffen, müssen sich ihre Vertreter daran halten. In der Studie heißt das "basisdemokratischer Web-2.0-Gründergeist".

In Deutschland dagegen sei Dialogbereitschaft nur in Ansätzen zu erkennen - die Gesundheitsreform etwa würde zu wenig über interaktive Elemente vermittelt. Die Kommunikation erfolge, bei Ausnahmen, nach wie vor vor allem von oben nach unten.

"Demokratietheoretisch betrachtet, könnten die Netzwerkmedien eine Pluralisierung der Öffentlichkeit 'von unten' ermöglichen", heißt es in der Studie. Sie fordert eine "Neukonzeption von Regierungsportalen und Kommunikationswegen". Über 60 Millionen Deutsche sind online. Der virtuelle Marktplatz ist groß geworden.

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