Flugzeugabsturz im Kongo: Inferno im Slum
Bei einem Flugzeugabsturz über einem Wohngebiet in Kinshasa sind zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Kongo ist Weltspitze bei Flugzeugunglücken.
In Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, hat ein Flugzeugabsturz zahlreiche Tote gefordert. Die Frachtmaschine des russischen Typs Antonow-26 stürzte gestern gegen 11 Uhr vormittags beim Start vom Flughafen Ndjili im Südosten der Stadt in ein dichtbesiedeltes Gebiet des Wohnviertels Kingasani und explodierte, berichteten Augenzeugen nach Angaben des UN-Rundfunks Radio Okapi.
Genaue Angaben zu den Opferzahlen gab es zunächst nicht, aber sowohl Kongos Regierung als auch die UN-Mission im Kongo (Monuc) sprachen gestern Nachmittag von "vielen" Toten. Die Maschine berührte zehn Gebäude, fiel dann unweit eines belebten Marktes zu Boden und explodierte mitten in den Häusern. Den Rundfunkangaben zufolge standen noch eine Stunde nach dem Absturz drei Straßenzüge mit zehn Häuserkomplexen in Flammen. Feuerwehr sei da immer noch nicht zur Stelle gewesen.
"Ich sehe brennende Häuser und verkohlte Leichen", wurde ein Augenzeuge in Radio Okapi zitiert. Der Markt sei zum Zeitpunkt des Absturzes voller Menschen gewesen. Einem Bericht zufolge schnitt das Flugzeug eine "Schneise der Zerstörung". Wrackstücke und Teile zerstörter Gebäude verteilten sich über ein weites Gebiet, das nach dem Unglück unter einer dichten Rauchwolke lag. Vizegesundheitsminister Ferdinand Ntua sagte gegenüber Journalisten am Unfallort: "Es hat schwere Schäden gegeben, und es gibt viele Tote, aber wir haben noch keine Zahlen."
Ein Polizist erklärte gegenüber einer Nachrichtenagentur: "Es gibt keine Überlebenden. Das Flugzeug ist völlig ausgebrannt. Wir wissen noch nicht, wie viele Leute in den getroffenen Häusern waren." Kingasani ist ein Slumviertel voller leicht entzündbarer Holzhütten und zumeist ohne befestigte Straßen.
Das Flugzeug der Linie "Africa One" war auf dem Weg aus Kinshasa in die Stadt Tshikapa nahe der angolanischen Grenze in der Provinz Westkasai im Südwesten des Landes, ein Zentrum des Diamantenhandels, das nur auf dem Luftweg problemlos zu erreichen ist. Viele Händler aus Tshikapa reisen mit Diamanten zum Export nach Kinshasa und fliegen mit Konsumgütern zurück in die Heimat. Offiziell trug die Maschine neben Fracht auch 14 Passagiere sowie eine fünfköpfige russische Besatzung. Sie waren offenbar beim Absturz sofort tot. Aber es wurde vermutet, dass sich noch zahlreiche weitere Menschen an Bord befanden, die nicht deklariert waren. Die UN-Mission, die mit ihrer Feuerwehr schließlich nach Kingasani ausrückte, sprach von 25 toten und zwei überlebenden Flugzeuginsassen.
Die Absturzursache war zunächst nicht bekannt, aber es wurde berichtet, die Maschine sei überladen gewesen. Im Kongo kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen auf den maroden und seit Jahrzehnten nicht mehr modernisierten Flug-, Bahn- und Schiffslinien des Landes. Sämtliche Fluglinien des Kongo stehen auf der Schwarzen Liste der EU und sind von europäischen Flughäfen ausgeschlossen; Ausnahme ein einziges modernes Passagierflugzeug.
Es ist nicht das erste katastrophale Flugzeugunglück in der Sechsmillionenstadt Kinshasa. 1996 hatte ein ähnlicher Flugzeugabsturz an Kinshasas Inlandsflughafen Ndolo rund 350 Tote gefordert, weil eine überladene Maschine nicht abhob und stattdessen in einen vollen Markt raste.
In den vergangenen Jahren sind Unfälle mit altersschwachen Antonow-Frachtmaschinen, die nach der Ausmusterung in der ehemaligen Sowjetunion nach Afrika verkauft werden, im Kongo häufig geworden. Erst am 7. September war eine Antonow beim Landeanflug auf den Flughafen von Goma im Osten des Landes explodiert, am 27. August zerschellte eine Antonow in der Stadt Kongolo. Afrika macht nur 4 Prozent des globalen Luftverkehrs aus, aber 12 Prozent der globalen Flugunfälle, die Hälfte davon entfällt auf den Kongo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!