bezirksfinanzen: "Selbst das Minimum ist in Frage gestellt"
Wegen der Sparvorgaben des Senats können die Bezirke die von den Bürgern erwünschten Dienste nicht mehr anbieten, sagt Franz Schulz, grüner Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg.
taz: Herr Schulz, warum schlagen Sie Alarm?
Franz Schulz: Die Bezirke befinden sich in Gänze in einer immer deutlicher werdenden Abwärtsspirale. Sie ist maßgeblich durch die rigorosen Sparvorgaben des Senats verursacht.
Was meinen Sie damit?
Die Bezirke sind durch den vorgegebenen Personalabbau des Senats an dem Punkt, wo sie ihre Aufgaben nicht mehr bürgerorientiert erledigen können.
Ein Beispiel?
Die Menschen möchten, dass das Bürgerbüro am Samstag geöffnet ist. Politisch ist das auch gewollt. Durch die Kürzungen ist es aber nicht mehr umsetzbar. Oder: Aus guten Gründen gibt es in den Bezirken nicht nur eine zentrale Bibliothek, sondern auch dezentrale Bibliotheksangebote. Das wurde in den letzen Jahren auf ein Minimum heruntergefahren. Selbst dieses Minimum ist nun in Frage gestellt.
Die Zeit ist vorbei, in der die Kommune für eine soziale und kulturelle Infrastruktur sorgt?
So viel auf jeden Fall kann man feststellen: In allen Bezirken werden dezentrale Angebote abgebaut. Das widerspricht der Idee, dass die Verwaltung ein Dienstleister ist.
Warum aber geht nur die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg auf die Barrikaden?
Eine gute Frage. Die Notlage wird in den anderen Bezirken genauso wahrgenommen wie bei uns, in manchen ist sie sogar noch schlimmer, aber man hat Angst, dass man in die vorläufige Haushaltswirtschaft gerät.
Was ist das?
Eine vornehme Umschreibung dafür, dass die Finanzverwaltung einen Sparkommissar einsetzt.
Ähnlich ist es doch in Friedrichshain-Kreuzberg: Sie haben einen Haushaltsplan mit Lücken gemacht. Der wird vom Senat als Wirtschaftsgrundlage für die Finanzierung genommen.
So stimmt das nicht ganz. Unser Haushaltsplan wird dem Abgeordnetenhaus vorgelegt. Da er jedoch Lücken aufweist in Form von 5,5 Millionen sogenannter pauschaler Minderausgaben, also nicht eingebrachter Einsparungen, sind die Mitglieder des Abgeordnetenhauses direkt mit der Unterfinanzierung der Bezirke konfrontiert. Das Vorgehen der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksverordneten ist ein Signal, dass sie eine Diskussion mit den Abgeordnetenhausmitgliedern wollen und brauchen.
Was heißt "pauschale Minderausgaben"?
Friedrichshain-Kreuzberg hat 2008 ein Defizit von 12 Millionen Euro. Davon konnten wir etwa 6,5 Millionen durch Einsparungen erbringen. Es bleiben 5,5 Millionen übrig. Die stehen nun im Haushalt als "pauschale Minderausgaben" drin, müssten aufgelöst werden, aber niemand weiß, wie man das Geld sozialverträglich einsparen kann.
So haben Sie das den Bezirksverordneten vorgelegt?
Die Bezirksverordneten haben zu Recht gefragt: Was sollen wir mit einem Haushalt, der ein Defizit ausweist, das nicht aufgelöst werden kann. Sie haben ihn sich genau angeschaut und auch nichts gefunden, wo man sparen kann. Deshalb haben sie ihn am Ende abgelehnt.
Was ist aus Ihrer Sicht der nächste Schritt?
Wichtig ist die Diskussion mit dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am 14. November.
Worauf muss das rauslaufen?
Ein wesentlicher Punkt ist: Der pauschalisierende Stellenabbau bei den Bezirken muss beendet werden. Wenn der Senat neue Aufgaben auf die Bezirke abwälzt, wie etwa beim Elterngeld, dem Kinderschutznetzwerk, der Umweltzone, dann muss er auch das dafür nötige Personal finanzieren. Mittlerweile können ja nicht einmal mehr die Schuleingangsuntersuchungen flächendeckend gemacht werden. Das geht natürlich überhaupt nicht.
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