piwik no script img

Kolumbien wähltUribes Konservative abgestraft

Bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Kolumbien sind Unabhängige und Linke auf dem Vormarsch.

Als Guerilla-Sympathisant diffamiert: Bogotás künftiger Bürgermeister Moreno Rojas. Bild: rtr

PORTO ALEGRE taz Kolumbiens Linke freut sich: Der nächste Bürgermeister der 8-Millionen-Metropole Bogotá heißt Samuel Moreno Rojas. Der 47-jährige Politiker von der Linkspartei Demokratischer Alternativer Pol siegte am Sonntag überraschend klar mit 43,7 Prozent. Der Favorit des Establishments, der frühere Bürgermeister Enrique Peñalosa, kam nur auf 28,2 Prozent. Der konservative Präsident Álvaro Uribe hatte den linken Exsenator Moreno Rojas in den Tagen vor der Wahl mehrfach als Guerilla-Sympathisanten diffamiert und ihm offenbar gerade dadurch neuen Zulauf verschafft.

Mit diesem Ergebnis ist die zivile Linke für die Präsidentenwahl 2010 gut aufgestellt. "Wir sind nicht aufzuhalten", jubelte Parteichef Carlos Gaviria am Wahlabend. Mit seiner "verfassungswidrigen, kleinkarierten, plumpen Kampagne" habe Uribe den Triumph des "Pols" in der Hauptstadt perfekt gemacht. Morenos prominenter Parteifreund, der Exguerillero, Exminister und Exsenator Antonio Navarro Wolff (59), wird Gouverneur der Provinz Nariño. In Medellín gewann Soziologe und Buchautor Alonso Salazar, in Cali der linke Arzt Jorge Iván Ospina - beides unabhängige Kandidaten. Besonders bemerkenswert sind die Wählerwanderungen in der Karibikregion. Dort unterlagen zahlreiche Politiker, denen Verbindungen zu den rechtsextremen Paramilitärs vorgeworfen werden. Gouverneur der Provinz Cesar etwa wird der unabhängige Grüne Cristian Moreno (40) . 2003 hatte der dunkelhäutige "Kandidat der Armen" noch auf Druck der Todesschwadronen seine Kandidatur zurückziehen müssen. Der damalige Wahlsieger sitzt heute wegen seiner "Para-Connections" im Gefängnis. Bis Ende des Jahres könnten bis zu 60 Politiker sein Los teilen, schätzen Beobachter.

Die beiden Traditionsparteien Kolumbiens, die Liberalen und die Konservativen, verloren weiter an Boden. Bei den Gouverneurswahlen setzten sich allerdings immer noch mehrheitlich Verbündete Uribes durch.

Über die Hälfte der 27 Millionen Wahlberechtigen blieben zu Hause, denn in vielen ländlichen Regionen hatte bewaffnete Gruppen die Wähler eingeschüchtert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • GD
    Gerhard Dilger

    Lieber Don Miguel,

     

    danke für Ihre Anmerkungen.

     

    Die Überschrift ist schief, das stimmt.

     

    Sie haben zu Recht die Erfolge der Justiz gegen die "Parapolitiker" hevorgehoben. Ob man diese flug gleich dem Präsidenten zugute halten sollte, wage ich allerdings zu bezweifeln. Wenn Sie die taz regelmäßig lesen, werden Sie bemerkt haben, dass Herr Uribe von uns keineswegs "verteufelt", sondern kritisch beoachtet wird - wie übrigens auch seine "linken" südamerikanischen Kollegen.

     

    Ihre Vorbehalte gegen "vorgefasste, ideologisch motivierte Meinungen und Analysen" teile ich voll und ganz.

     

    Beste Grüße aus Porto Alegre

     

    Gerhard Dilger

  • M
    Miguel

    Die Überschrift ist irreführend. Uribe gehört nicht der Konservativen Partei an. Die Konservative unterstützt Uribe, wie viele andere, aber sie ist nicht seine Partei.

     

    In Bogota wurde Uribe selbst abgestraft, da er sich offen gegen Moreno stellte und abriet diesen zu wählen.

     

    Seine Partei, "Partido de la U" stellt im Parlament Bogotas aber die gleiche Zahl an Abgeordnete wie der Polo. Gemeinsam mit anderen Uribefrundlichen Parteien, stellen sie also die Mehrheit, mit der oder gegen die Samuel Moreno regieren wird. Uribes Partido de la U wurde also nicht erkennenswert abgestrafft, da sie wie auch der Polo die traditionell starken Parteien der Liberalen und Konservativen hinter sich ließen. El Partido de la U machte von sich reden, als sie kurz vor den Wahlen eine zweite Wiederwahl Uribes vorschlugen. Geschadet hat ihnen das nicht, wie man sieht.

     

    Kolumbienweit haben die Konservativen nach den Liberalen die meisten Abgeordneten durchsetzen können, nähmlich 76 (Liberale 103). Der Polo liegt an fünfter Stelle mit 21 Abgeordneten. Dies ist, gemeinsam mit dem hohen Sieg des Kandidaten des Polos in Bogota ermunternd für ein gutes Abschneiden in 2010.

     

    Interessant in ihrem Artikel die kleinen Nebensätze über das Los der in der Parapolitik verwickelten Senatoren und Abgeordneten und dass bei diesen Wahlen sie die eigentlich abgestraften zu sein scheinen. Interessant, weil ihre Zeitung es bisher gerne übersah, dass die Amtszeit Uribes vielen der seit Jahrzehnten, also auch vor Uribe, mächtigen Parapolitiker ins Gefägnis gebracht hat und damit wie sie richtig feststellen, Politikern half, die von den Paras bisher eingeschüchtert und bedroht wurden. Ungewollt haben sie damit einen Erfolg der Justiz in der Amtszeit des verteufelten Uribe heraus gehoben.

     

    So ist das nun mal in Kolumbien. Die deutsche Politik-Arithmetik ist nicht anwendbar. Es ist nicht alles so wie es erscheint.

     

    Samuel Moreno, der Kandidat des linken Polo Democratico ist da ein folklorisches Beispiel

    In Deutschland (und vielen Teilen der Welt) wäre es undenkbar, dass der leibliche Enkel des einzigen Diktators den das Land bisher hatte, General Rojas Pinilla, bei einer linken Partei so große Unterstützung hat. Insbesondere da er richtig erkannte, dass er Punkte macht, wenn er sich als eine Wiederbelebung der ANAPO (die Partei die sein Opa gründete und eine seltsame Mischung aus einem rechten Sozialismus und Nationalismus war) verkauft und neuerdings immer öfter mit einem Foto seines Opas im Hintergrund fotografiert wird.

     

    Hui, was sagt man bei der TAZ dazu?

     

    Wenn ich die Herkunft Morenos erwähne, so nicht um meine Befürchtung über seine Amtszeit zu äußern. Er ist ein unbeschriebenes Blatt was in exekutiven Aufgaben, aber seine Partei der Polo hat durch den scheidenen Bürgermeister Lucho Garzón gezeigt, dass sie sehr verantwortliche und gute Leute hat. Ich stelle den politischen und familiären Hintergrund Morenos nur deswegen in den Vordergrund um klar zu machen, dass in Kolumbien sowohl auf seiten der Uribistas, wie auch auf Seiten der Uribe-Gegner vieles einfach nicht in die deutsche Parteien-Logik passt und daher vorgefasste, ideologisch motivierte Meinungen und Analysen mit Sicherheit voll daneben liegen werden.

     

    Herzliche Grüße aus Bogota

     

    Miguel