piwik no script img

Erholung am KlosterstrandIn Klausur mit Seeblick

Urlaub im Kloster wird von den Barmherzigen Schwestern in Hegne am Bodensee schon lange angeboten. Ein Hotel mit spirituellem Rahmenprogramm erweitert nun das Angebot. Das geschmackvoll eingerichtete Haus mit seinen christlichen Preisen bietet Auszeit für unterschiedliche Reisebudgets

Idylle am Bodensee Bild: Kloster Hegne

Buchtipps

Literatur zum Kloster: Besonders zu empfehlen sind zwei Titel von Hanspeter Oschwald, die bei Herder Spektrum erschienen sind.

"Kloster auf Zeit - Antworten auf die 50 häufigsten Fragen" (8,90 Euro). Dagegen ist "Der Klosterurlaubsführer" (9,90 Euro) eine gelungene Mischung aus Hintergrundinformationen, Erfahrungsberichten und einem ausführlichen, kommentierten Adressverzeichnis.

"Such dir deinen Himmel" von Johannes Pausch und Gert Böhm, erschienen im Kösel-Verlag (14,95 Euro), ist ein Buch zum Schmökern über die Realität des Klosterlebens und die zum Teil sehr persönlichen Erfahrungen von Besuchern.

Gesegnet ist die Bodenseeregion ohnehin. Hier munden die Spätzle auch noch in der unscheinbarsten Gastwirtschaft, der Wein ist süffiger Badener, die frischen Bodensee-Fellchen werden in feiner Butter gebraten. Die Regionalbahn von Radolfzell in Richtung Konstanz fährt vorbei an schmucken Fachwerkdörfern, üppigem Grün und immer wieder am See entlang. Entspannung für die Sinne - nicht nur jetzt im Spätherbst, wenn die Laubwälder bunt leuchten und es der Sonne gelingt, den Novembernebel am See zu durchdringen. Bei guter Sicht sieht man dann vom Ufer die Schweizer Berge. Das Kloster Hegne, einst Sommersitz des Bischofs von Konstanz, liegt in weißer Pracht im Park am Hang. Ein riesiges Areal mit Türmen, Erkern und Kapelle. Seeblick inklusive.

Walter Baumann, der seine kranke Frau in der Demenzstation des Klosters untergebracht hat, nutzt seinen Aufenthalt im neu gebauten Klosterhotel für den Kurs "Stille Tage". Schwester Edith leitet ihn in der Tracht der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz. Früher war die Nonne Dozentin an der klostereigenen Erzieherschule, dem Marianum. Heute bietet sie Selbstfindung und Selbsterfahrung in Wochenendkursen durch die Lektüre des Evangeliums, die Meditation mit Bibelworten oder anderen religiösen Exerzitien an. "Die Kurse werden gut angenommen. Vor allem Besucher und Urlauber aus der Region kommen. Religiöse und Nichtreligiöse" sagt Schwester Edith.

Der Rentner Walter Baumann aus Freiburg kennt Hegne schon seit 1934. "Damals habe ich zum ersten Mal hier Urlaub gemacht, zusammen mit meiner Mutter", erzählt er beim Frühstück. Auch Frau Bacher, die Kauffrau aus Singen, kommt seit Jahren mit ihrer Familie hierher: "Das ist die reine Erholung für mich. Ich fahre nicht gerne in die Ferne." Urlaub im Kloster, Kloster auf Zeit: Diese Auszeitmodelle sind nicht neu und werden auch von den Barmherzigen Schwestern in Hegne schon lange angeboten. Erst ein Jahr alt ist allerdings das Hotel Sankt Elisabeth. Das Vorgängerhaus war ein reines Gäste- und Exerzitienhaus. Der Neubau mit seinen 65 Zimmern hat nichts von karger Klosterzelle. An Armutsgelübde denkt hier keiner. Das Drei-Sterne-Gästehaus bietet alles, was ein Vier-Sterne Haus ausmacht - abgesehen von einer rund um die Uhr besetzen Rezeption und einer Bar in der Lobby, Kriterien für den vierten Stern. Darüber hinaus hat das Haus für jedes Reisebudget die passende Unterkunft: großzügige Zimmer mit eigenem Bad oder einfache Zimmer mit Etagendusche. Die Preise sind durchaus christlich. Dass nicht nur die Planung, sondern auch die Leitung des Hauses in professionelle Hände gehört, war den Schwestern klar. Dazu wurde eigens eine Hotelbetriebs GmBH gegründet.

Fast alle der geschmackvoll und mit hochwertigen, natürlichen Materialien eingerichteten Zimmer haben Blick zum See. Buchenholz, Parkett, dezente Grau-, Braun- und Weißtöne, dazwischen Farbtupfer wie etwa ein roter Sessel oder modernen Gemälde an den Wänden. Klare Linien, lichtdurchflutete Räume mit hohen Fenstern, kitschfrei. Das Angebot wird von Urlaubern, Radwanderern oder Tagungsgästen gleichermaßen genutzt. "Wir hatten in diesem ersten Jahr schon über 67 Prozent Auslastung. In den Sommermonaten kommen auch Familien mit Kindern", sagt Schwester Edith. Kein Wunder: Zum hauseigenen Strand mit Bootsverleih ist es nicht weit.

Auch wer sich für einige Zeit in Stille und Meditation mit den Schwestern üben will, ist willkommen. Altersheim, Demenzstation, Realschule, Erzieherausbildung und das Hotel mit spirituellem und sportlichem Rahmenangebot - das Kloster bietet fürwahr ein integriertes Konzept des Zusammenspiels in Zeiten gesellschaftlicher Separation und Isolation. Hier gibt es noch Berührungspunkte, selbst zwischen Alt und Jung.

Schlittschuhlaufen am klostereigenen Ufer Bild: Kloster Hegne

"Das Bedürfnis der Zeit ist der Wille Gottes." Gemäß diesem Leitspruch des Ordensgründers Pater Theodosius führen die Schwestern ihren mittelständischen Betrieb. Zur Zeit der Industrialisierung gründete der Pater vor 150 Jahren den Orden, um die um sich greifende Not zu lindern. Armut und Not sind immer noch im Blickfeld auch des modernisierten Klosterbetriebs. Das frühere Pilgerdomizil dient heute als Anlaufstelle für Obdachlose, die sich hier waschen, stärken und frisch einkleiden können. Schwester Edith betont: "Die Zahl der seelisch Obdachlosen nimmt immer mehr zu." Geborgenheit sei das große Bedürfnis der Zeit. Zum Bedürfnis der Zeit passt es auch, dass sich die Novizinnen nun verstärkt für den Umweltschutz engagieren wollen. Als Schwerpunkte stehen Energiegewinnung, Landwirtschaft und eigener biologischer Lebensmittelanbau auf den Ländereien des Klosters zur Diskussion. Außerdem wollen die Schwestern prüfen, ob interessierte Frauen im Kloster längere Zeit mitleben können, ohne Nonne zu werden. Das war bislang nicht möglich. Auch das ein Zugeständnis an die Zeit: Von den ehemals 1.200 Schwestern auf Hegne leben noch 200 Schwestern im Kloster, 150 arbeiten außerhalb. Das Durchschnittsalter beträgt 73 Jahre. "Wir müssen Arbeitskräfte von außerhalb des Klosters schulen. Damit die Arbeit hier im Sinne des Ordens weitergeführt werden kann", sagt Schwester Edith. Inzwischen arbeiten genauso viele Angestellte im Kloster, wie es Nonnen gibt. "Natürlich ist das traurig, dass wir keinen Nachwuchs haben, aber das ist nicht nur in unserem Orden so", sagt Schwester Edith.

In ihren Kursen zitiert sie häufig den Shooting Star der klösterlichen Lebenshilfe, den Benediktinermönch Anselm Grün. Der hat in der Verlagsreihe seines Klosters Münsterschwarzach inzwischen viele schmale Bändchen veröffentlicht, die teils meditativ, teils aus dem Wissen der ersten Mönche schöpfend, teils tiefenpsychologisch orientiert sind. "Vergib Dir selbst" heißt ein Band. "Wege zur Freiheit" lautet ein weiterer Titel. Auch in Hegne beschäftigen sich die Kurse mit existenziellen Fragen: mit der Sehnsucht nach einem gelingenden Leben, mit Trauerarbeit, aber auch damit, was eine gute Chefin ausmacht. Schwester Edith sagt in ihrem Besinnungskurs: "Es geht nicht um Schuld, sondern um Entwicklung." Ein wahrhaft vorwärtsweisender Leitspruch in tiefkatholischen Gefilden. Das Evangelium lebensbejahend. Der methodischer Ansatz von Schwester Edith jedenfalls richtet sich auf das Diesseits. Sie ist eine resolute, aufgeschlossenen Frau mit kritischem Blick auf die Welt an sich und die "Männerkirche" im Besonderen. Was sie glaubwürdig macht, ist die Tatsache, dass sie wie die anderen Nonnen auch mitten im Leben steht. Die jüngeren Schwestern arbeiten draußen als Gemeindeschwestern, in Krankenhäusern und Kindergärten. Jahrgänge von Jugendlichen hat Schwester Edith in der pädagogischen Arbeit mit Kindern ausgebildet und begleitet. "Mit großem Spaß daran", versichert sie. Weltfremd mutet in Hegne allenfalls die Verehrung mancher Pilger an, die zur Krypta der heiliggesprochenen Schwester Ulrika kommen. Sie wirkte und starb hier im Koster.

Kirchenmänner und Gelehrte, kunstsinnige Mönche sowie Meister der Malerei und der Schmiedekunst haben die von der Unesco als Weltkulturerbe geadelte Bodensee-Insel Reichenau weltweit bekannt gemacht. Sie ist von Hegne aus zu sehen und gerade mal einen Kilometer Luftlinie entfernt. Die Reichenau blickt auf eine über 1.300-jährige Siedlungsgeschichte zurück. Auf Kunst im Kloster setzt auch Hegne. Im Haus Elisabeth finden regelmäßig Ausstellungen zeitgenössischer Kunst statt. Abstrakte Gemälde verschönern auch die Zimmer. Das Kloster Hegne - ein mittelständisches, modernes Unternehmen mit spiritueller Corporate Identity. Das bietet zumindest etwas Schutz vor der durchökonomisierten Welt. Die Sehnsucht danach ist groß.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!