Studie entlarvt Regierung: Ärmer durch Hartz IV
Eine Studie belegt, was die rot-grüne Regierung immer leugnete: Hartz IV führt zu Verarmung. Vor der Reform lebte die Hälfte der Empfänger unter der Armutsgrenze, jetzt zwei Drittel.
BERLIN taz Die Hartz-IV-Reformen haben viele Arme noch ärmer gemacht. Das ergibt eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Lebten vor der Reform rund die Hälfte der Leistungsempfänger unter der Armutsgrenze - so sind es inzwischen zwei Drittel.
Was die DIW-Studie so besonders macht: Erstmals wird untersucht, was die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab 2005 für einzelne Gruppen bedeutet. Dabei stellte sich heraus, dass die Reform vor allem die Haushalte ohne minderjährige Kinder belastet hat. Alleinerziehende hingegen schneiden vergleichsweise gut ab. In der Summe ergibt sich, dass mehr als die Hälfte aller Leistungsempfänger Einkommenseinbußen hinnehmen mussten. Nur ein Drittel wurde besser gestellt. "Insgesamt fielen die Verluste jedoch höher aus als die Gewinne", bilanziert die Studie.
Die Betroffenen haben schon immer gewusst, dass die Hartz-Reformen reale Kürzungen bedeuten. Doch seitens der Regierung wurde dies lange beharrlich geleugnet. Ein geradezu absurder Höhepunkt wurde erreicht, als der ehemalige Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) im Herbst 2005 in einer 33-seitigen Broschüre den Langzeitarbeitslosen pauschal vorwarf, viele von ihnen seien Sozialschmarotzer und würden die "Melkkuh Sozialstaat" ausplündern. Auch der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering und Kanzlerin Angela Merkel schlossen sich damals dieser Einschätzung an.
Die nüchternen Zahlen für 2005 lesen sich anders. Das DIW hat sie mit Hilfe des Sozioökonomischen Panels erhoben, das in einer repräsentativen Langzeituntersuchung 12.000 Haushalte begleitet. Einkommensverluste mussten vor allem die Langzeitarbeitslosen in Ostdeutschland hinnehmen: 2005 stand dort einer Person in einem ALG-II-Haushalt nur noch 8.840 Euro zur Verfügung - vor der Reform 2004 waren es noch 10.390 Euro gewesen. Die ostdeutschen Haushalte waren so stark betroffen, weil dort mehr Frauen arbeiten und daher häufiger das Erwerbseinkommen des Partners angerechnet werden konnte.
Kürzungen mussten auch die Sozialhilfeempfänger hinnehmen, zu denen seit 2005 nur noch jene Hilfsbedürftigen zählen, die nicht erwerbsfähig sind. Für Gesamtdeutschland gilt, dass ihr mittleres Einkommen von rund 9.240 Euro 2004 auf 7.170 Euro im Jahr 2005 gesunken ist.
Inzwischen hat die Regierung weitere Kürzungen bei den Hartz-IV-Empfängern beschlossen: Ab Januar wird der Regelsatz bis zu einem Drittel gekürzt, wenn Langzeitarbeitslose ins Krankenhaus müssen. Die Begründung: Sie würden ja Kosten für Lebensmittel sparen. Für einen kranken Alleinstehenden bedeutet dies ein Minus von rund 121,45 Euro im Monat. Und auch für Selbstständige wird das Leben härter, falls sie auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen sind: Sie müssen sich jedes Geschäftsessen oder jeden Anzug einzeln von ihrem Fallmanager genehmigen lassen.
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