Vernebeltes Verbot: Im Club der einsamen Raucher
Mit exklusiven Rauchervereinen wollen findige Wirte das neue Nichtraucherschutzgesetz umgehen. Wer trinken will, braucht bei ihnen zuerst einen Mitgliedsausweis. Ordnungsamt: Dieser Trick zieht nicht.
Einige Berliner Gastronomen glauben, dass sie eine wirkungsvolle Möglichkeit entdeckt haben, das seit Jahresbeginn geltende Nichtrauchergesetz umgehen zu können. Sie erklären ihre Kneipen einfach zu Raucherclubs.
So auch Barbara Palm, Inhaberin der Kneipe "Heide 11" in Kreuzberg. Die Mehrheit ihrer Gäste sind Raucher. Sie befürchtet dramatische Umsatzeinbußen, weil die Gäste wegen des Nichtrauchergesetzes ausbleiben könnten. Nach viermonatiger Recherche entdeckte die findige Wirtin eine vermeintliche Lücke im Gesetz. "Das Nichtrauchergesetz gilt für öffentlich zugängliche gastronomische Einrichtungen. Daraufhin habe ich meine Kneipe zum Club umdeklariert", so Palm. Nun könnten nur noch Mitglieder hereinkommen. "Die Heide 11 ist nicht mehr öffentlich zugänglich."
In der Praxis muss der Gast zunächst an der Tür klingeln, um in die Raucherkneipe eintreten zu können. Wenn er nicht schon über einen Mitgliedsausweis verfügt, so bekommt er vor Ort einen ausgestellt. Dann kann er in der Heide 11, die nach der nahen Hasenheide benannt ist, sein Bier trinken und dabei qualmen wie immer. Bisher haben nach Palms Aussage 87 Raucher das Angebot genutzt - vor allem Stammgäste. Die Wirtin ist sich ihrer Sache sicher: "Ich halte mich an das Nichtrauchergesetz und kann meine Unternehmungen anhand dieses Gesetzes klar begründen."
Mindestens zwei weitere Kneipen in Berlin versuchen auf die gleiche Weise, das umstrittene Nichtrauchergesetz zum umgehen. Bei den Behörden sieht man den Vorstoß kritisch. Johannes Spatz von der Plan- und Leitstelle Gesundheit für die Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg ist überzeugt, dass es keine Möglichkeit gebe, das Rauchverbot zu umgehen: "Unsere Juristen haben uns bestätigt, dass auch ein Verein ein Ort der Öffentlichkeit ist und zudem über keine stabile Mitgliederzahl verfügt." Somit gelte das Rauchverbot auch für Vereine, da sie öffentlich zugänglich seien und jeder Mitglied werden könne.
Auch Marlies Meunier, Leiterin des Wirtschafts- und Ordnungsamtes Friedrichshain-Kreuzberg, bezweifelt, dass das Rauchverbot durch die Bildung eines Vereins umgangen werden kann. "Das Rauchverbot gilt für alle Schank- und Gaststätten. Wenn ein Verein eine entgeltliche Bewirtung anbietet, fällt er ebenso unter das Nichtrauchergesetz. Auch eine Kontrolle an der Tür ändert daran nichts." Dennoch gibt sie zu, dass sie sich zunächst mit der Lage genauer auseinandersetzen müsse. Bis Juli würden aber Lösungen gefunden, diese Umgehungen zu verhindern. Den Ordnungsämtern seien mehrere dieser Rauchervereine bekannt, die ab Juli unter die Lupe genommen werden. Ab dann sollen Verstöße gegen das Nichtrauchergesetz mit Bußgeldern geahndet werden.
Spannend wird auch sein, ob es wirklich zu drastischen Einnahmeausfällen kommt, wie von Barbara Palm befürchtet. Johannes Spatz macht ihr Mut. "Am Beispiel Irland erkennt man, dass das Rauchverbot ganz im Gegenteil zu Umsatzsteigerungen führt, weil sich neue, nichtrauchende Gäste in die Kneipen wagen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Linkspartei nominiert Spitzenduo
Hauptsache vor der „asozialen FDP“
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal