: Machs noch einmal, Thilo!
Beamte, Hartz-IV-Empfänger und Schüler haben schon den Zorn des Finanzsenators erregt. Doch es gibt mehr Gruppen, die sich Thilo Sarrazin mal so richtig vorknöpfen könnte. Die taz macht ein paar Vorschläge.
Thilo "Endlich sagts mal einer" Sarrazin hat wieder zugeschlagen: Am Wochenende traf es die Schüler (zweitgrößter Posten im Berliner Haushalt): Sie hätten sogar mit Abschluss weniger drauf als bayerische Schüler ohne Abschluss, sagte Sarrazin. Böswillige Zungen unterstellen dem Senator nun einen Hang zum verbalen Amoklauf.
Dieser Vorwurf ist völlig abwegig. Sarrazin sieht sich als Mahner, der die trägen Hauptstädter aus ihrer sozialen Hängematte hochjagt - und teilt kräftig aus. Seitdem der SPD-Finanzsenator vor sechs Jahren sein Amt antrat, hat er keine Gelegenheit ausgelassen, seinen Kostgängern die Meinung zu sagen: Beamte haben Mundgeruch, Hartz-IV-Empfänger sind zu doof zum Kochen und deshalb zu fett. Doch offenbar braucht Berlin noch stärkere Reize: Noch immer ist es Hauptstadt der Armut, und "Berliner Verhältnisse" an Schulen sind eine Warnung, kein Kompliment. Ganz klar: Der einsame Streiter Sarrazin braucht Unterstützung. Die taz hilft mit und nimmt für ihn weitere Opfer ins Visier: Attackeeee!!!
Gewerkschaften sind ein Grundübel Berlins, und am übelsten ist der Haufen, der sich Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft schimpft. Wenn sie sich nicht gerade auf der Sonnenterrasse ihres von Mitgliedsbeiträgen errichteten Protzbaus am Spreeufer aalen, "arbeiten" diese Funktionäre daran, arbeitende Menschen am Arbeiten zu hindern. Sie überziehen Berlin mit Streiks - in Kitas, Ämtern, bei der Müllabfuhr und den Verkehrsbetrieben. Herr Sarrazin, fordern Sie deshalb: Gewerkschafter und Betriebsräte dürfen nicht mehr von ihrer eigentlichen Tätigkeit freigestellt werden, sondern sollen arbeiten und ihre Arbeitskämpfe nach Feierabend planen.
Es gibt in Berlin zu viele jugendliche Migranten. In den Knästen ist kaum noch Platz für sie - über 300 DelinquentInnen mussten im vergangenen Jahr abgewiesen werden. Herr Finanzsenator, setzen Sie durch: Jeder jugendliche Gewalttäter soll seinen Platz im Knast künftig selbst bezahlen. 90 Euro pro Tag für das Einzelzimmer mit Vollpension - das schreckt ab.
Berlin bezahlt überdurchschnittlich viele Lehrer, ist besser versorgt als Bremen oder Hamburg, und trotzdem haben wir mehr Schulschwänzer und -Versager (siehe Kasten) als andere Länder. Wie sollen unsere Kinder Disziplin und Ordnung lernen, wenn sie von einem Haufen Wehrdienstverweigerer und WG-Schluffis unterrichtet werden? Gefreiter Sarrazin, befehlen Sie: Wehrpflicht für alle Lehramtsanwärterinnen und -anwärter. Die sollen selbst erst mal auf Pflichterfüllung gedrillt werden.
Mehr als 5.000 KünstlerInnen soll es in Berlin geben - Tendenz steigend. TräumerInnen aus aller Welt profitieren vom billigen Wohnraum der Hauptstadt - und lassen sich auch noch vom Senat bezahlen: 2006 gab Berlin über 4 Millionen Euro für Atelierförderung und Stipendien aus. Von den staatlich subventionierten Museen ganz zu schweigen. Zugegeben: Durch die vier Kunstmessen im Jahr kommt auch wieder was rein. Aber das reicht nicht, um aus dem Kunststandort Berlin ein Geschäft zu machen. Herr Sarrazin, fordern Sie die Künstler zu marktorientiertem Handeln auf! Statt nach staatlichen Kunsthallen zu schreien sollten sie selbst Sponsoren auftun. Leuchtendes Vorbild ist der Hamburger Bahnhof: Wer lieb zu Mäzenen ist, bekommt auch was geschenkt!
Rund 14 Millionen Menschen in Deutschland sind Weicheier. PollenallergikerInnen lassen sich von Birken, Gräsern und Weiden in die Knie zwingen und belasten die Krankenkassen durch kostspielige Behandlungen. Dieses Jahr wird besonders teuer, eine regelrechte Invasion von Birkenpollen steht bevor. Aber mal ehrlich: Dieses ganze Niesen, Schniefen, Augenjucken ist doch bloß Anstellerei! Wer sich ein bisschen zusammenreißt und sich vernünftig ernährt, kommt mit einem Nasenspray und drei Packungen Taschentüchern bis in den Herbst. Doktor Sarrazin, leisten Sie einen Beitrag zur Volksgesundheit und erklären Sie Hartz-IV-Empfängern, dass es auch nicht nur dem Portemonnaie, sondern auch dem Immunsystem guttut, mal auf die Mittagsbratwurst zu verzichten.
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