: Soll Großbritannien die EU verlassen?JA
INSEL Premierminister David Cameron will, dass die Briten 2017 über ihren Verbleib in der EU entscheiden. Sinnvoll, sagen Europaskeptiker. Dann geht halt, die anderen
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Mark Pritchard, 46, Europaskeptiker und Abgeordneter der Conservative Party
Premierminister Cameron hat für seine Rede meine volle Unterstützung. Die Hälfte der in England lebenden Menschen konnte nie über Europa entscheiden: Entweder waren sie 1975 noch nicht geboren, zur Zeit des letzten Referendums, oder sie waren nicht alt genug, um abstimmen zu können. Europa oder Großbritannien wird nicht enden, falls England die EU verlässt. Das Leben geht weiter. Wenn Europa will, dass Großbritannien in der EU bleibt, muss es offener werden. Wie Cameron richtig festgestellt hat: Europa muss fairer, konkurrenzfähiger, flexibler und demokratischer werden. Vor allem muss Europa souveräne Staaten anerkennen und nicht auf ein schon im Vorfeld gescheitertes Super-Staaten-Modell zusteuern. Andernfalls werden Europas globale Konkurrenten weiter wachsen und uns übertreffen.
Andrea Leadsom, 49, Finanzexpertin und Abgeordnete der Conservative Party
David Cameron hat recht, wenn er sagt, Europa muss sich ändern. Die Eurozone bewegt sich in Richtung Fiskal- und Bankenunion. Ein Weg, den die Briten nicht einschlagen werden. Mit solch fundamentalen Veränderungen ist es richtig, dass der Premierminister einen Deal aushandelt, der unsere nationalen Interessen vorantreibt. Der Premierminister spricht notwendige Veränderungen an: weniger Bürokratie, mehr Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten statt in Brüssel. Die nationalen Parlamente sind die wahre Quelle demokratischer Veratwortung in der EU. Und Reformen müssen eingeführt werden, um die Fairness aller Mitgliedstaaten innerhalb eines EU-Binnenmarktes zu gewährleisten. Kommen wesentliche Veränderungen, haben die Briten das Recht auf ein Referendum.
Hans-Ulrich Jörges, 61, ist seit fünf Jahren Mitglied der Stern-Chefredaktion
Sie haben nie richtig dazu gehört. Und sie wollen auch nie richtig dazu gehören. Die Briten tun alles, um Europa nicht nur auszubremsen, sondern aufzuweichen, ja rückabzuwickeln. Deshalb, und nur deshalb, plädieren sie für den EU-Beitritt der Türkei – und geben sich auch sonst arglistig aufgeschlossen für Erweiterungen. Je größer, desto unregierbarer, desto schwächer. In der Euro-Krise zeigten sich die notorischen Isolationisten geradezu schadenfreudig, feindselig. Der Euro, den sie niemals einzuführen gedenken, wurde nicht nur sterbenskrank geredet; britische Hedgefonds, im Bündnis mit amerikanischen, spekulierten auch planvoll auf seinen Untergang. Was wir wollen, das wollen sie dezidiert nicht: ein zusammenwachsendes Europa. Schon die Sprache allein ist verräterisch. Wenn die Briten von der westlichen Welt reden, dann sagen sie: United States, Britain and Europe. Zwischen den Welten aber schaden sie uns nur. Ihr Ausscheiden ist Bedingung für ein einiges Europa.
Nigel Farage, 48, Vorsitzender der rechtspopulistischen UK Independence Party
Es ist im Interesse aller, dass Großbritannien die EU verlässt. Wir werden immer bessere Nachbarn und Freunde sein als widerwillige Partner in einer geschlossener werdenden Europäischen Union, der wir uns nicht zugehörig fühlen. In den letzten vierzig Jahren wurde England immer unglücklicher mit dieser Lage. Wenn sich andere Länder in Richtung fiskal- und politische Union bewegen möchten, ist das deren Entscheidung. Das ist aber nicht was England will. Wir werden weiter arbeiten, miteinander Handel und Geschäfte betreiben; aber auf einer Basis des gegenseitigen Respekts, nicht des Widerstands, wie das jetzt der Fall ist.
NEIN
Peter Gauweiler, 63, ist Rechtsanwalt, CSU-Politiker und Euro-Rebell
Natürlich nicht. London kann Europa und der Welt mehr bieten als Brüssel. Hinter den hässlichen Fassaden der EU-Hauptstadt reden zwar alle Englisch, aber „ein Austritt Großbritanniens aus der EU ist nicht dramatisch“ – sagt Daniel Cohn-Bendit. Dümmer kann man sich nicht ausdrücken. Ein Austritt Englands wäre das Ende der Brüsseler Veranstaltung, weil dann an der EU-Tektonik nichts mehr stimmt. Dies ist möglicherweise nicht nur schlecht, weil nach jedem Ende ein neuer Anfang kommt. Warum sie sich über Cameron so aufregen? Der konservative Premierminister hatte verlangt, womit schon der linke Papandreou die Euroretter auf die Palme gebracht hatte: das Volk zu befragen. Eine andere Frage ist, was passiert, wenn die Schotten nächstes Jahr ihre Selbstständigkeit beschließen. Dann werden die Karten ohnehin neu gemischt und die taz kann im „Streit der Woche“ fragen, ob wir Bayern es den Schotten nachmachen sollten.
Kate Haynes, 24, hat Deutsch studiert. Sie kommt aus Norfolk und lebt in Berlin
Sollte Großbritannien die EU verlassen, ist das als traurige Ablehnung der gemeinsamen Werte der Union zu verstehen. Wenn England sich nun völlig aus der EU zurückzieht, leugnet das Land damit die Bedeutung der kulturellen und gesellschaftlichen Verbindungen, die durch die Mitgliedschaft der EU gefördert werden. Wer ein Land regiert, in dem die Mehrheit der jungen Menschen kein Interesse am Lernen von Fremdsprachen hat, in dem Stereotype aus dem Zweiten Weltkrieg immer noch für wahr gehalten werden, sollte sich über die Auswirkungen eines solchen Austritts im Klaren sein. Als Engländerin in Berlin fühle ich mich nicht nur als „Engländerin“, sondern auch als „Europäerin“. Dieses Gefühl auch in der britischen Bevölkerung zu wecken, sollte Ziel und Fokus der Regierung sein – und nicht, ein „Alleinsein“ noch stärker zu prägen.
Sven Giegold, 43, ist Mitglied der Grünen -fraktion im Europaparlament
Ein britischer Exit nützt niemandem. Die EU würde dann noch stärker von Frankreich und vor allem Deutschland dominiert. Gleichzeitig würde die EU nach außen schwächer. Die Chance über die europäische Einigung, gerade auch britische Werte wie Menschenrechte, Demokratie und Solidarität in einer sich globalisierenden Welt zu stärken, bekäme einen Dämpfer. Nicht alle Forderungen der Briten sind abstrus. Ein gemeinsamer Markt braucht starke soziale und ökonomische Regeln. Daher wird die Vertiefung der EU bei Finanzmarktkontrolle, sozialen Rechten und steuerlichen Regeln weitergehen. Dafür müssen wir als EuropäerInnen gemeinsam streiten. Aber, müssen wirklich alle Normen von der Berufsausbildung über die Büroklammer bis zu Betreibergesellschaften für kommunale Dienste europäisch harmonisiert werden? Not really. Hier gäbe es Raum zur Dezentralisierung. Da kann Europa von den britischen Forderungen lernen.
Daniel Schnur, 19, ist Student. Er hat die sonntaz-Frage per Mail kommentiert
Sowohl die Tories als auch die Labour Party haben in der Vergangenheit mit ihrer Außenpolitik gezeigt, dass sie sich eigentlich das Empire zurückwünschen. Camerons Ankündigung von einem Referendum über einen Austritt aus der EU trieft nur so vor Populismus. Die britischen Konservativen haben endlich wieder ein Thema, mit dem sie auf Wählerfang gehen wollen. Ein Austritt der Briten wäre zwar kein Totschlag, aber ein erheblicher Dämpfer für Europa – ein echtes Europa braucht alle europäischen Kulturen.
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