Kommentar Arabische Liga: Das Libanon-Syndrom greift über

Beim Treffen der arabischen Liga in Damaskus hat sich einmal mehr gezeigt: Die arabischen Regime sind denkbar unfähige Krisenmanager - und das Zerwürfnis tief.

Zu besprechen hätte es eigentlich genug gegeben, als die arabischen Präsidenten, Könige, Emire und Revolutionsführer in Damaskus zu ihrem jährlichen Gipfel zusammenkamen: die aufflammenden Kämpfe im Irak, das gefährliche politische Vakuum im Libanon und den Nahostkonflikt, allem voran die Lage im Gazastreifen. Aber selten war die Spaltung der arabischen Welt so deutlich. Der Libanon hatte seine Teilnahme ganz abgesagt, Ägypten nur einen unbedeutenden Minister und Saudi-Arabien wie Jordanien gar nur seinen ständigen Vertreter in der Arabischen Liga entsandt.

Stein des Anstoßes war die syrische Rolle im Libanon, einem Land, das nun bereits seit November keinen Präsidenten hat, da dessen Wahl von der von Syrien unterstützten Opposition sabotiert wird. Die vom Westen unterstützte Regierung in Beirut beschwert sich, dass die Souveränität des Landes immer noch nicht vom syrischen Nachbarn anerkannt wird. Syrien seinerseits fürchtet, dass Libanon von amerikanischer und israelischer Seite in Beschlag genommen wird.

Statt dass die Libanonkrise bewältigt wurde, hat diese die arabische Staatengemeinschaft selbst in eine tiefe Krise gestürzt. Einmal mehr haben sich die arabischen Regime als denkbar unfähige Krisenmanager erwiesen. Wie zuvor im Irak haben sie damit auch im Libanon erneut Tür und Tor für ausländische Einmischungen aller Art geöffnet.

Genau die haben das arabische Zerwürfnis noch tiefer gemacht. Das syrische Regime ist ein enger Verbündeter des Iran und sieht sich zusammen mit der Hisbollah und der Hamas als "Achse des Widerstands". Dagegen steuern die Regierungen in Beirut, Kairo, Amman und Riad sowie Palästinenserpräsident Abbas alle zusammen im Orbit Washingtons. So stand der diesjährige Arabische Gipfel letztendlich im Schatten des bipolaren Konflikts zwischen Washington und Teheran - und scheiterte daran. Die Nebenfronten dieses Konflikts werden derzeit überall in der arabischen Welt eröffnet. Für die Stabilität der Region in unmittelbarer Nachbarschaft Europas wird das seine Konsequenzen haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.