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KommentarKörtings Blutgrätsche

Berlins Innensenator droht mit einem Verbot von Fußballvereinen, wenn die Gewalt von Fans nicht zurückgeht.

Körting droht mit Fußballverbot

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will Fußballvereine für Fan-Krawalle zur Verantwortung ziehen - bis hin zum Verbot. "Wenn ein Verein nicht mehr in der Lage ist, seine Veranstaltungen friedlich zu organisieren, dann muss man ihn aus dem Verkehr ziehen", sagte Körting. Der Senator, der auch für Sport zuständig ist, will auch den Fußball-Verband in die Pflicht nehmen. So müssten Spiele bei Gewaltvorfällen abgebrochen werden und die Heimclubs keine Punkte bekommen, sagte er. Krawallmacher müssten Stadionverbote erhalten. In der Hauptstadt gibt es Körting zufolge 185 gewaltsuchende und 910 gewaltbereite Fußball-Anhänger. Die Gewalt habe sich in die unteren Ligen verlagert. Rund um das Fußball-Regionalligaspiel zwischen Union Berlin und dem 1. FC Magdeburg waren am Samstag laut Polizei 9 Menschen festgenommen worden, unter anderem wegen Beleidigung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Gegen 26 wurden Platzverweise ausgesprochen.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, wird sich Innensenator Körting gedacht haben und rüstet schon einmal für die nächste Saison. In der kommenden Spielzeit sollen nicht nur Hooligans nichts zu lachen haben. Auch den Fußballvereinen, die nicht in der Lage sind, Fan-Krawalle zu meistern, droht die Rote Karte. Nach Gewaltvorfällen - wie alljährlich rund um das Gebolze des BFC Dynamo oder von Eisern Union - soll die Strafe prompt auf dem Fuß folgen: Stadionverbote, ein Punktabzug und, quasi als Blutgrätsche des Senators, das Vereinsende.

Körtings anvisierte Höchststrafe aber ist so populistisch wie unrealistisch. Seine Forderung, Vereine dichtzumachen, wenn es auf den Tribünen kracht, bedient allein das Klischee von der "Unkultur" des Fußballs. Absurd ist das Vereinsverbot ebenfalls, fehlen dazu jedes Recht und Gesetz. Genauso gut könnte Körting fordern, dass nach einem Tackling samt Roter Karte der gesamte DFB wegen Beihilfe zu schwerer Körperverletzung in Haft genommern werden müsste. Hier ist Körting im Abseits!

Was der Innensenator vermutlich meint und was durchaus in die richtige Richtung geht, ist, die Vereine mehr in die Pflicht zu nehmen. Es kann nicht angehen, dass Samstag für Samstag die Sportklubs ihre Stadien zu rechtsfreien Zonen erklären. Niemand kann dulden, dass Köpfe eingeschlagen und Spieler rassistisch beleidigt werden. Und es macht keinen Sinn, mit anzusehen, wenn ein Fußballspiel nur als Kulisse für idiotische Saufgelage missbraucht wird.

Es liegt in der Mitverantwortung der Vereine, dem einen Riegel vorzuschieben. Fan-Projekte, Programme und Konzepte hierfür gibt es genug. Man muss sie nur aus der Schublade holen. Körtings Druck an dieser Stelle wäre der spielentscheidendere.

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1 Kommentar

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  • Z
    zeitgenosse

    Wäre es evtl. zur Förderung des Bemühens der vereine nicht äußerst simpel und hilfreich, die angefallenen Kosten für Polizei und drumherum in Rechnung zu stellen? Meist setzt doch dann das verloren geglaubte Denken ein, wenn es an den Geldbeutel geht (Auto mal ausgenommen).