Dokumentation "Animals in Love": Sprachlose Liebe unter Tieren
Nie gesehene Bilder, nie gehörte Töne: Die Dokumentation "Animals in Love" zeigt, dass sich die Vielfalt tierischen Verhaltens nicht klassifizieren lässt.
"Animals in Love" ist ein schöner Titel für eine filmische Dokumentation der Prozesse, die sich um die Partnersuche im zweigeschlechtlichen Tierreich organisieren. Er belässt die Liebe bei und unter den Tieren. Dagegen rutscht der vom Verleih gewählte deutsche Untertitel "Tierisch verliebt" sofort in die sogenannte menschliche Sphäre ab, in der dann jede oder jeder aus mindestens "eigener" Erfahrung zu wissen meint, worum es auch bei den Tieren geht. Das ist ärgerlich, weil der Dokumentarfilm "Animals in Love" von Laurent Charbonnier auf eine Weise zusammengestellt ist, die so viel richtig macht, wie man das - sagen wir: seit "Nomaden der Lüfte" im Kino nicht mehr gesehen hat.
Die Liebe, um die es hier geht, kommt ohne Sprache aus. Charbonnier, der sich unter anderem als Kameramann der eben erwähnten "Nomaden der Lüfte" einen Namen gemacht hat, hat in zweijähriger Produktionszeit aus 80 Stunden Bildmaterial ein Ensemble der Tänze, Schreie, Paraden und Kämpfe um das andere Geschlecht im Tierreich zusammengefügt, das vor allem eines zeigt: Die soziale Praxis der Partnerwahl hat eine Vielfalt motorischer, gestischer, optischer und akustischer Motive hervorgebracht, die mit klassifikatorischen Namen überhaupt nicht sinnlich zu erfassen sind.
In der englischen Version weiß der Film das auch universalgeschichtlich einzuordnen. Nur am Anfang des 86-minütigen Bildensembles gibt es ein paar allgemeine Sätze zur Schöpfung und zur Erde, dann zum Ende noch mal zwei, drei Sätze zum selben Thema. Man befindet sich damit in voradamitischen Zeiten, und deshalb werden auch weder die Artnamen der im Film erscheinenden Tierspezies eingeblendet, noch sonst irgendetwas erklärt. Womit der Film gleichzeitig darlegt, wie wenig damit getan war, als Gott Adam über die Tiere erhob, indem er ihm das Recht zusprach, den Tieren Namen zu geben. Selten hat man das so klar in einem Dokumentarfilm vor Augen geführt bekommen.
Für das deutsche Publikum scheint das zu viel zu sein. Anders lässt sich nicht erklären, dass sieben Sprechpassagen von etwa einer Minute Länge über den Film verteilt werden. Zuerst wird erklärt, dass die Chemie der Liebe bei den Tieren auch nicht anders funktioniert als bei uns Menschen. Dabei macht der Film in jeder Szene, mit wirklich jedem gezeigten Tier deutlich, dass die mit dem Schwanz wedelnde Antilope, der auf einem Ast lauernde Paradiesvogel oder die ihr Kind im Trio beschmatzenden Berberaffen in nichts dem Menschen gleichen.
"Das wichtigste Gebot im Tierreich ist die Erhaltung der Art", sagt eine Frauenstimme auf Deutsch. Das ist biologisch spätestens seit Charles Darwin Unfug. Er hat als einer der Ersten die fundamentale Unzulänglichkeit starrer systematischer Konstruktionen wie des Artbegriffs gegenüber den tatsächlichen Dynamiken des Lebendigen hervorgehoben. Und von den tatsächlichen Dynamiken einer speziellen Lebensweise, nämlich der sexuellen, in mindestens zwei Geschlechter gespaltenen, erzählt "Animals in Love". Der Film tut das in Bildern und Tönen, die so geschnitten und komponiert sind, dass sie selbst ihre Subjekte, die jeweils agierenden Gänse, Kraniche oder Papageien, in den Prozess zurücktauchen lassen. Das allerdings ist tatsächlich Kunst und ist neben den Kameraleuten und dem Regisseur den Kompositionen von Philipp Glass zu verdanken.
Glass übertönt die Originaltöne der Tiere nie. Er schiebt seine Musik sozusagen von unten erst leise in die Laute der Tiere ein. Dabei nimmt er manchmal ein Motiv, einen Rhythmus oder eine Konstellation auf und führt sie aber gleich in eine eigene Thematik über. Wenn etwa in einer Sequenz, in der seine Musik still war, Vögel während ihres Balzrituals in einen Dialog oder in ein Duett eintreten, setzt Glass in der Folge zwei Klarinetten oder zwei Trompeten ein. Das ist keine Interpretation der Tierstimmen, es ist auch keine Nachahmung, es ist die Fortführung mit anderen, mit den Mitteln des Komponisten. Aus dieser Vorgehensweise Glass spricht nicht nur Respekt gegenüber den Tiertönen, sondern auch ein fundamentales Verständnis für die Motivationen des tierischen Ritornells und seiner endlichen Wiederholungen.
Wer ein Territorium gründet, steht vor einer Aufgabe, die immer wieder neu bewältigt werden muss. Einerseits will der Gründer Konkurrenten, in der Regel Tiere des gleichen Geschlechts, aus seinem Raum fernhalten, und andererseits muss er versuchen, Tiere des anderen Geschlechts anzulocken. Der Gründer springt also andauernd zwischen aggressiv fernhaltenden und manchmal auch aggressiv werbenden Motivationen hin und her. Wie schwierig - und für unsere Augen auch komisch - der Versuch, in diesem Affektgemenge eine Balance zu finden, sein kann, zeigt "Animals in Love" in so noch nicht gesehenen Bildern und gehörten Tönen. Dass der Film noch viel mehr zeigt, ist kein Argument gegen ihn.
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