Konferenz über Entwicklungszusammenarbeit: Den Helfern helfen
Effizientere Entwicklungszusammenarbeit ist das Thema einer internationalen Konferenz in Accra vom 2. bis 4. September.
2005 unterzeichneten Politiker und Entwicklungshilfeexperten aus Geber- wie aus Nehmerländern die "Pariser Erklärung über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe". Die Erklärung benennt fünf Grundprinzipien:
Ownership: Die Entwicklungsländer bestimmen selbst über ihren Entwicklungsprozess. Sie übernehmen die Führung bei der Erarbeitung und Umsetzung der Entwicklungszusammenarbeit.
Alignment: Die Entwicklungshilfe ordnet sich in die nationalen Strukturen der Partnerländer ein. Statt parallele Institutionen aufzubauen, werden Einrichtungen und Verfahrensweisen vor Ort genutzt.
Harmonisierung: Die Institutionen der Geberländer stimmen ihre Arbeit aufeinander ab, um Überschneidungen abzubauen. Diese Kooperation führt zu einer besseren Aufgabenverteilung.
Ergebnisorientierung: Die Erklärung formuliert zwölf Fortschrittsindikatoren und konkrete Zielvorgaben bis 2010.
Gegenseitige Rechenschaftspflicht: Geber- und Nehmerländer informieren sich über ihre Bilanz und führen gegenseitige Bewertungen durch.
Wer in einem armen Land die Armut bekämpft, verbringt zwangsläufig viel Zeit mit Reichen. Im Jahr 2005 schickten Geberregierungen insgesamt 10.453 Evaluierungen und Missionen in 34 Partnerländer - 307 pro Land oder eine pro Arbeitstag. Spitzenreiter war Vietnam mit 782. 2007 sank die Anzahl immerhin um 1.500, heißt es in einer Aufstellung der Bundesregierung. Gleichwohl müssen Länder, die viel Entwicklungshilfe erhalten, weiterhin riesige bürokratische Apparate aufbauen, deren Hauptaufgabe darin besteht, mit fremden Experten zu reden, deren Spitzeneinkünfte zum Teil aus der für das Land bestimmten Entwicklungshilfe kommen. In Mosambik fließen 350 Millionen Dollar jährlich in die Gehälter von 3.500 ausländischen Beratern, während 100.000 mosambikanische öffentliche Bedienstete nur 70 Millionen erhalten.
Um solche strukturellen Absurditäten geht es von heute an in Ghanas Hauptstadt Accra bei einer hochkarätigen Tagung der Afrikanischen Entwicklungsbank und der OECD. Über 1.000 Delegierte aus über 100 Ländern werden auf dem High Level Forum on Aid Effectiveness (HLF) drei Tage lang darüber beraten, wie bessere Entwicklungshilfe aussehen soll: mehr Kontrolle durch die Empfänger, mehr Absprachen zwischen Geberländern, mehr Kompetenzen für zivilgesellschaftliche Akteure, bessere Nachvollziehbarkeit der Verwendung von Geldern.
Geber und Nehmer müssten auf gleicher Augenhöhe arbeiten, heißt es in dem der taz vorliegenden Entwurf zur "Accra Agenda for Action" (AAA), die bei der Konferenz verabschiedet werden soll: "Erfolgreiche Entwicklung hängt wesentlich von der Kapazität einer Regierung ab, ihre Politik umzusetzen und öffentliche Gelder über ihre eigenen Institutionen zu verwalten."
Die im Fachjargon "HLF-3" betitelte Konferenz von Accra ist die dritte ihrer Art seit einer wegweisenden Tagung in Paris 2005, bei der die "Pariser Erklärung" über Grundprinzipien effizienter Entwicklungshilfe verabschiedet wurde (s. Kasten). Um deren Umsetzung und Weiterentwicklung geht es in Accra. Die Beratungen erfolgen, wenige Wochen bevor die UN-Generalversammlung in New York eine Halbzeitbilanz über die Realisierung der UN-Millenniumsziele aus dem Jahr 2000 zur Halbierung der weltweiten Armut bis 2015 zieht - in Afrika sieht diese Bilanz nicht gut aus. Gerade aus Enttäuschung über die oft mit sehr komplizierten Auflagen verbundenen Entwicklungsgelder westlicher Geber wenden sich immer mehr afrikanische Länder neuen Partnern wie China zu. So wird es nun auch für etablierte Partner wichtiger, sich infrage zu stellen - Konkurrenz belebt das Geschäft.
Auf einer Vorbereitungskonferenz in Ghana ging es um solche Fragen, warum etwa von europäischen Freiwilligen gebaute Toiletten meist ungern benutzt werden; oder warum Bäuerinnen moderne Markthallen, die aus Mitteln der Entwicklungshilfe gebaut wurden, meiden und weiter auf offenen Plätzen verkaufen. Solche gut gemeinten Initiativen hängen von regelmäßiger Strom- und Wasserversorgung ab, die es nicht gibt, und niemand hat die Betroffenen gefragt, was ihnen wichtig wäre.
Andererseits, so stellt die offizielle Konferenzvorlage der OECD fest, hat erst weniger als ein Viertel aller Entwicklungsländer langfristige, mit Ausgabenplanungen versehene Entwicklungsstrategien entwickelt, an die sich Geber halten könnten. Die OECD-Untersuchung gibt den Entwicklungsstrategien der Entwicklungsländer Noten von A (sehr gut) bis E (sehr schwach). Kein einziges Land erhält die Note A, und nur wenige - Äthiopien, Burkina Faso, Ghana, Ruanda, Sambia, Tansania, Uganda und Vietnam - bekommen die Note B. Weniger als die Hälfte der Entwicklungsgelder, die in öffentliche Haushalte der Empfängerländer fließen, wird korrekt in die Staatshaushalte eingestellt und gemäß lokalen Beschaffungskriterien ausgegeben. In der Demokratischen Republik Kongo setzten die Geberländer 2007 798 Millionen Dollar Hilfszahlungen an und meldeten effektive Zahlungen von 802 Millionen, aber Kongos Regierung registrierte Eingänge von nur 156 Millionen.
Die Versuchung ist groß, Lösungen für diese Probleme rein technokratisch anzugehen, wofür man vor allem kompetente Buchhalter braucht. Zivilgesellschaftliche Gruppen weisen hingegen im Vorfeld des Gipfels von Accra darauf hin, dass man auch Grundprinzipien infrage stellen muss. "Die Accra-Agenda sollte explizit anerkennen, dass Rahmenabkommen für Entwicklungszusammenarbeit mit internationalen Abkommen über Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, Umweltschutz und Arbeitsbedingungen harmonieren müssen", fordert der Dachverband der an der Vorbereitung der Konferenz beteiligten Nichtregierungsorganisationen in einer kritischen Stellungnahme zum Entwurf der Abschlusserklärung. Mehr Kontrolle durch Empfängerländer müsse Kontrolle durch deren Bürger bedeuten, nicht nur durch deren Regierungen. Noch immer werde Hilfe, die an den Kauf von Dienstleistungen aus dem Geberland gekoppelt sei oder die sich nicht in geltende nationale Prioritäten einfüge, nicht kategorisch ausgeschlossen. Das Problem sei, dass Geber sich nicht in die Karten gucken lassen wollten: "Es kann keine Rechenschaftspflicht auf nationaler Ebene geben, solange Geber nicht in Rechenschaftspflicht und Überwachung auf internationaler Ebene einwilligen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!