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Entschuldigung nützt nichtsLöw schmeißt Kuranyi trotzdem raus

Trotz Entschuldigung wird Stürmer Kuranyi nicht mehr fürs Nationalteam spielen. Das ist für die DFB-Auswahl kein sportliches Problem - aber offenbart eines im Personalmanagement.

Dem Bundestrainer eine unangenehme Aufgabe abgenommen: Ex-Nationalspieler Kuranyi. Bild: dpa

Kevin Kuranyi hat telefoniert. Hat den Bundestrainer angerufen und sich entschuldigt. Damit ist die Sache, sagt Joachim Löw, für ihn vom Tisch. Und die Karriere des Schalker Stürmers in der Nationalmannschaft nichtsdestotrotz beendet.

Der Sturm im Wasserglas hat sich also gelegt. Kuranyi hat Löw, wenn man so will, sogar noch einen Gefallen getan. Der Profi, der auch mittelfristig kaum mehr an Podolski, Klose, Gomez und Helmes vorbeigekommen wäre, hat der sportlichen Leitung des DFB eine wohl eh unvermeidliche Entscheidung abgenommen. Und damit aber auch ein Problem der Nationalmannschaft enthüllt. Das ist beileibe kein sportliches, wie der Dortmunder Auftritt gegen Russland zumindest 45 Minuten lang bewies. Kuranyis Abgang aber offenbarte endgültig, dass eine zentrale Qualität des modernen Wirtschaftens in der DFB-Auswahl noch entwicklungsfähig ist: das Personalmanagement.

Kuranyis Verschwinden und dessen Handling durch Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff lieferten nicht nur eine hübsche Randgeschichte zum Spiel, sondern waren vor allem nicht der erste Fall, in der das Führungsgespann eine zumindest unglückliche Figur in der Außenwirkung abgab.

Der dem Spieler und der Öffentlichkeit schlecht kommunizierten Ausbootung von Torsteher Timo Hildebrand folgte der lange schwelende Konflikt zwischen Bierhoff und Führungsspieler Ballack. Am Ende stand der Eindruck, Bierhoff sei zwar überaus begabt in der Aquirierung mondäner Turnierquartiere, aber eher weniger talentiert, wenn es um Menschenführung und Gruppendynamik geht.

Sicherlich. Dass die Nationalmannschaft nicht der Friede-Freude-Eierkuchen-Verein ist, als der sie in der Ära Klinsmann - auch mithilfe einer willfährigen Presse - erschienen war, überrascht mittlerweile nicht mehr wirklich. Seltsam nur, wie ungeschickt die Leitung diesen Umstand zu verarbeiten versucht - nach innen wie nach außen.

Die Außenwirkung allerdings ist erklärtermaßen der zentrale Aufgabenbereich von Manager Bierhoff. Dessen nächste Bewährungsprobe wartet schon: Der ob seiner Verbannung auf die Bank grummelnde Frings gilt nicht als ein Charakter, der die wohlpolierten Umgangsformen des Managers zu schätzen weiß.

Allerdings scheint der Einfluss solches Personalmanagements auf die sportliche Leistung der Mannschaft vor allem eins zu sein: allgemein eher überbewertet.

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1 Kommentar

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  • LD
    Luca Delon

    Personalmanagement. Interessanter Begriff. Klingt wie human resource. Was ist denn da jetzt gemeint: Recruiting, Personalpolitik und Mitarbeiterführung oder gar die „Lebensgestalt“-fifth-disziplin Jürgen Klinsmanns (Martin Vasquez: "Er will den Fußballern ermöglichen, sich als Menschen weiter zu entwickeln")?

     

    Nun, ich will mich nicht soweit über meine Fußballtrainer-Couch hinweglehnen (gelegentlich fällt mann dann vor den Fern-seher und wird zum Nah-seher, der nichts blickt, weil ihm die vogtsche Metaperspektive fehlt), aber verquickt der Autor nicht ganz verschiedene Themen in gordischer Manier: Da wird ein nicht so guter Torhüter "degrardiert" (Hildebrandt - Wie mag den millionenschweren Jungs das schmerzen, habt Erbarmen), aber muss ein Trainer gleich nach Valencia fliegen um sich jenem wortreich zu erklären, der zur Selbsteinsicht nicht fähig? Da gibt es den "künstlichen, medienhaft inszenierten Konflikt" zwischen dem DDR-Ballack (war da was, Herr Netzer?), dem über Jahre "Führungsqualitäten" (Führung, auch das noch!) abschwadroniert wurden und der jetzt böhze® Onkel rollenspielt, schließlich kürzlich unseren arg gescholtenen, gelegentlich der Eitelkeit verfallenem, ja dank völlerischer Vorwürfe der fussballerischen Inkompetenz bezichtigten, MANAGER Bierhoff, trotz all seiner redlich erworbenen Marketing-Betriebswirt-Master-Mentalität auf die Zugspitze wünschte, weil dieser ihm wohl die Innenschau auf dem Platz verweigerte.

     

    Zum Dritten nun, Kevin Kurany, verspottet von den Medien ("Kevin alleine zuhause"), der dank portugiesischer Muttersprache keine Emotionen auszudrücken vermag, und sich radebrechend auf einer Pressekonferenz verhaspelt ohne Ende (Na ja, man sollte sich halt nicht in einem Endspiel das Mineralwasser über die Birne kippen, sorry Kevin).

     

    Was hat der Abgang (oder Rauswurf?)aber jetzt mit Personalmanagement (s.o.)zu tun? Eher doch wohl mit einer brilliant genutzten Gunst der Fluchtnacht, die gruppendynamisch zulasten des (auch nicht armen) "Opfers" Kurany den Trainer "Löw" zum Löwen schlägt; der endlich konsequent das eigene, vermutlich Harmoniebedürfnissen geschuldeten, Schutzverhalten gegenüber nicht leistungsstarken Profis (Metzelder, Frings, etc.)den Haien zum Fraß vorwirft und schließlich allen anderen Akteuren einbleut, was Mannschaftssport auch heißen kann: Effektive Funktion einer leistungsportorientierten Gruppe verlangt manchmal, die leistungsschwächeren "brutal" auszubooten, um "Zeichen" zu setzen,damit der Kahn an Fahrt und der Trainer an "Autoritärem Charakter" gewinnt.

     

    Ich finde das, wie gesagt brilliant! Gelungene Inszinierung, spontan und arenenhaft schauerlich. Wie es sich für die Gladiatoren der Moderne gehört. Nebenbei bemerkt: Das Potential von K.K. konnten wir doch ausgiebig im Spektakel und AssessementCenter Champions League bewundern, was nützen da 2 Böllermänner in der Provinz von Wolfs-Burg - habe fertig.