Verbände bemängeln Agrarpolitik der EU: Größte Bauern ernten dickste Hilfe
Umweltverbände kritisieren den "Gesundheits-Check" der EU-Agrarpolitik: Probleme würden erkannt, Lösungen verdrängt.
BERLIN taz Alle wissen, dass die EU-Agrarpolitik falsch läuft - aber keiner unternimmt etwas dagegen. So lautet im Kern die gemeinsame Stellungnahme von 15 Verbänden aus Naturschutz, ökologischer Landwirtschaft und Entwicklungshilfe, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. So fördere die EU noch immer eine industriell produzierende Landwirtschaft, die ihre ökologischen und sozialen Folgen ausblende.
Die Verbände gehen jetzt in die Offensive, weil derzeit in Brüssel die Verhandlungen über den so genannten Gesundheits-Check der Agrarpolitik laufen. Voraussichtlich im November werden die EU-Agrarminister darüber abstimmen, wie die Agrarpolitik weiter gestaltet wird. Vor allem geht es darum, wie die Fördermittel bis zum Ende der EU-Haushaltsperiode 2013 verteilt werden.
"Künftig müssen wir dem Leitbild einer multifunktionalen Landwirtschaft folgen", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. Die Betriebe müssten gesunde Lebensmittel herstellen, dabei die Natur schützen und die Vielfalt der Agrarlandschaften erhalten. Dazu gehöre etwa, nicht weiter großflächig Grünland in Ackerflächen umzuwandeln und für die Produktion von Biogas nur Abfälle wie Mist, Gülle oder Schnittholz zu verwenden, sagte Hartmut Vogtmann, Präsident der Stiftung EuroNatur.
Der Weg zu einer anderen Landwirtschaft führt dabei über die Brüsseler Fördertöpfe: 55 Milliarden Euro fließen derzeit an Europas Bauern - doch werden die Mittel sehr ungleich verteilt. Die großen, industriell arbeitenden Betriebe erhielten deutlich mehr Fördergelder als bäuerliche Höfe, rechnete Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, vor. Wie viele Arbeitsplätze ein Hof anbiete, berücksichtige die Förderpolitik nicht.
Im Mai dieses Jahres hatte die Kommission eine Reform der Förderpolitik vorgeschlagen. So sollten Subventionen von über 100.000 Euro pro Betrieb gestaffelt gekürzt und die frei werdenden Gelder zu Betrieben umgelenkt werden, die etwa ökologisch wirtschaften. Doch inzwischen ist die Kommission davon abgerückt - "und ihre Vorschläge werden im Ministerrat noch weiter zerredet", monierte Graefe zu Baringdorf.
Insbesondere die Bundesregierung, aber auch die Regierungen von Großbritannien, Frankreich und Spanien blockierten eine Einigung. "Unverantwortlich", nannte das Thomas Dosch, Präsident der Anbauvereinigung Bioland. Schon jetzt seien harte Verhandlungen über den EU-Haushalt ab 2013 absehbar. Gelder für die Agrarpolitik bräuchten eine gute Begründung, "sonst verlieren sie die Akzeptanz der Steuerzahler".
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