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Kolumne Seitenblicke auf den US-WahlkampfRepublikaner agieren wie Opposition

Die Republikaner haben sich in die Defensive treiben lassen. Warum? Weil McCain sich in der Finanzkrise verschätzte - und zur persönlichen Attacke gegen Obama blies.

taz

Bettina Gaus ist Buchautorin und politische Korrespondentin der taz.

Was gefällt Ihnen am besten an John McCain? Michelle de Foe, die in Missouri ehrenamtlich für den Republikaner kämpft, zögert keine Sekunde: "Ich bin gegen die sozialistische Rhetorik von Barack Obama. Ich bin gegen die Verstaatlichung des Gesundheitssystems. Die Philosophie von Obama, sein ganzes Gedankengebäude widerstreben mir zutiefst." Das ist interessant. Beantwortet aber die Frage nicht.

Die spontane Reaktion der 46-Jährigen umreißt das vielleicht größte Problem der McCain-Kampagne: Die Republikaner haben sich in die Defensive drängen lassen. Sie arbeiten sich vor allem am demokratischen Kandidaten ab und lassen die eigenen Konzepte in den Hintergrund treten. Ausgerechnet die Partei, die gegenwärtig den Präsidenten stellt, agiert also in der klassischen Rolle einer Opposition.

Ein solcher Kampf wird immer bergauf geführt. Wahlforscher betonen seit Jahren, dass niemals eine Opposition gewählt, sondern stets eine Regierung abgewählt wird. Ein negativer Wahlkampf, der nicht auf Versprechen für die Zukunft basiert, sondern auf Kritik am Bestehenden, ist nur dann erfolgversprechend, wenn der Ärger in der Bevölkerung groß ist. Barack Obama ist aber noch gar nicht an der Regierung - hat also noch keine Fehler in der Exekutive machen können, die Wut auslösen. Die Republikaner sitzen in der Falle.

Wie konnte das passieren? Der Wendepunkt dürften die Verhandlungen über das staatliche Sanierungspaket angesichts der Finanzkrise gewesen sein. John McCain hatte damals seinen Wahlkampf unterbrochen und war nach Washington geeilt, um die Lage zu retten. Motto: In Zeiten der Not hat politischer Streit zu schweigen. Das war eine riskante Strategie - und sie ging schief. Schnell wurde deutlich, dass der Handlungsspielraum beider Kandidaten sehr begrenzt war und dass John McCain keine eigene Lösung aus dem Hut zaubern konnte.

Seither hat sich der Ton des Wahlkampfs verändert. Barack Obama spricht auf Wahlveranstaltungen so, als sei er bereits im Amt, und mutet seinem Publikum gerne auch mal komplizierte wirtschaftspolitische Erörterungen zu. McCain? Kommt nur am Rande vor. Das wirkt staatsmännisch, kann sich aber nur jemand leisten, der glaubt, auf eingängige Schlagworte inzwischen verzichten zu können. John McCain und seine Anhänger verschärfen unterdessen ihre persönlichen Angriffe gegen Obama. Wie das eine Opposition halt so macht.

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