Armee in Pakistan: Machtverlust für Militärgeheimdienst
Rückzug der Armee aus Pakistans Politik: Der politischer Flügel des Geheimdienstes wird angeblich entlassen. Der IWF gibt Islamabad einen Milliardenkredit - mit Auflagen.
DELHI taz Pakistans Armee zieht sich immer deutlicher aus der Politik des Landes zurück. Außenminister Shah Mahmood Qureshi erklärte jetzt in seiner Heimatstadt Multan, der "politische Flügel" des mächtigen Militärgeheimdienstes Inter-Services-Intelligence (ISI) sei "entlassen" worden. Damit verwirklicht Armeechef Ashfaq Kayani offenbar seine Ankündigung, die er nach Amtsantritt 2007 gemacht hatte: den Einfluss der Armee auf die Politik zu verringern, welche die Generäle bisher fast völlig kontrollierten.
Denn bislang benötigte etwa jeder Staatsminister den Segen des "politischen" Geheimdienstflügels, um sein Amt antreten zu können. Den Mitarbeitern dieser Abteilung werden auch Wahlfälschungen zugunsten politischer Alliierter des Militärs und die Vorbereitung von Militärputschen angelastet.
Bei der Armeeführung scheint ein Umdenken erfolgt zu sein. Noch vor wenigen Monaten intervenierten Pakistans oberste Militärs, als die Regierung versuchte, den ISI unter ihre Kontrolle zu bringen. Wenige Stunden nach der Ankündigung der Regierung, der Geheimdienst unterstehe künftig "vollständig dem Innenministerium", ruderte ein Sprecher zurück und erklärte, es habe sich dabei um ein "Missverständnis" gehandelt. Der damals noch amtierende Präsident, Exgeneral Pervez Musharraf, erklärte, die "Unabhängigkeit des ISI" sei für Pakistan "überlebensnotwendig".
Möglicherweise hat nun auch die internationale Finanzkrise ihren Teil zu der teilweisen Entmachtung des mächtigen Geheimdienstes beigetragen: Denn der globale Kapitalcrash hat Pakistan besonders schwer getroffen. Nun rächen sich die jahrzehntelangen Diktaturen und die milliardenschweren Seilschaften der Armee. Großkonzerne hochrangiger Militärs hatten in etlichen Bereichen der Wirtschaft Monopole geschaffen, ihre Besitzer sich daran bereichert.
Daher war Pakistan lange für ausländische Investoren uninteressant. Die wenigen Geldgeber, die in den vergangenen Jahren in Pakistan investiert haben, waren aufgrund der Gewalt islamistischer Rebellen in den vergangenen anderthalb Jahren vorsichtig geworden. In der andauernden Wirtschaftskrise haben sich nun viele Investoren vollständig zurückgezogen.
Daher blieb Islamabad nichts anderes übrig, als den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Unterstützung zu bitten. Der bewilligte am Montag die Zahlung von 7,6 Milliarden US-Dollar. Doch damit stehen der Regierung weitere Probleme bevor. Denn der IWF verlangt nun von Islamabad erhebliche finanzielle Einschnitte. Die Regierung soll etwa milliardenschwere Subventionen für Kraftstoffe auslaufen lassen, was die Benzinpreise erhöhen wird. Auch sollen die Steuern angehoben werden.
Diese Einschnitte kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Stimmung im Land ist ausgesprochen schlecht. Kürzungen bei Sozialausgaben und höhere Spritpreise könnten zu Unruhen führen. Die könnten die Regierung angesichts der ohnehin fragilen Sicherheitslage in Bedrängnis bringen. SASCHA ZASTIRAL
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