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Bio-Professorin über Elite und Frauen"Ich bin keine Quotenfrau"

Neun internationale Top-Wissenschaftler werden demnächst an deutschen Elite-Unis arbeiten. Einzige Frau ist Ulrike Gaul (47), Biologieprofessorin der Rockefeller University New York.

"In den USA zählt die Leistung und nicht das Geschlecht." Bild: dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Frau Gaul, Sie wechseln von einer Eliteforschungsuni an eine Möchtegern-Eliteuni. Warum?

Elite für Elite-Unis

Um das passende Personal für deutsche Elite-Unis zu rekrutieren, finanziert das Bundesministerium für Bildung und Forschung fünf Jahre lang neue Lehrstühle und Professuren mit bis zu 5 Millionen Euro. Der Alexander-von-Humboldt-Preis ist der höchstdotierte deutsche Forschungspreis.

Die erste Abwerbetour verlief erfolgreich, wie Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) am Donnerstag bekannt gab: Neun Spitzenforscher konnte das Ministerium zum nächsten Jahr nach Deutschland locken, mit "attraktiven Rahmenbedingungen und einer langfristigen Perspektive für die Arbeit in Deutschland". Von den neun Naturwissenschaftlern, darunter eine Frau, stammen sechs aus Deutschland, die meisten von ihnen forschen zurzeit noch in den USA.

Ulrike Gaul: Ich wurde direkt angesprochen, und das Angebot ist sehr reizvoll. Am Genzentrum der Universität München soll der Schwerpunkt "Molekulare Systembiologie" aufgebaut werden, das ist in dieser Form weltweit etwas ganz Neues. Es wird sehr spannend, wenn Biologen, Chemiker, Physiker und Mathematiker zusammenarbeiten. Ich steuere die genetische Sichtweise bei.

Erklären Sie mal ganz simpel, was Sie genau erforschen.

Wir erforschen Genaktivitätsmuster, wir schauen, wie und warum Gene an- und abgeschaltet werden. Wenn man zum Beispiel einen Embryo hat, dann gibt es zuerst eine Superzelle, die alles kann, das befruchtete Ei. Aus dieser entwickeln sich ganz verschiedene Zellen, die alle ihren eigenen Job machen.

Sind die Bedingungen für Forscher in den USA nicht viel besser - mehr Geld, weniger Bürokratie?

Die finanziellen Bedingungen haben sich in Deutschland schon bedeutend verbessert. Forscher sind in Amerika natürlich autonomer. Wenn ich hier ein Gerät kaufen will, das über 25.000 Euro kostet, muss ich schriftlich begründen, warum ich genau diese Marke will. Das macht den Aufbau eines Labors etwas mühsamer. In den USA wird einfach davon ausgegangen, dass es im eigenen Interesse liegt, mit dem Geld vernünftig umzugehen.

Gibt es auch Vorteile im deutschen System?

Ja, an Deutschland finde ich die öffentliche Finanzierung der Hochschulen sehr gut und wichtig. Hier können auch Leute studieren, die nicht aus reichen Familien kommen. Ich selbst komme aus einem schwäbischen Dorf, meine Eltern hatten nicht viel Geld. Wir waren drei Kinder und haben alle studiert. Wenn ich in Amerika geboren wäre, weiß ich nicht, ob ich hätte studieren können. Und als Grundlagenforscherin kann ich über die wichtigste Förderungsmaschine, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Geld einholen. In den USA muss ich beim Pendant, dem National Institute of Health, immer auch eine medizinische Anwendung vorweisen.

Warum sind Sie vor 15 Jahren in den USA geblieben, Sie hatten doch auch Angebote aus Deutschland?

Mir hat die Meritokratie in der Wissenschaft sehr gut gefallen. Es war egal, wo man herkam, ob man Frau oder Mann war, die Leistungen wurden gewürdigt. Als Wissenschaftler ist man in den USA früher unabhängig und wird ernst genommen. Als ich meinen Post-Doc hatte, war ich hier bei allen Bewerbungen die erste und einzige Frau. Darauf hatte ich keine Lust. Deshalb entschloss ich mich, nicht nach Deutschland zurückzukehren.

Jetzt kommen Sie doch, neben acht Top-Forschern. Sind Sie immer noch die Quotenfrau?

Ich bin keine Quotenfrau. Ich habe mich auch nie als solche wahrgenommen.

Haben es Wissenschaftlerinnen in den USA leichter?

Ich glaube, ja. Es gibt natürlich auch diesen Verlust von Frauen, auf jeder Stufe der Karriereleiter. Auch dort gilt, gemischte Gremien berufen mehr Frauen, als Gremien, die nur aus weißen Männern bestehen.

Haben Sie in den USA auch die Erfahrung gemacht, dass es nicht ausreicht, nur gut zu sein?

Ja, es gibt schon noch eine subtile Abwertung der Leistung von Frauen. Man muss tatsächlich besser sein als die männlichen Kollegen.

Sind Sie für eine Frauenquote?

Nein, ich bin dagegen. Es ist nachhaltiger, sehr aggressiv gute Frauen zu rekrutieren. Das werde ich auch in meinem Wirkungskreis versuchen zu tun. Wenn wir uns jetzt Mühe geben, können wir in fünf oder sechs Jahren schon junge neue Professorinnen haben.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN

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