piwik no script img

Intelligenter EnergieverbrauchStromzähler mit Nebenwirkung

Kunden sollen künftig genau prüfen können, welches Gerät wann wie viel Strom verbraucht. Verbraucher- und Datenschützer warnen vorm gläsernen Haushalt.

Er soll in Zukunft intelligenter mitzählen - und übers Internet übermitteln. Bild: ap

Der Kühlschrank kommuniziert mit dem Stromzähler. Der ist "intelligent" und weiß, ob der Wind an der Nordseeküste besonders stark weht, Windkraftwerke deshalb viel Energie liefern und Strom daher gerade günstig zu haben ist - das Haushaltsgerät schaltet sich prompt ein. Was nach Science-Fiction klingt, soll nach dem Willen der Energiewirtschaft schon bald Wirklichkeit werden: Intelligente Stromzähler will der Billiganbieter Yello, eine Tochter des Atomstromkonzerns EnBW, als erster Lieferant ab sofort anbieten. "Dazu muss man kein Yello-Stromkunde sein", wirbt Firmensprecherin Eva Heringhaus.

Grundlage ist das seit September gültige "Gesetz zur Öffnung des Messwesens für Strom und Gas für Wettbewerb". Die Messung des Energieverbrauchs wird damit von der Lieferung abgekoppelt: Künftig darf jeder zertifizierte Anbieter den Stromverbrauch messen und nicht wie bisher nur die Lieferanten. Über das Internet soll der intelligente Zähler den aktuellen Verbrauch nicht nur an den Zählerbetreiber, sondern auch an den Endkunden weiterleiten. Und der kann sich dann am Computer sekundengenau darüber informieren, wie viel Strom Waschmaschine, Kühlschrank und Co. gerade fressen.

"Wer seinen aktuellen Energieverbrauch im Blick behält, spart bis zu 10 Prozent Energie", sagt Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Als nächsten Schritt wollen die Energieversorger dann sogenannte lastvariable Tarife einführen: In Zeiten hohen Stromverbrauchs soll Energie teurer, bei sinkender Nachfrage, also etwa nachts, billiger werden. "Wir planen die Einführung lastabhängiger Tarife", sagt RWE-Sprecher Harald Fletcher. Auch der Essener Energieriese arbeitet an der Einführung der intelligenten Zähler, hat in einem Pilotprojekt in Mülheim an der Ruhr schon 8.000 der "smart meter" installiert. Bis 2011 sollen 100.000 Haushalte aufgerüstet werden. Doch ob die Masse der Endverbraucher wirklich von niedrigeren Strompreisen profitieren kann, ist längst nicht sicher. So haben die Energielieferanten in Italien die Einführung der intelligenten Zähler zu versteckten Preiserhöhungen genutzt. "Für 70 Prozent der Kunden dort sind die Preise gleich geblieben oder sogar gestiegen", sagt Thorsten Kasper, Energiereferent beim Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv). "Nur 30 Prozent zahlen weniger." Auch der Bund der Energieverbraucher warnt, die neue Technik dürfe nicht "für Kostenerhöhungen missbraucht" werden. Kasper sieht aber auch Chancen: Die Informationen der intelligenten Zähler könnten für ein "besseres Lastmanagement" und damit für eine bessere Netzauslastung sorgen: "Teure Kraftwerke für die Lastspitzen könnten damit eher vom Netz gehen, der Strompreis insgesamt sinken."

Datenschützer warnen dagegen vor dem gläsernen Kunden. Der Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) hat vor wenigen Wochen mit dem Big Brother Award Yellos neue Zähler kritisiert. Die detaillierte Verbrauchsmessung gebe zu viele Informationen über die VerbraucherInnen preis: "Wann wird aufgestanden, wann aus dem Haus gegangen? Wann wird gekocht, wann Fernsehen geschaut? Sind die Bewohner verreist?" Werde wie geplant noch der Gas- und Wasserverbrauch sekundengenau erfasst, seien Rückschlüsse möglich, wie viele Menschen sich in einer Wohnung aufhalten, warnt FoeBuD-Gründerin Rena Tangens. Und sollten die intelligenten Zähler mit "intelligenten" Haushaltsgeräten kombiniert werden, wären Marketingaktionen möglich wie: "Ich sehe, ihr Kühlschrank ist schon ziemlich alt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • TT
    Thomas Thiele

    Einige interessante Hintergrund-Infos zum Smart Metering für interessierte Bürger:

     

    Gestern habe ich auf einen gänzlich unkritischen Artikel unter web.de [http://magazine.web.de/de/themen/finanzen/energie-special/9618144-Nur-noch-intelligente-Stromzaehler-erlaubt.html] den Lesern folgenden Kommentar mitgegeben, denn im Augenblick kursieren diesbezüglich die verrücktesten Darstellungen in der Presse:

     

    @alle, die an Fakten interessiert sind:

     

    Da web.de vermutlich auch nur von irgendwelchen Agenturen widergekäute Preseerklärungen von den großen Energieversorgern oder der Bundesnetzagentur verwendet, kommt am Ende viel Sinnentstelltes heraus.

    Hier geht´s zu den Fakten:

     

    * Gesetzlich gefordert ist augenblicklich nur: ein Zähler, der den "tatsächlichen Verbrauch" anzeigt - das kann - im Prinzip - auch der "alt(gedient)e" Ferraris-Zähler (der mit dem rotierenden Rädchen). "Elektronische Zähler" mit Digitalanzeige können das allerdings etwas besser. (strenggenommen ist auch "die tatsächliche Nutzungszeit" lt. Gesetz gefordert, doch dazu unten mehr.)

     

    * Zur Klarstellung: Von "intelligenten" (!) Zählern steht wortwörtlich NICHTS im Gesetz!!!

     

    * Begriffs-Wirrwarr:

    Smart Meter, intelligenter Zähler, elektronischer Zähler - Wer blickt das überhaupt noch als Otto Normalverbraucher und Durchschnittsbürger? Also:

     

    a) Smart Meter = intelligenter Zähler

     

    b) Elektronischer Zähler = ein Zähler, der statt dem bisherigen Rollenzählwerk (kumul. Verbrauch) und dem "Rädchen" (=Ferrarisläufer, Rotationsgeschwindigkeit ist Maß für Momentanverbrauch) eine Digitalanzeige (mind. für kumulierten Verbrauch und Momentanverbrauch) und ggf. eine Schnittstelle(nvorbereitung) hat

     

    c) Was ist ein "intelligenter Zähler"? Ein elektronischer Zähler wird erst dann "intelligent", wenn er ENTSCHEIDUNGEN (Zu-/Abschaltung von Haushaltsgeräten zu hochpreisigen oder hochlastigen Tageszeiten) treffen kann. Und jetzt kommt das

    Entscheidende(!): Das kann er aber erst, wenn er diese Preis-Informationen aufgrund von - gesetzlich erst ab 30.12.2010 geforderten - sog. "tageszeit- und lastvariablen Tarifen" zur Verfügung hat.

    Solange solche Tarife noch nicht erstellt und angeboten werden und solange die Übertragungswege zwischen Verbraucher und Netzbetreiber noch nicht auf breiter Basis standardisiert sind, bleiben elektronische Zähler "dumm"!!!

     

    Wo sind die neuen Zähler ab 01.01.2010 tatsächlich Pflicht:

    - bei Neubauten

    - bei Gross-/Totalrenovierungen

    - sie müssen vom Energieversorger angeboten werden für interessierte Kunden und für alters- und fehlerbedingt erforderliche Zählerwechsel, die vom Kunden abgelehnt werden dürfen (immerhin ist kurz- bis mittelfristig mit laufenden Mehrkosten bei den neuen Zählern und - bei Kundenwunsch - zusätzlich noch mit Wechselkosten zu rechnen).

     

     

    * Merke: "Intelligent" kann aber bereits jetzt - und ohne Datenschutz-Problematik (s.u.) - jeder Verbraucher sein, indem er das Licht in einem Raum, den er als letzter verlässt, ausschaltet.

    Also: Zum Energiesparen bedarf es keinen intelligenten Zähler, das kann ein jeder bereits jetzt! Ob ein intelligenter Zähler dem Verbraucher Geld spart, ist fraglich. Das wird auch weiterhin von ihm abhängen, denn wenn der Verbraucher unbedingt abends um 18 Uhr seine Wäsche waschen und bügeln will, dann muss er eben einfach nur mehr für die Kilowattstunde bezahlen oder erst um 21 Uhr damit beginnen. Doch wer holt abends um 23:30 Uhr tatsächlich noch die fertige Wäsche aus der Maschine

    oder lässt sie bis morgens drin?

     

     

     

    * Wenn also irgenwo in der Presse derzeit zu lesen ist, dass ab 01.10.2010 nur noch "intelligente Zäher" eingebaut werden dürfen, ist das SACHLICH FALSCH.

     

     

    * Richtig ist, dass Zähler einzubauen sind, die "den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegeln" - und das sind noch keine intelligenten Zähler!!!

     

    * Bereits jetzt bauen einige wenige Energieversorger (meist die großen, weniger die kleinen Stadtwerke; Gründe siehe weiter unten) tatsächlich "intelligente Zähler" ein und bieten spezielle Tarife dazu an. Bei EnBW beispielsweise ist dies an das Vorhandensein eines DSL-Anschlusses mit Flatrate gekoppelt, welcher noch gar nicht in allen ländlichen Regionen möglich ist. Diese Lösungen stellen bislang aber wegen eines fehlenden Standards noch "Insellösungen" dar. Denn was ist, wenn ich den Anbieter wechsle? Bringt der neue Anbieter seinen neuen Zähler mit und was kostet mich der Wechsel?

     

     

    * Zudem hinkt die zuständige Behörde - die Bundesnetzagentur - der Gesetzgebung hinterher. Denn die Bundesnetzagentur wird erst nach dem ersten Quartal 2010 Konkretisierungen für die Branche festlegen. Welcher - insbesondere welcher kleinere - Energeiversorger wird da vorab irgendwelche Investitionen in neue Zähler machen, wenn er noch gar nicht weiss, welche Eigenschaften seine Investition haben soll? Wo sollen da jetzt schon die intelligenten Zähler herkommen, wenn sie von den Energieversorgern noch gar nicht angeschafft werden konnten?

     

     

    * Kein Hinweis auf Datenschutzfragen oder -bedenken ist in diesem web.de Artikel zu finden! (Es ist denkbar, dass zukünftig die Polizei - analog den Mobilfunknetzbetreibern - beim Stromentzbetreiber anrufen könnte, um, vom Bewohner unbemerkt,

    feststellen zu lassen, ob dieser zu Hause ist. Honi soit, qui mal y pense.)

     

     

    * Betrifft Einspeiseanlagen: Bei den meisten Netzbetreibern werden nach wie vor die alten Zähler für kleine PV-Anlagen (

  • DZ
    Dierck Ziegler

    .......und nicht vergessen: GEZ is watching you!

  • K
    Karl

    Was für ein Quatsch!

     

    Die Lasten meiner Verbraucher kann ich gerade noch selbst messen; was nicht benötigt wird ist sowieso galvanisch vom Netz getrennt......

     

    Glück auf!

     

    Karl