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Frankreichs Atomgeschäft mit Niger"Katastrophe" in der Wüste

Präsident Sarkozy will beim Besuch im Niger grünes Licht für den Bau der weltweit größten Uran-Mine geben. Für die Gegner eine "Katastrophe", die örtlichen Tuareg klagen

Wüstenimpression im Niger: Es ist das Gebiet der Tuareg, Frankreich will daran teilhaben. Bild: photocase/äshäk

PARIS taz Eine "Katastrophe" nennen linke und liberale KritikerInnen sowie französische AtomgegnerInnen das gigantische französische Minen-Vorhaben in der Wüste im Norden des Niger. Sie machen sich Sorgen sowohl um die örtliche Bevölkerung, darunter vor allem die Tuareg, die Umwelt, besonders Boden und Wasser, sowie die Menschenrechte und den Frieden in der konfliktreichen Region.

Frankreich will in Arlit die größte Uranmine der Welt bauen. Der französische Atomkonzern Areva und der Staat Niger haben das Geschäft seit Monaten angebahnt. Am Freitag macht Staatspräsident Nicolas Sarkozy persönlich, in Begleitung von Areva-Chefin Anne Lauvergeon, ein paar Stunden Halt in der Hauptstadt Niamey. Zusammen mit Präsident Mamadou Tandja will Sarkozy den offiziellen Startschuss zu geben.

Der Zufall will, dass einen Tag vor der präsidentiellen Stippvisite vor einem Pariser Gericht ein Prozess beginnt, in dem Tuareg aus dem Norden des Niger gegen den französischen Atomkonzern Areva klagen. Sie werfen dem Konzern Enteignung und Vertreibung der EinwohnerInnen der Region sowie die Verursachung schwerer sanitärer Probleme vor. Areva ist seit 40 Jahren im Norden des Niger tätig. Der größte Teil des von Frankreich in AKWs und Atomwaffen verwendeten Urans stammt von dort Dennoch ist der Niger weiter das drittärmste Land der Welt.

In einer Pressekonferenz in Paris erklären oppositionelle PolitikerInnen und AtomkritikerInnen, wie wenig sie von dem Urangeschäft halten. Die grüne Europaabgeordnete Hélène Flautre erklärt: "Der Präsident des Niger und Areva haben das gemeinsame Interesse, die Rebellion der Tuareg zu ersticken." Der Chef der Antikapitalistischen Partei (NPA), Olivier Besancenot, beschreibt eine "kolonialistische Ausbeutung". Die rechtsliberale (Modem) Umweltpolitikerin Corinne Lepage kündigt neue Wanderungsbewegungen nach Europa durch die Bodenspekulation an. Und der Chef der linkssozialistischen Partei "La Gauche", Jean-Luc Mélenchon, ist beunruhigt ob der militärischen Konsequenzen in einer schon unruhigen Region.

Der Sprecher des Netzwerks "Sortir du Nucléaire", Stéphane Lhomme, beschreibt die Strahlengefahren auf der langen Transportroute des Urans nach Europa. Es soll auf dem Landweg 1.600 Kilometer bis nach Westafrika gebracht werden. Dann auf dem Seeweg nach Frankreich, wo es in der Atomanalage von Tricastin im Süden des Landes angereichert wird. Lhomme kritisiert auch die offizielle französische Doktrin, wonach die Atomenergie Frankreichs "Souveränität" sichere. "Das Uran", so Lhomme, ist "importiert".

Die französischen KritikerInnen des Urangeschäftes im Niger werden von Tuareg-Politikern aus der Region unterstützt. Zu ihnen gehört Bürgermeister Issouf Ag Maha, dessen Gemeinde an die Areva verkauft worden ist. Andere Tuareg-Sprecher sind nicht prinzipiell gegen den Uranabbau. Aber sie verlangen, dass die Bevölkerung stärker an den Gewinnen der Urangeschäfte beteiligt wird.

Für Sarkozy gehören Atomgeschäfte zu fast jeder Auslandsreise. Er hat zahlreiche neue AKWs verkauft und arbeitet an dem Ausbau des französischen Atomparks, der der dichteste der Welt ist. KritikerInnen dieser Politik weisen darauf hin, dass Atomkraft für Frankreich eine teure, gefährliche und endliche Energie sei. Und dass Frankreich trotz seiner hohen AKW-Dichte seine Energie zu mehr als drei Vierteln aus anderen Quellen beziehe - mehrheitlich aus Gas und Erdöl. Statt Uranminen im Niger zu bauen, sollte Paris das Land für die Schäden, die es dort angerichtet habe, entschädigen. Und es beim Ausbau alternativer Energieerzeugung unterstützen.

DOROTHEA HAHN

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6 Kommentare

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  • A
    archimedes

    Nachtrag: Ich bin aber dagegen, fruchtbare Wiesen, Äcker und Wälder mit Betonsockeln für PV-Panelen zu verbauen, wie es in Sachsen oder im Saarland und anderswo um sich greift. Bündnis.90/Die.Grünen waren und sind z.B. im Saarland meines Wissens dagegen - zurecht! Auch hier gilt: Was kurzfristig billiger oder gewinnträchtiger ist, das ist oft schlechter.

     

    Auch Typen von Solarzellen, die stark auf Cadmium basieren (statt auf Silizium), sind zu verbieten!

  • A
    archimedes

    @ solar1: Abgesehen davon, dass ich vielem zustimme, was Laluna schon sagte, frage ich mich: Wenn es wirklich darum geht, möglichst schnell Kohle- und Atomkraftwerke zu ersetzen, daher auf möglichst billige Erzeugung von regenerativer Energie zu achten, wäre es dann nicht noch zweckmäßiger, zuerst z.B. im südlichen Afrika (z.B. Südafrika), Indien und China alle Kohlekraftwerke etc. durch solche Solarkraftwerke zu ersetzen?

     

    Würde dort der Preis nicht sogar sehr deutlich unter 10 Cent liegen? (sogar wenn die Arbeiter/innen Löhne bekämen, die gemessen an der Kaufkraft im Land selbst relativ hoch wären).

     

    Aber in jedem Fall ist es gut, darauf hinzuweisen, dass das Märchen vom "teueren Solarstrom" so nicht stimmt. Außerdem sinken auch bei PV Panelen für Dächer die Preise mit der Stückzahl. Ähnliches gilt für Geothermie-Anlagen. Würden davon mehr gebaut, würden sie billiger. Und wie schon gesagt, volkswirtschaftliche Aspekte sind nicht außer Acht zu lassen:

    z.B. die Arbeitslosigkeit in Griechenland lässt sich mit Solarkraftwerken z.B. in Saudi-Arabien wenig reduzieren,

    aber z.b. mit Solaranlagen und Windrädern, die in Griechenland hergestellt würden,

    würde sowohl eine Energiewende beschleunigt,

    als auch die g e s a m t e Lage des Landes verbessert.

     

    Daher bin ich dafür, in ALLEN Ländern erneuerbare Energiesysteme herzustellen und zu installieren, auch wenn das kurzfristig gesehen nicht am billigsten erscheinen mag. Mehr als 1% des BIP würde das trotzdem nicht kosten (vgl. neuen UNEP Bericht, auch N. Sterne etc.), und wären es 2%, wäre das die Sache trotzdem wert.

  • L
    Laluna

    @ solar1: Zunächst stimme ich Dir zu. Solarstrom aus Südeuropa ist gut. Dort sollte dringend viel mehr Solaranlagen gebaut werden. Nur bitte nicht das ganze Land verbauen, sondern auch Dächer nutzen! - auch wenn das heute noch ein paar Euro-Cent mehr kostet. Kurzfristige Kosten sind eben nicht das einzig wichtige Kriterium!

     

    Das gilt auch für Strom aus Wüsten Nordafrikas oder Nahost, z.B. wegen der Gefahr zu großer Abhängigkeit. Diese Staaten sind bis heute leider sehr wenig demokratisch, vgl. viele Menschenrechts-Berichte. Gewerkschafter oder andere Kritikerinnen / Kritiker landen zu schnell ohne faire Gerichtsverfahren in Gefängnissen, werden sogar oft gefoltert u.s.w. Außerdem sind große Stromleitungen von dort extrem anfällig für Terroranschläge.

     

    Und einige Cent mehr, die in ein Windrad gesteckt werden oder eine Aufdach-Solaranlage oder eine Wellekraftanlage oder eine Geothermie-Anlage, die weitgehend in Europa selbst hergestellt sind, schaffen/stützen auch Arbeitsplätze hier. Die paar Cent mehr sind daher dann gut investiert, wenn sie v.a. eigentlich höhere Lohnkosten sind (die abgeschöpften Gewinne machen zwar auch noch einen Teil, den man aber reduzieren könnte). Volkswirtschaftlich ist kurzfristig was billiger ist, nicht immer identisch mit dem, was längerfrisig besser ist - sagt ein Freund von mir, der Ökonomie studiert hat (und es kommt mir so vor, als hat er recht).

     

    Einige Prozent des Stroms können aber sehr gut auch aus Nordafrika und Nahost kommen - aber die Gewinne daraus sollten dann dort wirklich auch in nachhaltige Entwicklung gehen, und nicht auf die Konten der reichen Oberschichten für ihre Luxus-Hotels, -yachten u.s.w.

  • S
    solar1

    Es schadet nicht, wenn auch taz-Leser wissen, dass heutzutage solarthermischer Strom in der Herstellung nur

     

    10-12 Cent pro Kilowattstunde kostet

     

    (siehe Parabolrinnen-Kraftwerke in den VSA und die Andasol Kraftwerke in Süd-Spanien). Es ist also völlig überflüssig noch Gelder in irgendwelche fossile, atomare aber auch wind- oder wassergetriebene Kraftwerke zu verschleudern.

  • W
    wanja

    Einige der besten Mittel, die von hier (Deutschland) aus zur Verfügung stehen, wird sein, die Aufklärungsarbeit der französischen Kritikerinnen/Kritiker unter der franz. Bevölkerung zu unterstützen, sowie über die Europawahlen solche Parteien, die eindeutig und am stärksten gegen die Atomindustrie sind (das sind ja leider nicht allzu viele, denn die meisten sind da in sich gespalten - übrigens sogar die NGO attac, z.B. in Frankreich sind die z.T. für Atomkraft).

     

    Nicht zuletzt ist dies zu verstärken damit zu zeigen, dass erneuerbare Energien viel mehr zu leisten vermögen, als viele Leute bis heute immer noch glauben, bis hinein in Wissenschaft u. Technik.

  • GW
    Günter Wippel / MENSCHENRECHTE 3000 e.V:

    Sehr geehrte Frau Hahn,

     

    sehr schön, daß die taz mal wieder die Uranabbau-Problematik in Niger aufgreift.

     

    Leider enthält der Artikel einige Unschärfen, insbesondere hinsichtlich der Klage.

     

    Ich erlaube mir dies anzumerken, da wir ( = MENSCHENRECHTE 3000 e.V.) einer der beiden - und der einzige ausländische - Mitkläger sind.

     

    Die Klage richtet sich zunächst gegen eine rassistische, sexistische und gewaltauffordernde Äußerung des Hr. D'Arbonneau, franz. Ex-Admiral, Repräsentant von AREVA, im Nov. vorigen Jahres auf einer Wirtschaftskonferenz, in der Öffentlichkeit.

     

    DAGEGEN ist Klage erhoben worden, wir sind Mitkläger.

     

    Gegenstand der Klage sind zunächst die Äußerungen des Hr. D'Arbonneau, NICHT die - in der TAt haarsträubenden - Sachverhalte.

    Wie weit diese zur Debatte kommen / kommen können, wird sich zeigen.

     

    * * *

     

    Zum anderen: im letzten Satz ihres Artikels schreiben sie, Hr. Sarkozy habe AKWs "vekauft" ...

    Ich denke, da muß man mal genauer hinschauen: WO / wieviele rechtlich verbindliche VERTRÄGE sind denn tatsächlich abgeschlossen worden?

    Wo handelt es sich "nur" um Absichtserklärungen, die sich - wie es mit Absichtserklärungen der Atomindustrie öfters geht - später als nichts anders denn heiße Luft erweisen ...

     

    Sicher kann das franz. Reseau Sortir du Nucleaire dazu detaillierte Auskunft geben.

     

    mit besten Grüßen

     

    Günter Wippel

    MENSCHENRECHTE 3000 e.V.

    - Vorstand -