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Bill Mahers Agit-Dokfilm "Religulous"Ausgewählte Irre

Der US-Late-Night-Talker Bill Maher bringt seinen ersten Dokfilm im Michael-Moore-Stil auf die Leinwand. Sein Ziel: Religionen aller Couleur lächerlich machen.

Szene auz Bill Mahers neuen Film "Religulous". Der Regisseur (re.) ist dabei selbst ständig im Bild. Bild: dpa

Der Stand-up-Comedian und US-Late-Night-Talker Bill Maher flog 2002 mit der Sendung "Politically Incorrect" bei seinem Sender ABC aus dem Programm, weil er darauf beharrte, dass die Selbstmordattentäter des 11. September alles, nur keine Feiglinge gewesen seien. Er ging zum Bezahlsender HBO, seitdem gibt es dort die "Real Time with Bill Maher". Der Vorfall ist bezeichnend, weil er klarmacht, dass Maher sich vor allem als eines versteht: als allzeit zum Widerspruch aufgelegte Stimme der Vernunft.

Er ist für die Schwulenehe und gegen Waffenkontrolle, er hat Bob Dole gewählt und Barack Obama, er besucht gern öffentlich das Playboy Mansion und hält nie die Klappe. Ganz besonders wenig die Klappe hält er nun in "Religulous", dem an den Kassen mit Abstand erfolgreichsten US-Dokumentarfilm des letzten Jahres. Wobei man sich durch den Begriff Dokumentarfilm nicht täuschen lassen sollte. Das Werk ähnelt der Sorte Agitdok, die Michael Moore in die Welt setzt, nicht zuletzt darin, dass es kaum einmal eine Einstellung gibt, in der Maher sein Gesicht nicht in die Kamera streckt.

Die Agenda des Films bringt das Wortspiel des Titels "Religulous" - eine Mischung aus "religious" (religiös) und "ridiculous" (lächerlich) - ganz genau auf den Punkt: Der Film will belegen, dass Religionen aller Couleur lächerlich sind, und zwar indem er zeigt, was die Leute für einen Kokolores glauben beziehungsweise sich vorschreiben lassen, von Jungfrauengeburt bis Sabbatgebot, und wie gemeingefährlich dieser Unsinn ist, siehe islamischer Fundamentalismus.

Maher führt zum Beweis ausgewählte Irre vor und macht sich über sie auf mal sehr, mal weniger komische Weise lustig: einen wiedergeborenen Jesus, der zur Freude seines Bankkontos predigt, dass es Sünde ab sofort nicht mehr gibt; einen Hersteller von Sabbathandlungsverbots-Umgehungsmaschinen; einen "geheilten" Exschwulen; den Betreiber eines Anti-Evolutions-Museums, der unbedingt Dinosaurier neben Menschenkinder in seinen Schaukasten setzen will; oder, als auf seine sanfte Weise Schlimmsten von allen, einen reaktionären Rabbi, der sich die Wiederholung des Holocaust wünscht.

Maher hat naturgemäß wenig Mühe, daneben als Lichtgestalt agnostischer Vernunft zu erscheinen. Nur kommt er dabei zugleich als reichlich selbstgefällige Type rüber, als einer, der auf seine Art auch wenig begreift. Zum Beispiel, dass das Ding eben deshalb Glaube heißt, weil es das Bedürfnis befriedigt, mehr zu wissen, als man von Rechts wegen wissen kann. Das darf, wer an Vernunft glaubt, schon blöd finden. Nur lassen sich geschlagene 100 Minuten mit genau einer These nicht unterhaltsam bestreiten. Schon gar nicht, wenn kein halbwegs vernünftiger Vertreter der Gegenseite für mehr als ein paar im Schnitt zurechtmanipulierte Satzfetzen zu Wort kommt.

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6 Kommentare

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  • AB
    Andreas Berger

    Ein sehr schönes und wohltuendes Fazit liebe TAZ-Redaktion. Ich habe den Film gesehen und empfand Ärger. Und zwar weil der Film schlicht langweilig ist und rotzig-arrogant daher kommt... Natürlich kann man Religionen ablehnen und auch Witze darüber reißen. Aber dieser Zwang, alles ins lächerliche zu ziehen wirkt dann selbst eher peinlich...

  • J
    Jesus

    Selbst wenn der Film langweilig und selbstgefällig sein sollte: Was sind denn die Religionen?

    Wieder-, jungfräulich-, sonstwie-, oder besser NIE-geborene gehören dringend ins rechte Licht gerückt, also z.B. die Neonröhren einer Irrenanstalt. Obiges Foto sagt doch alles!

     

    Mehr davon!

  • T
    t.s.

    Oh, jetzt erst fällt mir auf, das der Herr im Bild sogar eine Palästina-Flagge am Revers hat!

     

    Ein Jude - ein Orthodoxer - vielleicht der, der auf einen weiteren Holocaust wartet?

    Durch die Palästinenser vielleicht?

     

    Na super, dann habe ich ja völlig falsch gelegen - und die taz verdient sich mit dieser Wahl mindestens einen ganzen Broderpunkt!

     

    Irre!

  • T
    t.s.

    "Ausgewählte Irre" im Titel und ein orthodoxer Jude im Bild. Oh, oh.

    Der 'Neue Antisemitismus' hat also auch in der taz zugeschlagen? Wer hätte das gedacht.

     

    Moment: "... und wie gemeingefährlich dieser Unsinn ist, siehe islamischer Fundamentalismus."

    Na Gott sei Dank, sie funktioniert also doch noch, die krude Selbstzensurmischung aus Anti-Islamismus und Philo-Semitismus.

     

    Schwein gehabt.

  • C
    Claudio

    Der Autor des Artikels vergisst, das eben solche Filme absoluten Seltensheitwert haben. Solange in kirchlicher Propaganda auch keine "kritischen Stimmen" vertreten sind, so lange sollte es geboten sein, diesen Leuten einen KLAREN Spiegel vorzuhalten. Im Übrigen steht am Ende des Filmes die These im Raum, das Religionen gefährlich sind (und das sie, obwohl womöglich zu einer gewissen Zeit nützlich waren - eine Zeit die vergangen scheint - inwzischen ausgedient haben). Sollte man also unter solchen Vorzeichen der Religion Aufschub geben indem man einen solchen Film "verdünnt"? Wohl eher nicht. Daher finde ich diesen Artikel insgesamt eine schlechte Kritik des Films. Ich sehe Religulous eher als gute Alternative zu Dawkins' Ansatz. Während Letzterer garstig und verstimmt erscheint (übrigens nachvollziehbar - siehe Morddrohungen etc.), ist Maher einen ganz anderen, unbeschwerteren Weg gegangen. Man kann sich also aussuchen, welcher Form man den Vorzug gibt (verbittert oder verhohnepipelnd) - aber man hat wenigstens die Wahl! Der Inhalt (also: Religion birgt Gefahr) ist im Prinzip bei beiden der Gleiche. Und dieser Inhalt macht Sinn - wer es nicht glaubt, nehme sich mal die blutige Geschichte der Religionen vor.

  • M
    Martin

    Man kann Religionen nicht lächerlich "machen", Religionen sind bereits lächerlich. Mahers Ziel ist also nicht "Religionen aller Couluer lächerlich zu machen." sondern die Lächerlichkeit aller Religionen aufzuzeigen.