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Klinsmann und die Krise des FC BayernDie gescheiterte Revolution

Jürgen Klinsmann sollte den FC Bayern reformieren. Er ist gescheitert, sein Verein in der Krise. Wandel ist nötig, doch das beschränkt sich nicht auf die Trainerposition.

Der FC Bayern taumelt einer ungewisse Zukunft entgegen - Trainer Klinsmann auch. Bild: dpa

Man kann nur hoffen, dass das Schicksal Bayern Münchens nicht als Vorlage für die Weltgeschichte dient. "Ähnlich wie derzeit in Amerika hatten wir den Willen zum Change", hat Uli Hoeneß in dieser Woche in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung gesagt und so erklärt, warum er den mit dem Image eines Revolutionärs geschmückten Jürgen Klinsmann zum Trainer des FC Bayern München machte. Neun Monate arbeitet der Schwabe nun in München, nach dem entsetzlichen 0:4 des FC Bayern im Champions-League-Viertelfinale beim FC Barcelona ist aber kaum noch vorstellbar, dass der "Change" von Klinsmann weitergeführt wird. Der FC Bayern taumelt einer ungewisse Zukunft entgegen.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Franz Beckenbauer hatte sogar noch vor dem Spiel in Barcelona Klinsmann infrage gestellt. Und selbst wenn Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des Klubs, auf dem Bankett nach dem Desaster davor warnte, "spontane und unsinnigen Entscheidungen zu treffen", dürfte das ausgeruhte Resümee kaum anders ausfallen: Klinsmann ist gescheitert. "Ich habe unseren alten Freund Udo Lattek in der Halbzeit gesehen", erzählte Rummenigge beim Bankett nach dem Spiel, "er hat geweint." Tiefer geht es wirklich nicht. Zumal aus München zu vernehmen ist, dass Klinsmann auch menschlich nie heimisch wurde im Kreis der Macher des Münchner Edelklubs.

Doch ist eine Trainerdiskussion die angemessene Reaktion auf die sportliche Katastrophe? Denn nicht erst seit Klinsmann scheitert der Rekordmeister regelmäßig, wenn die K.-o.-Spiele im Europapokal beginnen. Sind die internationalen Träume geplatzt, folgt stets dieselbe Leier: Die anderen haben so viel Geld, die Zentralvermarktung und das Solidarprinzip in der Bundesliga sind schuld. Sogar voriges Jahr, als der FC Bayern gegen den ärmeren Club Zenit St. Petersburg aus dem Uefa-Cup flog, folgten die Herren diesem Reflex: "Ja, das ist doch der Russe mit den Gazprom-Millionen, klar, dass wir da keine Chance haben."

Auch vor der Barcelona-Partie hat Manager Uli Hoeneß den Wettbewerbsnachteil beklagt und vollmundig erklärt, wenn er so viel Geld aus der Fernsehvermarktung bekäme wie Europas Topklubs, "dann würde ich unserem Aufsichtsrat sagen, ich komme die nächsten fünf Jahre dreimal ins Halbfinale der Champions League". So ein Selbstbild ist Gift. Es liefert den Spielern Alibis. Klinsmann weiß das, er hat vor der Saison erklärt: "Ich akzeptiere das Argument der finanziellen Diskrepanz zu den Großen nicht." Klinsmann will tatsächlich Grundlegendes ändern, wahrscheinlich hat er sogar richtig erkannt, welche Dinge in München erneuert werden müssen: die Spezialisierung von Training und Trainerstab etwa, die Entwicklung eines umfassenden Bildungskonzepts für die Spieler oder die Öffnung für Einflüsse außerhalb des Fußballs. Doch seine Facharbeit im Alltag ist einfach nicht überzeugend. Und ein Revolutionsführer, der Vorgesetzte hat, die Skepsis säen und Angst haben, dass da einer zu viel erneuert, ist praktisch zum Scheitern verdammt.

Nun wird wohl der Mythos vom monetären Wettbewerbsnachteil weiterleben. Dabei liefert die Barcelona-Elf, die den FC Bayern demontierte, das Gegenmodell. Dieses Team ist alles andere als eine zusammengekaufte Millionentruppe. Mit Messi, Valdes, Xavi, Iniesta und Puyol standen fünf Spieler der Jugend der Katalanen auf dem Platz. Und Defensivstratege Yaya Toure kostete mit 12 Millionen Euro ebenso viel wie der hüftsteife Bayern-Verteidiger Breno. Könnten die Ursachen des Niedergangs also auch in der Arbeit der Scouts, der Jugendabteilung und von Manager Hoeneß liegen?

Anders als bei den Bayern spielen in Barcelona Leute, die eine ausgeklügelte Idee von Fußball verinnerlicht haben. Spieler, die in der Lage sind, zu einer Einheit zu verschmelzen, während der FC Bayern derzeit eine zerfledderte Ansammlung von Einzelspielern aufs Feld schickt. Ein Mangel an Homogenität lässt sich über die gesamte Saison in allen Wettbewerben beobachten. Man kann das dem Trainer vorwerfen, es kann aber auch an einer fehlerhaften Komposition des Kaders liegen. Klinsmann hat schließlich eine Mannschaft übernommen, die komplett zusammengestellt war.

Unter Experten ist es nichts Neues, dass der FC Bayern (wie übrigens auch das international erfolglose Inter Mailand) Einzelspieler kauft, während echte Spitzenteams wie Manchester United oder der FC Barcelona menschlich und fußballerisch harmonierende Gruppen kreieren. Diese Kunst gehörte noch nie zu den Stärken der Münchner, was man auch daran erkennen kann, dass fast kein Spieler, der in den letzten Jahren nach München gewechselt ist, dort besser wurde. Die Beispiele Lukas Podolski, Marcell Jansen, Miroslav Klose, Jan Schlaudraff, Daniel van Buyten, Valerien Ismael oder Tim Borowski belegen diese These.

Diese dauerhaften Probleme sind gewiss nicht die Schuld des Jürgen Klinsmann, und deshalb bleibt es spannend, ob sich die Herren Beckenbauer, Rummenigge und Hoeneß nach der zu erwartenden Trennung vom ihrem Trainer eingestehen, dass sie die Verantwortlichen für nunmehr acht Jahre europäische Erfolglosigkeit sind. Der "Change" ist überfällig, aber derzeit sieht es so aus, als müsse er auch andere Bereiche berühren als nur die Trainerposition und das sportliche Segment.

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16 Kommentare

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  • K
    knirps

    Nicht nur Bayern irrte sich in Klinsi, Klinsi irrte sich auch in Bayern. Seine Bosse taten geduldig, waren es aber nicht; hoch nervös warteten sie auf schnelle Erfolge. Klinsi sollte eine Tante Ju im Flug zum Tarnkappenjäger umbauen. Dass er das versprach, war ein Fehler. Er war zu optimistisch. Das Zwischenergebnis fliegt noch, was an sich schon eine erstaunliche Leistung ist.

  • F
    Franz

    @björn Was für ein schlechter Kommentar, dir fällt ja nicht mal ein Grund ein. Vielleicht machst du dir besser ein Würstchen in der Mikrowelle warm. Und liest dazu die Bild. Was für richtige Männer. Hmm.

  • B
    Björn

    Selten einen so dummen Artikel gelesen. Schreiben mittlerweile Hausfrauen bei der taz die Sportartikel? Sehr schlecht.

  • WE
    Walter Euba

    Man muss Klinsmann aber auch zu Gute halten, dass er laut Sepp Maier von Anfang an den Rensing nicht wollte, der auch durch seine schlechten Leistungen Mitschuld an der Misere hatte. Rensing hat auch eine sehr negative Außendarstellung mit seiner arroganten Art und kann niemals auf Dauer Nummer eins beim FC Bayern werden. Der erste Schritt zur Besserung wäre, einen Torhüter zu verpflichten, der bereits einen internationalen Nachweis erbracht hat.

  • S
    stefan

    Ein sehr guter Bericht. Aber: Es ist immer wieder witzig, dass alle Medien kolportieren, dass Jürgen Klinsmann angeordnet hätte diese Buddas aufzustellen. Das ist so nicht richtig: Diese Buddha-Figuren wurden im Rahmen der Umbau-Maßnahmen von dem ausführenden Architekten aufgestellt.

  • B
    blueshark

    Wo ist der gekreuzigte Klinsmann? Würde das Bild gerne ausdrucken. Find ich echt cool*

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Soviel taz muss sein!

     

     

    Auch in der Fußballkritik ist die taz immer wieder aufs Neue lesenswert.

     

    Und nun zum FCB: Ein Klinsmann macht noch keinen Sommer. Klinsmann braucht mindestens drei Jahre, um den FCB auf die europäische Erfolgsspur zu bringen.

  • MS
    Markus Seeger

    Das Buddha-Missverständnis ? Nerv, wer immer noch nicht begriffen hat das Jürgen Klinsmann mit den Buddhas überhaupt gar nix zu tun hat, der sollte sich mal fragen ob er den richtigen Job hat. Man kann, bei aller berechtiger Kritik, Jürgen Klinsmann wirklich nicht jeden Blödsinn in die Schuhe schieben.

  • M
    malte

    also erst einmal, ich mag die bayern nicht, ganz und garnicht und es war eine wonne dieses spiel gegen barca zu sehen!

    den bericht find ich gut! nur fehlt mir zur ausgewogenheit noch, dass bayern nicht verschuldet ist und leider alle anderen spitzenclubs mit was weiß ich wie vielen 100 millionen. oder einen club besitzer haben der einfach mal was weiß ich wieviele millionen rein steckt.

    also trotzdem super artikel, naja und als negatives beispiel, dass man auch mit viel geld trotzdem halt einfach auch einen guten job machen muss sieht man ja grad mal bei mancity.

  • PK
    PRO KLINSMANN

    Ich kann in keinster weise zustimmen! Das minder eingenommene Geld aus der TV Vermarktung ist der Hauptgrund dafür, dass in München wohl lange keine Champions League Siege zu feiern sein werden.

    Die Ausländischen Topklubs werden mit bis zu 150 Millionen Euro aus der Liga unterstützt, während bei den Bayern 50 Millionen die absolute Obergrenze ist. Es stimmt das der FCB zu den 5 Umsatzstärksten Vereinen gehört, jedoch wäre bei gleichberechtigung aller Europäischer Vereine der FC Bayern der Umsatzstärkste Verein, was an der besten Führung des Vereins liegt. Wenn man sich ansieht welche Summen in den letzten Jahren von Liverpool, Manchester, Chelsea, Inter.... ausgegeben wurden ist der Wettbewerbsnachteil, auch durch Investoren wohl nicht zu leugnen. Barcelona ist hier natürlich ein Sonderbeispiel, weil die Vereinsphilosophie wahrscheinlich die beste ist, die es gibt. Jedoch wäre der FCB mit mehr Geld durchaus mit Chelsea oder Man Udt. auf Augenhöhe.

    Hört auf damit alles immer schlecht zu reden und im Erfolgsfall alles wieder zu glorifizieren.

  • GF
    Guy Fawkes

    Och Leute ... kümmert Euch um Euren Sozialismus und sonstigen linken Schwachsinn .. aber lasst die Pfoten von Fußball ... das ist Kapitalismus und da habt Ihr, wie man sieht, keine Ahnung von...

  • HE
    Hannes Estermann

    Zuerst-ein sehr guter Artikel. Fair und informativ. Wissen was der FCB und Hr.Steinbrück

    gemeinsam haben? Beide jammern nach Geld-und Beide sind nicht fähig-dies richtig zu investieren. Große Schnauzen lieben wohl die meisten Bundesbürger-deshalb all diese Schlammasel.

  • RC
    Rudolf Carstens

    Der Artikel von Daniel Theweleit deckt das Dilemma bei Bayern München schonungslos auf. Selbst das Management wird angekratzt. Nur an diesem Punkt hätte ich mir noch ein wenig mehr Bestimmtheit gewünscht. An Selbstgefälligkeit und totaler Überschätzung sind Manager und Vorstand kaum zu überbieten. Dazu ein Beckenbauer als ständig labernder Präsident, der sich selbst am liebsten über die Bildzeitung vermarktet. Der Erfolg ist eben ein Mannschaftskader, der sich allenfalls als Mittelmaß präsentiert und größtenteils als Fehleinkauf gelten kann. Dagegen dürften auch andere Trainer machtlos sein (siehe Magath und Hitzfeld). Ein System bei der Zusammenstellung der Mannschaft ist jedenfalls nicht erkennbar, und es ist grausig zu erleben, wie satt und uninspiriert die Elf auf dem Spielfeld agiert. Das wird sich erst ändern, wenn das derzeitige Management endlich abtritt und ein anderer Wind in München weht. Dabei wäre Klinsmann als Trainer durchaus keine schlechte Figur, würde man ihm nur mehr Handlungsspielraum geben.

  • H
    Hank

    Sehr guter Artikel, schade dass nun wahrscheinlich wieder strukturelle Defizite (Traingsmethodik, Integration von Eigengewächsen, Taktik etc.) von Personaldebatten und wirtschaftlicher Larmoyanz überdeckt werden.

     

    Dabei hat gerade dieses Spiel verdeutlich, dass man mit den Ideen des "Heldenfußballs" in der europäischen Spitze nichts mehr erreichen kann.

  • S
    Schneider

    Geld als "Verdienst" für die Spieler und Verantwortliche, sollte als alte neue Motivation wieder beim FC Bayern eingeführt werden.

    Der Verkauf und Einkauf von Spielern sollte verboten und stattdessen die Nachwuchsarbeit ausgebaut werden.

  • E
    eric

    Guter Bericht! Noch hinzuzufügen sei, dass Bayern München gem. Forbes in den Top-5 der reichsten Clubs vertreten ist und das ein paar Plätze vor Barcelona und auch dass Barça zwar mehr TV-Gelder verdient aber dagegen auf einen kommerziellen Trikot-Sponsor verzichtet und statt dessen für UNICEF Werbung macht, was ihnen noch weitere 'Unkosten' bereitet, ebenso wie das soziale Engangement in Teilen Afrikas und Südamerika.