MeisterschaftHertha BSC gegen Schalke 04: Olympiastadion eindeutig zu klein
Zum letzten Heimspiel gegen Schalke hätte Hertha 200.000 Karten verkaufen können.
Es ist der Versuch, das Unfassbare in Zahlen zu fassen. "Wir hätten für das Schalke-Spiel 200.000 Karten verkaufen können", staunt Hertha-Manager Dieter Hoeneß. Die Begeisterung für die Blau-Weißen nimmt ungekannte Ausmaße an.
Das Training, das ansonsten von einer etwa 30-köpfigen Reporter- und Rentnerschar verfolgt wird, besuchten diese Woche mehrere hundert Fans. Die Euphorie verbreitet sich wie ein hoch ansteckender Grippevirus. Vor dem letzten Heimauftritt erklärt Mittelfeldakteur Pal Dardai: "Ich erwarte gegen Schalke eine Partie, die es in den letzten 30 Jahren nicht gab."
In einer Woche möchten dann die Hertha-Profis erreichen, was dem Verein zuletzt vor 78 Jahren gelungen war: die Deutsche Meisterschaft. Inzwischen bekennen sich außer Trainer Lucien Favre fast alle freimütig dazu. Nur einen Punkt stehen die Berliner hinter dem Tabellenführer Wolfsburg.
Die Boulevardmedien haben für Lucien Favre schon längst alle Gehaltszuschläge einschließlich Meisterschaftsprämie zusammengerechnet. Einige betrachten bereits weder Schalke noch Karlsruhe als größte Hürde im Bundesligafinale, sondern den Festakt, der anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai rund um das Brandenburger Tor gefeiert werden soll.
Denn durch das Wahrzeichen der Stadt müsste doch Dieter Hoeneß an diesem letzten Ligaspieltag mit der Meisterschale in Händen defilieren. Sein lang gehegter Traum würde somit wahr werden, der in den vergangenen Jahren zum Running Gag verkam, und beispielgebend für den Hertha-Hochmut stand.
Nur der Purist Lucien Favre trennt strikt zwischen dem, was ist und was sein könnte. Auf der Pressekonferenz vor dem Schalke-Spiel unterbrach er die Fantastereien mit der Anweisung: "Nur noch Fragen zum Samstag." Ihm obliegt die schwere Aufgabe, sein Team in einem immer entrückteren Umfeld weiterhin auf das Wesentliche einzuschwören. "Der Gegner ist stark. Die Konzentration ist entscheidend" warnt er.
Manager Hoeneß ist zuversichtlich, dass die Erdung der Profis gelingen wird: "Die Mannschaft macht diesen Hype nicht mit." Gegen Schalke wird Kapitän Arne Friedrich wieder von Anfang an spielen können. Auch Maximilian Nicu ist einsatzbereit. Damit steht Coach Favre erstmals seit langer Zeit der komplette Kader zur Verfügung.
Bei all der Aufregung dürfte es am Samstag fast untergehen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach der exzentrische Stürmer Marko Pantelic seine Abschiedsvorstellung geben wird. Vor nicht allzu langer Zeit, als Hertha nur die Hartgesottenen ins Stadion lockte, war er die einzige Unterhaltungsgröße auf dem Rasen.
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