piwik no script img

Lobbykampagne gegen DatenschutzGesetz über Adresshandel wackelt

Mit einer Veränderung des Datenschutzgesetzes wollte die Bundesregierung dem Handel mit Adressdaten beikommen. Doch der erbitterte Widerstand der Wirtschaft lässt das Vorhaben wackeln.

Hatte mehrfach davor gewarnt, das Gesetz am Widerstand der Wirtschaft scheitern zu lassen: Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar. Bild: ap

BERLIN taz | Eine groß angelegte Lobbykampagne der Werbewirtschaft könnte die Gesetzespläne zur Eindämmung des Adresshandels zu Fall bringen. „Es wurde selten so vehement versucht, mich politisch zu beeinflussen wie bei diesem Thema"“, berichtet die Verbraucherbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Julia Klöckner der sonntaz. Auch Cornelia Rogall-Grothe, Leiterin der Abteilung für Staats-, Verwaltungs- und Verfassungsrecht im Bundesinnenministerium sagte: "Die Diskussionen waren bei diesem Gesetzentwurf außergewöhnlich heftig. Vielleicht sei in dieser wirtschaftlich angespannten Zeit die Betroffenheit besonders groß", sagt sie. „Wenn die Befürchtung im Raum steht, dass Arbeitsplätze verloren gehen könnten, muss man Verständnis dafür haben, dass die Interessenwahrnehmung besonders intensiv erfolgt."

taz

Den kompletten Artikel lesen Sie in der sonntaz am 13./14. Juni 2009 - ab Samstag zusammen mit der taz am Kiosk.

Die große Koalition diskutiert derzeit über das Abschaffen des so genannten Listenprivilegs. Dieses erlaubt Unternehmen die Weitergabe von Adressdaten, solange der Betroffene dem nicht widerspricht. Viele Firmen, die mit Reklamepost werben, nutzen Händler um an solche Daten zu kommen. Nach Datenskandalen im Jahr 2008 wollte die Regierung dies unterbinden und das Bundesdatenschutzgesetz dementsprechend verändern.

Ein Vorschlag wurde vom Bundesinnenministerium noch im Herbst ausgearbeitet. Danach sollten nur noch die Adressen der Menschen zu Werbezwecken weitergegeben werden dürfen, die dem ausdrücklich zustimmen. Weil die Werbewirtschaft gegen das Gesetz Sturm läuft, gibt es inzwischen umfangreiche Ausnahmen – zum Beispiel für spendensammelnde Organisationen. Viele Abgeordnete in Union und SPD würden das Gesetz sogar gern ganz kippen, weil sie in Zeiten der Finanzkrise der Wirtschaft keine weiteren Steine in den Weg legen wollen.

Am 17. Juni will der Innenausschuss des Bundestages noch einmal über das Thema sprechen. Nach Angaben von Ausschussmitgliedern soll versucht werden, auszuloten, ob es noch Möglichkeiten zur Verständigung gibt. Wenn ja, könnte das Gesetz noch in einer der beiden letzten Sitzungswochen des Parlaments verabschiedet werden. Wenn nicht, dann dürfte es angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl auf absehbare Zeit erledigt sein. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte mehrfach davor gewarnt, das Gesetz am Widerstand der Wirtschaft scheitern zu lassen. Wie der Adresshandel eingedämmt werden sollte und wie der Gesetzesplan dann bekämpft wurde, ist Thema einer dreiseitigen Reportage der sonntaz.

Welcher Druck ausgeübt wird, hat die Unionsabgeordnete Klöckner am eigenen Leib erfahren: Die Wirtschaft überschwemmte die Politik mit Briefen, um weiter die Bürger mit Reklame überschwemmen zu können. Klöckner erhielt Briefe vom Deutschen Dialogmarketing Verband, vom Deutschen Presserat, vom Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen, von Versandhäusern, von der Konfessionellen Presse, von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, von den SOS-Kinderdörfern. Der Datenschutzexperte der SPD Michael Bürsch bekam allein 120 Briefe und führte 40 Gespräche mit Vertretern der Wirtschaft. „Der Diskussionsbedarf von Seiten der Wirtschaft war schon sehr groß“, sagte er taz.de.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • M
    myrna

    Auch die taz benutzt das unterwürfige Medien-Neusprech und verwendet Begriffe, wie "Die Wirtschaft", wenn damit die Meinung einiger Aktionäre gemeint ist.

    Wir sitzen ja alle im gleichen Boot, gell?

    Wundert es dann, wenn auf dem Oberdeck immer bekannt ist, was im Maschinenraum und in der Kombüse vor sich geht?

  • B
    Bürgerzensor

    Wir befinden uns in einer groben Schieflage. Wenn es darum geht die Bürgerrechte insbesondere die Informationsfreiheit einzuschränken ist die Politik äußerst konsequent. Wenn es jedoch darum geht die Bürger vor kriminellen zu schützen werden alle Augen zugedrückt.

  • B
    Brezel

    Was mit den Daten alles passieren kann, ich habs am eigenen Leib erlebt, und stlle sie hier nochmals rein. Der rbb nahm sich der Sache an, und hat letzendlci das Handtuch geschmissen.

    Hier nochmals meine wirklich erlebte wahre Begebenheit im ZUsammenhang mit meinen Daten.

     

    Keine Geschichte – ein selbst erlebter Tatsachenbericht, auch wenn es sich unglaublich liest

    Ich hab die Subtilität des Datenmißbrauchs, auf recht skurrile Weise beim eigenen Sparkonto erlebt, was bei mißbräuchlichem Datenhandel rauskommt – nur K… mit zwei k geschrieben.

    Anno 2001 versuchte ich bei der Telekom zu erreichen, daß 2 miteinander nicht geehelichte Personen einer Mietswohnung gleichberechtigt ins Telefonverzeichnis aufgenommen werden, jeder für sich – unter derselben Nummer. Ging damals nicht, nach deren Geschäftsbestimmungen, was aber dann irgendwie ging war ein Doppelnamen, zusammengesetzt aus beiden Nachnamen, getrennt durch einen Bindestrich. Wer also eine Onlinesuche nach nur einem Namen startete wurde dann irgendwie doch fündig, der Zweck heiligt die Mittel, erstmal gut so, damals zumindest.

    Mittlerweile ist unter diesem Anschluß nur noch mein Name zu erreichen, der Telekom hab ich 2003 (aus vielerlei Gründen) die kalte Schulter gezeigt, der von mir nicht geehelichten Person 2 Jahre später. Der Eintrag ins T-Verzeichnis wurde gelöscht…und die Welt schien in bester Ordnung.

    Stutzig wurde ich aber so ab 2005, als ich Werbebepost von diversen Firmen bekam und heute immer noch bekomme – Empfänger, original der Eintrag wie er NUR bei der Telekom (vor langer Zeit) erfolgte, der Doppelnamen mit Bindestrich. Wau!!!

    Im März diesen Jahres (2008) war ich bei meiner Bank, um die mageren Zinsen des Vorjahres auf dem Sparbuch auf einem aktuellen Kontoauszug festhalten zu lassen, denn was man schwarz auf weiß besitzt….

    Ich staunte zunächst nicht schlecht, das Zinsniveau war abermals, noch tiefer, in den Keller gesackt, aber als ich den Namen des Kontoinhabers las, der Doppelnamen des ehemaligen Telekomverzeichnisses, mit Bindestrich, verschlug es mir kurzzeitig die Sprache. Hatte sich Ex - vielleicht unbemerkt im letzten Jahr - an dem Sparbuch vergriffen, dass Passwort hatte ich ja seit Jahren nicht ändern lassen???

    Auf die Ursache, meiner sehr „eigenartigen“ - mir aber (nicht wirklich) unerklärlichen - Namensänderung den Bankangestellten angesprochen antwortete der recht klaltschnäutzig…ich hätte wohl … ?? …geheiratet?!!

    Darauf hielt ich ihm meinen gültigen Ausweis (Ausstellungsjahr 2000) unter die Nase, mit der Bemerkung es (ganz bewusst) nicht getan zu haben, das heiraten. Sein Kopf hinter dem Schalter wurde rot, und er wirkte als hätte er den Kopf sichtlich eingezogen, nachdem ich wiederholt und diesmal recht forsch um sofortige Aufklärung bat.

    Er sah im „System“ nach…und stammelte dann eine Entschuldigung deren Inhalt in etwa wie folgt lautete: …unser Bankhaus hat im vorigen Jahr einen „Datenabgleich“ zur Bereinigung von „Kontoleichen“ vorgenommen. Dazu hat unsere Bank einen Datensatz der Postbank benutzt… es sollte aus Kostengründen nicht jeder Bankkunde angeschrieben werden.

    Ooh Gott dachte ich, wie blöd sind die hier eigentlich…und was passiert eigentlich noch alles mit deinen…auch nicht immer richtigen… Daten. Ich ließ ihn nur noch wissen dass ich im Prinzip nichts dagegen hätte wenn Kontodaten abgeglichen werden, vor allem wenn die Habenseite sich wesentlich erhöht hätte, hatte sie aber in meinem Fall nicht.

    Mit einem Mausklick seinerseits war dann mein standesamtlich geführter Name wieder, wie in alten Zeiten, auf dem Kontoauszug zu lesen. Als ich schon im verlassen der Bank stammelte er noch irgend etwas von Hoch und Heilig … dass die Bank auf Grund des vielen Ärgers mit den Kunden…… aber das interessierte mich schon nicht mehr – ich wollte nur noch vom trubeligen Kurfürstendamm zurück in mein ruhiges ZehlenDORF.

    Die Seuche des Datenklaus bzw. des Datenaustausches ist schon vor Jahren ausgebrochen, ein wirklich wiksames Mittel dagegen gibt es nicht. Denn ich habe meine Daten nicht leichfertig rausgegeben, in meinem Falle waren es die anderen (Telekom, Postbank, ABK) die leichtferig damit umgingen, ach so Onlinebanking praktiziere ich seit 2 Jahren nicht mehr...meine Bank hat nur gesagt gut so...

     

    http://blog.rbb-online.de/roller/abendschaublog/entry/weitere_f%C3%A4lle_von_datenklau

  • I
    Iro

    Vitales Interesse der Bürger an informeller Selbstbestimmung vs. Interesse einer Wirtschaftslobby. Wer sich wohl durchsetzen wird? Und: wie viele Minuten wird die SPD Widerstand simulieren bis sie einknickt?

  • B
    BÄÄÄÄÄRRK!!!

    Würden diese "Nassauer" Anfragen, Schreiben und Anrufe in gleicher Manier ignorieren wie die das dem Bürger und Wähler gegenüber definitiv tun, wäre dieser Lobbyistendruck überhaupt kein Problem.

  • BU
    Bernd Untiedt

    Wenn "Seriöse" Unternehmen mit zweifelhaften Geschäften viel Geld verdienen können, müssen diese vom Staat geschützt werden. Geld regiert nun mal die Welt. In der VWL sind in der Theorie Arbeit, Boden und Kapital gleichwertig. In der aktuellen Realität zählt nur das Kapital. Es wird Zeit das wider ein Gleichgewicht herrscht.