Vergabe von Berliner Oberschulplätzen: Ein schweres Los
Das Losverfahren zur Vergabe von Plätzen an begehrten Oberschulen führt zu Streit und Unklarheit. Auf offene Fragen gibt es nur wenige klare Antworten.
Es hat schon für viele heiße Diskussion und beinahe sogar für eine Koalitionskrise gesorgt: das Losverfahren, das Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) im Zuge der Schulreform zur Auflösung des Konkurrenzkampfs um Plätze an besonders begehrten Oberschulen vorgesehen hat. Dabei ist bislang unklar, wie die Schulplatzlotterie künftig praktisch durchgeführt wird. Die Senatsbildungsverwaltung muss die von der rot-roten Regierungskoalition beschlossene Regelung, dass Oberschulen mit mehr Anmeldungen als Schulplätzen künftig 30 Prozent ihrer Plätze verlosen sollen, umsetzen. Doch äußern will man sich dort dazu bisher nicht: Es würden verschiedene Modelle diskutiert, heißt es knapp.
Dabei gibt es zahlreiche offene Fragen: etwa, an wie vielen Oberschulen sich GrundschulabgängerInnen bewerben dürfen; durch wen und wie die Verlosung der Plätze durchgeführt wird; oder auch, wie der im Koalitionsbeschluss festgelegte Anspruch jedes Bewerbers auf ein Beratungsgespräch an der Wunschschule umgesetzt werden kann.
Denn rein theoretisch können mit der neuen Übergangsregelung die Bewerberzahlen an beliebten Oberschulen künftig in bislang unbekannte Höhen schnellen. Bisher galt nämlich: Hat eine Oberschule mehr Anmeldungen als Plätze, bekommt derjenige einen Platz, der näher an der Schule wohnt. Das hielt viele Eltern davon ab, ihre Kinder an beliebten, aber wohnortfernen Schulen anzumelden, und beschränkte damit deren Bewerberzahl. Die von Eltern wie von Bildungsexperten als ungerecht betrachtete Wohnortregel wird nun abgeschafft. Damit hat jeder Grundschulabgänger unabhängig von seinem Wohnort zumindest theoretisch Chancen auf einen Platz an der Schule seiner Wahl. Möglich also, dass manche Schule bald eine vierstellige Zahl von Bewerbern hat.
Von davon betroffenen Schulen zu erwarten, mit jedem Bewerber ein Beratungsgespräch zu führen, ist nicht realistisch. Um dem Explodieren der Bewerberzahl entgegenzuwirken, kommen verschiedene Wege in Betracht. Eine Möglichkeit bieten die individuellen Auswahlkriterien, die sich stark nachgefragte Schulen künftig selbst geben dürfen, um die 60 Prozent ihrer Plätze zu belegen, für die sie ihre Schüler selbst aussuchen können. Mit ihrer Hilfe könnte, etwa durch die Festlegung von Zugangsvoraussetzungen wie bestimmten Sprachkenntnissen oder einer Notendurchschnittsregelung, die Bewerberzahl um aussichtslose KandidatInnen reduziert werden. Nur der Rest käme zum Beratungsgespräch.
Nachgedacht wird nach taz-Informationen auch darüber, das Los- dem Auswahlverfahren voranzustellen. Das würde zudem verhindern, dass allein das Landen im Lostopf Kindern schon wie ein erstes Versagen erscheint. Es würden dann aus allen BewerberInnen zuerst die 30 Prozent ausgelost, die einen Platz sicher haben - und dann aus dem Rest die der Schule Genehmen ausgewählt. Das würde allerdings eine Entscheidung voraussetzen, die bisher auch noch nicht gefallen ist: nämlich, ob das Losverfahren überhaupt an den Schulen selbst - oder zentral auf Bezirks- oder gar Landesebene durchgeführt wird.
Damit verbunden ist die Frage, wie viele Loschancen es geben wird: Sollen also GrundschulabgängerInnen an einem einmaligen Losverfahren um einen Platz an irgendeinem Gymnasium ihres Bezirks oder der Stadt teilnehmen - soll also ihr Wunsch nach einer bestimmten Schulform, aber nicht der nach einer bestimmten Schule Berücksichtigung finden? Oder bekommen sie eine einmalige Loschance nur an ihrer Wunschschule - und werden von der Verwaltung irgendeiner anderen zugewiesen, wenn sie dort eine Niete ziehen?
Diskutiert wird auch folgende Lösung: Wie bisher bekommen GrundschulabgängerInnen die Möglichkeit, auf einem Anmeldebogen drei Wunschschulen zu benennen. Falls es an alle drei Schulen mehr Bewerber als Plätze gibt, bekommen die BewerberInnen bei allen per Losverfahren eine Chance, und - sollten sie drei Nieten ziehen - über das schuleigene Auswahlverfahren eine zweite. Dass dann immer noch Kinder ohne Schulplatz dastehen, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Eltern könnten dem entgegenwirken, indem sie mindestens eine Schule benennen, die nicht mehr Anmeldungen als Plätze hat, also ganz ohne Losverfahren einen sicheren Platz für ihr Kind zur Verfügung hat.
Offen bliebe dann aber immer noch die Frage, wie und wo das Losverfahren durchgeführt werden soll. Hat ein Kind drei Lose, kann es theoretisch an drei Schulen gewinnen und müsste sich dann entweder nachträglich für eine entscheiden oder schon auf dem Bewerbungsbogen die Prioritätenfrage klären. Zudem müssten die Schulen mehr Lose ziehen, als Plätze zu vergeben sind - um aufzufüllen, sollte sich ein Mehrfachsieger dann für die andere Schule entscheiden.
Es ist schwer vorstellbar, ein solch kompliziertes Abstimmungsverfahren den Schulen selbst zu überlassen - zumal ihnen viele Eltern bekanntermaßen bei der Verteilung ihrer Plätze gerne misstrauen. Es könnte stattdessen von den bezirklichen Schulämtern übernommen werden, die schon bisher die Schulplatzzuweisungen der an ihren Wunschschulen abgelehnten SchülerInnen organisieren. Möglich wäre auch die Einrichtung einer Art zentralen Koordinierungsstelle auf Landesebene. Ob dann gar Schulsenator Zöllner selber die Lottofee spielen würde - auch diese Frage bleibt vorerst ungeklärt.
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